VwGH vom 30.03.2011, 2005/13/0158
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/4173- W/2002, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1994 und 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid entschied die belangte Behörde über die Berufung des Beschwerdeführers gegen Bescheide des Finanzamts, in denen - zum Teil nach Wiederaufnahme des Verfahrens - für Lieferungen des Beschwerdeführers an polnische Abnehmer in den Jahren 1994 und 1995 sowie für innergemeinschaftliche Lieferungen im Jahr 1995 das Vorliegen der erforderlichen Nachweise für die Umsatzsteuerbefreiung verneint und die Umsatzsteuer für die Jahre 1994 und 1995 auf dieser Grundlage bemessen sowie über die Einkommensteuer 1994 und 1995 entschieden worden war.
Die belangte Behörde gab der Berufung in Bezug auf die innergemeinschaftlichen Lieferungen Folge, änderte den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1995 entsprechend ab und nahm auch eine daraus resultierende, die Verringerung des gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 ermittelten Verlustes durch die Herabsetzung der Umsatzsteuernachforderung betreffende Änderung im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1995 vor. Im Übrigen wies sie die Berufung ab, wobei sie darauf verwies, dass der Beschwerdeführer der Begründung der von ihm u.a. bekämpften Einkommensteuerbescheide nicht entgegengetreten sei.
Zur strittigen Umsatzsteuerfreiheit der Lieferungen an polnische Abnehmer in den Jahren 1994 und 1995 führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der entsprechenden Bestimmungen des UStG 1972 (für das Jahr 1994) und des UStG 1994 (für das Jahr 1995) aus, der erforderliche Buchnachweis für das Vorliegen von Ausfuhrlieferungen sei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine materiellrechtliche Voraussetzung der Steuerbefreiung und durch "zeitnah geführte" Aufzeichnungen zu erbringen. Im vorliegenden Fall seien die Ausfuhrumsätze auf einem Konto erfasst worden, auf dem durch Nennung der maßgeblichen Belegnummern auf die jeweiligen Ausgangsrechnungen verwiesen worden sei. Mit Rücksicht auf deren Inhalte und die dazu auch vorliegenden Ausfuhrnachweise sei der Buchnachweis hinsichtlich des jeweiligen Gegenstandes der Lieferung, des Entgelts und der erfolgten Ausfuhr zweifelsfrei erbracht. Er fehle jedoch in Bezug auf den jeweiligen Tag der Übergabe der Ware an den Abholenden sowie die Person des Abholenden und dessen Ausländereigenschaft. Die Rechnungen für die mit Barzahlungen abgewickelten Geschäfte seien jeweils vor der Abholung ausgestellt worden, sodass deren Datum aus ihnen nicht hervorgehe, und die natürlichen Personen, an die die Waren übergeben worden seien, stünden nicht fest. Die Angaben des Beschwerdeführers betreffend seine Kenntnis seiner ausländischen Kunden und ihrer wirtschaftlichen Existenz seien im Verfahren unklar geblieben, von einem der in Kopie vorgelegten Reisepässe stehe fest, dass er erst nach den verfahrensgegenständlichen Geschäften ausgestellt worden sei, und die vorliegenden Aussagen und Erklärungen in Bezug auf die Liefervorgänge, die nicht im Einzelnen dokumentiert worden seien, seien nicht hinreichend aussagekräftig. Soweit sich der Beschwerdeführer auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 916/02, VfSlg 17096, berufen habe, sei ihm entgegenzuhalten, dass das Beharren auf dem Buchnachweis nach diesem Erkenntnis nur dann das Verhältnismäßigkeitsgebot des Gleichheitssatzes verletze, wenn die materiellen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit "völlig zweifelsfrei" gegeben seien. Das treffe im vorliegenden Fall bei den behaupteten Geschäften mit polnischen Abnehmern nicht zu, weil nicht überprüfbar sei, ob die in den Rechnungen genannten Abnehmer auch die tatsächlichen Abnehmer gewesen seien. Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der Umsätze nach Polen lägen daher nicht vor.
