VwGH vom 29.09.2010, 2010/10/0168

VwGH vom 29.09.2010, 2010/10/0168

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde des A H in J, vertreten durch Mag. Martin Wolf, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs-2010/25/1238- 2, betreffend Übertretung des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schwaz (BH) vom wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung des § 45 Abs. 1 lit. a iVm § 6 lit. a des Tiroler Naturschutzgesetzes 2005 (T NSchG 2005) sowie einer Übertretung des § 45 Abs. 1 lit. a iVm § 7 Abs. 2 lit. a Z. 1 T NSchG 2005 schuldig erkannt, weil er die Errichtung einer Containermontagehalle samt Containerlager mit einer zusammenhängend verbauten Fläche von mehr als 2.500 m2 außerhalb geschlossener Ortschaften und überdies im Uferschutzbereich des Inns ohne naturschutzrechtliche Bewilligung zu verantworten habe. Wegen dieser Übertretungen wurden über ihn zwei Geldstrafen in Höhe von je EUR 500,-- (zwei Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Die gegen dieses Straferkenntnis vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid nicht nur ein, die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er das Betriebsgebäude außerhalb geschlossener Ortschaft errichtet habe, sondern rügt auch, dass keine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt worden sei. Ein schlüssiger Verzicht auf die Verhandlung könne aus dem Umstand, dass er keinen Verhandlungsantrag gestellt habe, nicht abgeleitet werden, weil er im Verwaltungsstrafverfahren weder anwaltlich vertreten gewesen noch über die Notwendigkeit einer Antragstellung belehrt worden sei.

Bereits letzteres Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg:

Gemäß § 51e Abs. 1 VStG hat der unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Von einer öffentlichen Berufungsverhandlung kann der unabhängige Verwaltungssenat gemäß § 51e Abs. 3 VStG absehen, wenn

1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird, oder


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2.
sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet, oder
3.
im angefochtenen Bescheid eine EUR 500,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, oder
4.
sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet
und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen.
Gemäß §
51e Abs. 5 VStG kann der unabhängige Verwaltungssenat von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Im Straferkenntnis vom 13.
April 2010 wurden über den Beschwerdeführer wegen zweier Übertretungen zwei jeweils EUR 500,--

nicht übersteigende Geldstrafen verhängt. Allerdings konnte die belangte Behörde rechtens nicht von der Erfüllung des weiteren Tatbestandsmerkmales gemäß § 51e Abs. 3 VStG, dass "keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat", ausgehen.


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Zwar trifft es zu, dass der Beschwerdeführer -
wie er auch selbst einräumt - keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt hat. Nach Lage der Verwaltungsakten war der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren aber nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten. Unter dem Blickwinkel des Art. 6 EMRK konnte daher die Unterlassung der Antragstellung auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zum Verlust des Rechtes des Beschwerdeführers auf die in Strafsachen grundsätzlich garantierte mündliche Verhandlung führen, es sei denn, er wäre über die Antragstellung belehrt worden oder es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass er von dieser Möglichkeit wissen musste (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/09/0110, mwN).
Entgegen dem von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift erstatteten Vorbringen wurde der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren über die Antragstellung betreffend eine mündliche Verhandlung nicht belehrt. Es bestanden auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass er von dieser Möglichkeit wissen musste:
Zwar hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 30.
April 2010 darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit besteht, "die Aufnahme weiterer Beweise zu beantragen und auf die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung, zu der Sie persönlich geladen werden, zu verzichten. Sollte nicht binnen vorerwähnter Frist (zur Bekanntgabe der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse) ein entsprechender Antrag erfolgen, so wird davon ausgegangen, dass die Aufnahme zusätzlicher Beweise nicht gewünscht und auf die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung ausdrücklich verzichtet wird." Allerdings wurde dem Beschwerdeführer mit diesem Hinweis lediglich zur Kenntnis gebracht, dass er auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichten könne und weiters, dass im Falle des Unterbleibens eines "entsprechenden" - d.h. offenbar - auf die Aufnahme weiterer Beweise gerichteten Antrages von einem ausdrücklichen Verzicht auf die Berufungsverhandlung ausgegangen werde.
Selbst wenn daher mit diesem Hinweis eine Belehrung des Beschwerdeführers über die Möglichkeit eines Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung beabsichtigt war, so erfolgte diese jedenfalls nicht so deutlich, dass die Unterlassung des Antrages auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung unmissverständlich als Verzicht des Beschwerdeführers auf sein Recht auf Durchführung der Verhandlung gedeutet werden könnte.
Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Sie hat dadurch ihr Verfahren mit einem wesentlichen Mangel belastet, was schon für sich gemäß §
42 Abs. 2 Z. 3 VwGG zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu führen hatte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§
47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am 29.
September 2010