VwGH vom 22.01.2013, 2012/18/0180
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie die Hofräte Mag. Feiel und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des AK in W, vertreten durch Mag. Jörg C. Müller, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Mariahilfer Straße 20, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/453357/2009, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Elfenbeinküste, gestützt auf § 62 Abs. 1 und Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Am habe er einen Asylantrag gestellt. Dieser sei am im Instanzenzug rechtskräftig abgewiesen worden. Der dagegen gerichteten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof sei aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt worden. Der Beschwerdeführer sei daher ab nicht mehr Asylwerber gewesen. Er habe sich sodann für etwa zehn Monate unrechtmäßig in Österreich aufgehalten.
Am habe der Beschwerdeführer einen zweiten Asylantrag gestellt. Dieser Antrag sei schließlich am zugelassen worden. Im relevanten Entscheidungszeitpunkt sei der Beschwerdeführer somit wieder als Asylwerber anzusehen.
Der Beschwerdeführer weise zwei strafgerichtliche Verurteilungen auf. Am sei er vom Bezirksgericht Josefstadt wegen Diebstahls zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt worden. Weiters habe ihn das Landesgericht für Strafsachen Wien am wegen gefährlicher Drohung und schwerer Sachbeschädigung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Monaten rechtskräftig verurteilt. Im Weiteren gab die belangte Behörde den Schuldspruch dieser Verurteilungen wieder.
Darüber hinaus - so die belangte Behörde weiter - weise der Beschwerdeführer rechtskräftige und nicht getilgte Bestrafungen wegen schwerwiegender Verwaltungsübertretungen auf. Im Anschluss listete die belangte Behörde diese Bestrafungen unter Angabe der jeweils die Bestrafung aussprechenden Behörde, von Aktenzahlen, der jeweils angewendeten Gesetzesbestimmung samt eines die jeweilige Bestimmung kennzeichnenden Schlagwortes sowie dem Hinweis, dass jeweils eine Geldstrafe verhängt worden sei, auf. Das diesen Bestrafungen zu Grunde liegende Fehlverhalten stellte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht dar.
In ihren rechtlichen Erwägungen führte die belangte Behörde aus, es liege eine bestimmte Tatsache, die die Gefährdungsannahme nach § 62 Abs. 1 FPG zur Erlassung eines Rückkehrverbotes rechtfertige, vor, wenn im Sinn des § 60 Abs. 2 Z 2 FPG ein Fremder mehr als einmal wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 81 SPG rechtskräftig bestraft worden sei. Auf Grund der festgestellten Bestrafungen sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 2 FPG erfüllt. Das den Bestrafungen zu Grunde Verhalten lasse aber auch die Annahme im Sinn des § 62 Abs. 1 FPG als gerechtfertigt erscheinen, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit gefährde und überdies anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Es könne aber auch kein Zweifel bestehen, dass das durch die zitierten "Gerichtsurteile" erwiesene strafbare Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde.
Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, weshalb sie davon ausgehe, dass auch § 66 FPG der Erlassung des Rückkehrverbotes nicht entgegenstehe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () nach den Bestimmungen des FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 29/2009 richtet.
Die Beschwerde macht geltend, dass sich die belangte Behörde, anders als die Behörde erster Instanz, die auf den Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG abgestellt habe, ausdrücklich nur auf § 62 iVm § 60 Abs. 2 Z 2 FPG stütze. Es bleibe aber gänzlich im Dunkeln, welche konkreten Taten dem Beschwerdeführer zur Last gelegt würden. Die belangte Behörde habe es unterlassen, konkrete und nachprüfbare Feststellungen zu treffen, um überprüfbar zu machen, ob die von ihr vorgenommene Gefährdungsprognose zutreffe.
Dieses Vorbringen ist berechtigt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der im fremdenpolizeilichen Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder Rückkehrverbotes vorzunehmenden Gefährdungsprognose in Bezug auf strafgerichtliche Verurteilungen und Bestrafungen wegen Verwaltungsdelikten letztlich immer auf das zu Grunde liegende Verhalten an. Es ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung eines Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0603, sowie aus jüngerer Zeit etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0105, jeweils mwN).
Diesen Anforderungen wurde die belangte Behörde schon deshalb nicht gerecht, weil sie die für das Rückkehrverbot maßgeblichen Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen Verwaltungsübertretungen - auf diese hat sie das Rückkehrverbot tragend gegründet - bloß durch Nennung der Behörde, der Geschäftszahl sowie durch Anführen der Strafnormen - unter Angabe eines Schlagwortes - individualisierte. Die darauf gestützte Aussage, es könne kein Zweifel bestehen, dass das den Bestrafungen zu Grunde liegende Verhalten die Annahme im Sinne des § 62 Abs. 1 FPG rechtfertige, kann mangels Feststellung des den Bestrafungen zu Grunde liegenden konkreten Verhaltens keiner Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugeführt werden.
Soweit die belangte Behörde im Rahmen ihrer Entscheidung auch auf die Verurteilungen des Beschwerdeführers verwies, ging sie - was sie insofern deutlich zum Ausdruck brachte, indem sie die erstinstanzliche Entscheidung, die sich ausdrücklich (auch) auf § 60 Abs. 2 Z 1 FPG gestützt hat, dahingehend abgeändert hat, dass das Rückkehrverbot nunmehr auf § 62 Abs. 1 und Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt werde - davon aus, dass die hier vorliegenden Verurteilungen den in § 60 Abs. 2 Z 1 FPG enthaltenen Tatbestand nicht erfüllten. Ob diese Ansicht zutrifft, kann hier - ungeachtet dessen, dass die Delikte des Diebstahls und der Sachbeschädigung grundsätzlich als auf der gleichen schädlichen Neigung beruhend einzustufen sind (vgl. dazu den , sowie das ) - dahingestellt bleiben (der Beschwerdeführer bestreitet unter Hinweis auf die Art der konkreten Tatbegehungen, dass fallbezogen davon gesprochen werden könnte, es liege die gleiche schädliche Neigung - allenfalls:
zudem von Relevanz für die Gefährdungsprognose - vor), zumal sich einerseits die belangte Behörde darauf - wie erwähnt - nicht gestützt hat und andererseits sich die Begründung des angefochtenen Bescheides selbst bei Bejahung des Tatbestandes des § 60 Abs. 2 Z 1 (letzte Alternative) FPG als nicht rechtmäßig darstellen würde. Es hätte nämlich auch dann jedenfalls näherer Ausführungen bedurft, weshalb fallbezogen die Annahme gerechtfertigt sei, es gehe vom Beschwerdeführer eine im Sinn des § 62 Abs. 1 FPG maßgebliche Gefahr aus.
Mit dem bloßen Hinweis, es könne am Bestehen einer solchen Gefahr keinen Zweifel geben, wird die belangte Behörde im vorliegenden Fall den Anforderungen an eine dem Gesetz entsprechende Begründung - nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des Fehlens von für die Beurteilung wesentlichen Feststellungen - keinesfalls gerecht.
Der angefochtene Bescheid war sohin schon deshalb wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne dass auf das übrige Beschwerdevorbringen hätte eingegangen werden müssen.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 und Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
QAAAE-76495