Dagegen richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete und nach Ablehnung und Abtretung durch diesen mit Beschluss vom , B 735/04-9, für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ergänzte Beschwerde, die der Begründung der belangten Behörde für die Entscheidungen über die Einkommensteuer nicht entgegentritt und hinsichtlich der strittigen Umsatzsteuer unter weitgehendem Verweis auf die ursprüngliche Beschwerde den Standpunkt vertritt, der angefochtene Bescheid widerspreche dem erwähnten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes. Im Übrigen wird - anknüpfend an entsprechende Ausführungen des Sachverständigen in einem mit Freispruch erledigten gerichtlichen Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer - in Bezug auf den Buchnachweis zwischen einer "liberaleren" und einer "strengeren" Interpretation unterschieden und in der ursprünglichen Beschwerde ausgeführt, nach der vom Verwaltungsgerichtshof zuletzt vertretenen strengeren Auffassung sei der Buchnachweis nicht erbracht. In der Beschwerdeergänzung wird ohne nähere Begründung behauptet, auch die strengere Interpretation rechtfertige "im gegenständlichen Fall nicht die Begründung des angefochtenen Bescheides".
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Den Entscheidungen der belangten Behörde über die Einkommensteuer tritt die Beschwerde nicht entgegen, und sie sind auch vom Beschwerdepunkt nicht umfasst.
Was die strittige Umsatzsteuer anlangt, so ist für das Jahr 1994 von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum UStG 1972 auszugehen, wobei die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zu Recht auf das hg. Erkenntnis vom , 2001/14/0128, verweist (vgl. in diesem Zusammenhang etwa auch Haslinger, FJ 2008, 354 bei FN 44). Für das Jahr 1995 ist diese Rechtsprechung nicht mehr maßgeblich, weil insoweit das UStG 1994 zur Anwendung kommt. Nach der dazu ergangenen Rechtsprechung kommt vor allem dem Aspekt der Zeitnähe der Aufzeichnungen nicht mehr die in der früheren Rechtsprechung angenommene Bedeutung zu. Bloß formelle Belange haben bei der Beurteilung der Steuerpflicht in diesem Zusammenhang zurückzutreten (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2005/15/0031, und daran anschließend etwa die Erkenntnisse vom , 2005/15/0057, und vom , 2006/15/0234).
Im vorliegenden Fall spielt dieser Unterschied aber im Ergebnis keine Rolle. Dem Beschwerdeführer ist es nämlich auch im Nachhinein nicht gelungen, auf die einzelnen Lieferungen bezogene Nachweise darüber, von wem die Ware jeweils abgeholt worden sei, zu erbringen. Nach den Ausführungen der belangten Behörde, denen er in dieser Hinsicht nicht entgegentritt, und auch nach seinen eigenen Ausführungen in der ursprünglichen Beschwerde beschränkten sich die - nach Meinung der belangten Behörde nur zum Teil geglückten - Nachweise auf allgemein gehaltene, nicht auf die einzelnen Geschäftsfälle bezogene Erklärungen und Belege über das Bestehen von Geschäftsbeziehungen und die Identität bestimmter "wichtigster" Personen. Dass in der Berufungsverhandlung, wie es in der ursprünglichen Beschwerde an einer Stelle heißt, angeboten worden sei, die polnischen Abnehmer als Zeugen stellig zu machen, und die belangte Behörde das "mit dem Hinweis, dass dieser Umstand ohnehin im Verfahren nicht strittig sei, abgelehnt" habe, geht aus der Niederschrift nicht hervor. Der Beschwerdeführer wurde im Besonderen auch nicht unter Hinweis auf das Erfordernis der Zeitnähe der Aufzeichnungen an der Erbringung entsprechender Nachweise gehindert.
Dass die von der belangten Behörde aufgezeigten Unstimmigkeiten in den Angaben des Beschwerdeführers selbst über seine Kenntnis der Geschäftspartner und die Personen, mit denen die Geschäfte abgewickelt worden seien, in Wahrheit nicht vorlägen, wird mit den Behauptungen in der ursprünglichen Beschwerde, der Beschwerdeführer sei nie in Polen gewesen und habe die später zum Teil bejahte Frage nach der Kenntnis seiner Vertragspartner daher zunächst verneinen müssen, und ein erst spät erwähnter Beteiligter sei zunächst nicht genannt worden, weil es für die Geschäftsabwicklung mit ihm aus sprachlichen Gründen der Hinzuziehung eines Dritten bedurft habe, nicht dargetan. Schon mit Rücksicht auf diese Unstimmigkeiten ist auch im Sinne des vom Beschwerdeführer erwähnten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes und der daran anschließenden Judikaturentwicklung nicht davon auszugehen, dass das Vorliegen der materiellrechtlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung völlig zweifelsfrei gewesen sei.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am