VwGH vom 09.07.2008, 2005/13/0160
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der S in W, vertreten durch die Jeannee Rechtsanwalt GmbH in 1010 Wien, Bösendorferstraße 5/8, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1708-W/04, miterledigt RV/3441-W/02, RV/4415-W/02, betreffend Umsatzsteuer für 1998 bis 2002, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erzielte in den Streitjahren 1998 bis 2002 Umsätze, welche sie als gemäß § 6 Abs. 1 Z 8 lit. a UStG 1994 steuerfrei behandelte. In den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre gab sie die Art des Unternehmens mit "Auskunftei über Kreditverhältnisse" an.
Mit dem angefochtenen Bescheid setzte die belangte Behörde im Instanzenzug die Umsatzsteuer für die Streitjahre 1998 bis 2002 fest und behandelte die von der Beschwerdeführerin erzielten Umsätze als steuerpflichtig. Die Beschwerdeführerin habe im März 1998 einen Betrieb mit dem Gegenstand des freien Gewerbes "Auskunftei über Kreditverhältnisse" in der Rechtsform eines Einzelunternehmens eröffnet. Für diese Tätigkeit habe sie bis zur Zurücklegung und gewerbebehördlichen Löschung mit über einen entsprechenden Gewerbeschein "unter Ausschluss jeder an einen Befähigungsnachweis oder an eine Bewilligung gebundenen Tätigkeit" verfügt. Die Umsätze bestünden in Provisionszahlungen einer als Kreditvermittlerin tätigen V GesmbH. Die Beschwerdeführerin sei unstrittig nicht Kreditgeberin gewesen. Streitentscheidend sei, ob die Beschwerdeführerin im eigenen Namen und für eigene Rechnung Kredite vermittelt und die von ihr erklärten Umsätze für derartige Leistungen erzielt habe. Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 8 lit. a UStG 1994 seien die Umsätze aus derartigen Vermittlungsleistungen steuerbefreit, während Umsätze aus der Verwaltung von Krediten und Kreditsicherheiten nur beim Kreditgeber steuerfrei seien.
Gegen eigene Vermittlungsleistungen der Beschwerdeführerin in diesem Sinne hätten die Angaben des am als Auskunftsperson vernommenen Geschäftsführers der V GesmbH gesprochen, welcher die Tätigkeit der V GesmbH als Kredite vermittelnd, nicht als Kredite gewährend beschrieben habe. Auch die Beschwerdeführerin selbst habe im Verwaltungsverfahren dargelegt, sie sei durchwegs "in Abstimmung mit der V GesmbH tätig geworden", habe ihre Honorarnote an die V GesmbH gelegt und sich die Provision in jedem einzelnen Kreditfall mit dieser geteilt. Die Aussage des erwähnten Geschäftsführers, dass die Beschwerdeführerin jeweils 30 % der Provision erhalten habe, verdeutliche den Inhalt dieser Geschäftsbeziehung. Wenn nämlich die Beschwerdeführerin ihrer eingeschränkten gewerberechtlichen Befugnis entsprechend beinahe den gesamten Arbeitsaufwand geleistet habe, der "in Abstimmung mit" der V GesmbH im einzelnen Kreditfall zu erbringen gewesen sei (Anlegen und Verwalten des Aktes von der Auftragserteilung durch die V GesmbH bis zur Abwicklung) und wenn sie dafür einen stets einheitlich bemessenen Anteil an der der V GesmbH allein zustehenden Vermittlungsprovision erhalten habe, so habe sich die Tätigkeit der V GesmbH offensichtlich in ihrer Stellung als jeweils allein verantwortliche Kreditvermittlerin erschöpft. Folglich habe die V GesmbH entsprechend ihrem Unternehmerwagnis und Haftungsrisiko gegenüber den Kreditvertragspartnern Anspruch auf eine ungeteilte Provision. Dass die Kreditwerber von der Beschwerdeführerin an die V GesmbH vermittelt worden wären, ergebe sich weder aus dem Parteienvorbringen noch aus der Aktenlage. Wenngleich die Beschwerdeführerin gegenüber den Parteien des Kreditgeschäftes aufgetreten sei, so habe sie dies durchwegs im Namen der Kredit vermittelnden V GesmbH getan, von der sie den Auftrag dazu erhalten habe. Der Inhalt der Tätigkeit der Beschwerdeführerin werde vom Geschäftsführer der V GesmbH umfassend und, wie der Vertreter der Beschwerdeführerin in der vor der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung bestätigt habe, zutreffend beschrieben. Darin finde eine eigenverantwortliche Kreditvermittlung keine Erwähnung. Dass die Kredite sodann auf Grund der Verwaltungsarbeit der Beschwerdeführerin tatsächlich zustande gekommen seien, mache diese Tätigkeit noch zu keiner Vermittlung im eigenen Namen.
Der Beschwerdeführerin schwebe die umsatzsteuerliche Anerkennung ihrer behaupteten Subvermittlerfunktion vor. Abgesehen vom Fehlen einer entsprechenden gewerberechtlichen Befugnis zur Ausübung des Kreditvermittlergewerbes hätten auch die einschlägigen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes die Beschwerdeführerin daran gehindert, gegenüber den Kreditvertragsparteien als selbständige Kreditvermittlerin aufzutreten. Die kreditwerbenden Kunden und die kreditgewährenden Banken hätten die Vermittlungsleistung als durch die V GesmbH als Auftragnehmerin erbracht angesehen und folgerichtig die Entgelte diesem Unternehmen bezahlt. Dass die V GesmbH nur zum Schein als Vermittlerin aufgetreten, in Wahrheit aber in jedem hier relevanten Geschäftsfall nur gemeinsam mit der gewerberechtlich unbefugt handelnden Subvermittlerin, der Beschwerdeführerin, tätig geworden wäre, habe nicht dem Auftragsverhältnis nach außen entsprochen. Ein Vertrag des Inhaltes, dass die Beschwerdeführerin von der V GesmbH zur Akquisition von Vermittlungsaufträgen berechtigt und beauftragt worden wäre, sei nicht abgeschlossen worden. Daher unterlägen die von der Beschwerdeführerin durch ihre Tätigkeit für die V GesmbH erzielten Entgelte der Umsatzsteuer zum Normalsteuersatz.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 der im Beschwerdefall noch maßgebenden Sechsten Richtlinie, 77/388/EWG, des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, ABlEG Nr. L 145 vom , (im folgenden: Sechste MwSt-RL) befreien die Mitgliedstaaten unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber von der Steuer.
Dementsprechend bestimmt § 6 Abs. 1 Z 8 lit. a UStG 1994, dass die Gewährung und die Vermittlung von Krediten sowie die Verwaltung von Krediten und Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber steuerfrei sind.
Die belangte Behörde stützte den angefochtenen Bescheid darauf, dass die Beschwerdeführerin bei ihrer Tätigkeit keine Kreditvermittlung im eigenen Namen vorgenommen habe, sondern im Namen der V GesmbH, der eigentlichen Kreditvermittlerin, aufgetreten sei.
Die Beschwerdeführerin trägt - wie im Verwaltungsverfahren - vor, bei ihrer Tätigkeit habe es sich nicht um so genannte "sonstige Leistungen", also Nebenleistungen zur Kreditvermittlung gehandelt, sondern es sei von ihr inhaltlich eine Vermittlungstätigkeit "im engeren Sinn" ausgeübt worden. Die Beschwerdeführerin habe wesentlich darauf Einfluss genommen, dass Kreditwerber und Banken zu Vertragsabschlüssen miteinander bewogen würden. Die im Auftrag der V GesmbH eigenständig von ihr durchgeführten Arbeiten bei jeweils konkreten Kundenakten hätten alleine dazu geführt, dass ein Kreditvertrag zwischen dem Kunden und der Bank zustande gekommen sei oder nicht und dass dadurch eine Provisionspflicht der Kunden entstanden sei. Der Provisionsanspruch der Beschwerdeführerin (30 % der Kreditvermittlungsprovision) sei ihr nur zugestanden, wenn die Kreditvermittlung erfolgreich geblieben sei.
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom in der Rs. C-453/05 (Volker Ludwig) ausgesprochen, dass sich der in Art. 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 der Sechsten MwSt-RL verwendete Begriff "Vermittlung" auf eine Tätigkeit beziehe, die von einer Mittelsperson ausgeübt werde, die nicht die Stellung einer Partei eines Vertrages über ein Finanzprodukt habe und deren Tätigkeit sich von den typischen vertraglichen Leistungen unterscheide, die von den Parteien solcher Verträge erbracht würden. Die Vermittlungstätigkeit sei eine Dienstleistung, die einer Vertragspartei erbracht und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet werde. Zweck dieser Tätigkeit sei es insoweit, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrages habe. Dagegen handle es sich nicht um eine Vermittlungstätigkeit, wenn eine der Vertragsparteien einen Subunternehmer mit einem Teil der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit betraue (Rn 23).
Die nach Art. 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 der Sechsten MwSt-RL steuerbefreiten Umsätze würden durch die Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder den Empfänger der Leistung definiert. Auf diese werde in dieser Bestimmung nämlich in keiner Weise Bezug genommen (Rn 25).
Diese Feststellung gelte auch für die Art der Beziehung zwischen dem Vermittler und den Vertragsparteien (Rn 26). Der EuGH habe insoweit entschieden, dass die Vermittlungstätigkeit eine Mittlertätigkeit sei, die u.a. darin bestehen könne, einer Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder im Namen und für Rechnung des Kunden über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln, wobei Zweck dieser Tätigkeit sei, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse an seinem Inhalt habe (Rn 28). In Anwendung von Art. 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 der Sechsten MwSt-RL könne es nicht davon abhängen, dass ein Vertragsverhältnis zwischen dem Erbringer der Vermittlungsleistung und einer Partei des Kreditvertrages bestehe; dafür sei vielmehr auf die Art der erbrachten Leistung und ihren Zweck abzustellen (Rn 33).
Auch im Urteil vom in der Rs. C-124/07 (J.C.M. Beheer BV) hat der EuGH zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des Art. 13 Teil B Buchstabe a der Sechsten MwSt-RL (Versicherungsmakler und -vermittler) ausgesprochen, dass die Steuerbefreiung nicht allein deshalb versagt werden könne, weil der steuerpflichtige Versicherungsvertreter oder -makler keine unmittelbare Verbindung zu den Versicherern unterhalte, für deren Rechnung er mittelbar, als Untervertreter eines (anderen) Versicherungsvertreters oder -maklers tätig werde (Rn 26)
Der EuGH fuhr im erwähnten Urteil von fort, Art. 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 der Sechsten MwSt-RL schließe es nach seinem Wortlaut nicht grundsätzlich aus, dass sich die Vermittlungstätigkeit in verschiedene einzelne Dienstleistungen aufteilen lasse, die dann unter den Begriff "Vermittlung von Krediten" im Sinne dieser Bestimmung fallen könnten und denen die dort vorgesehene Befreiung zugute kommen könne. Allerdings könne die vom Dienstleister erbrachte Dienstleistung nur dann als von der Steuer befreiter Umsatz im Sinne von Art. 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 der Sechsten MwSt-RL qualifiziert werden, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sei, das die spezifischen wesentlichen Funktionen einer Vermittlungsleistung erfülle. Art. 13 Teil B Buchstabe d Nr. 1 der Sechsten MwSt-RL stehe einer Aufteilung der Dienstleistung der Vermittlung von Krediten in zwei Leistungen nicht entgegen, von denen die eine vom Hauptvertreter im Rahmen der Verhandlung mit den kreditgebenden Finanzinstituten und die andere von ihrem Untervertreter im Rahmen der Verhandlung mit den Kreditnehmern erbracht werde (Rn 37).
Der Begriff der Vermittlung setze daher nicht unbedingt voraus, dass der Vermittler als Untervertreter eines Hauptvertreters in unmittelbaren Kontakt mit den beiden Vertragsparteien trete, um alle Klauseln des Vertrags auszuhandeln. Voraussetzung sei jedoch, dass sich seine Tätigkeit nicht auf die Übernahme eines Teils der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit beschränke (Rn 38).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist es als rechtswidrig zu befinden, dass die belangte Behörde bei der Antwort auf die Frage nach der Steuerfreiheit der von der Beschwerdeführerin erzielten Umsätze darauf abgestellt hat, dass die Beschwerdeführerin bei den Vertragsparteien des Kreditgeschäftes nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der V GesmbH aufgetreten ist. In Verkennung der Rechtslage hat die belangte Behörde deshalb keine Feststellungen getroffen, welche Tätigkeiten die Beschwerdeführerin konkret ausgeübt hat.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Wien, am