VwGH vom 12.12.2012, 2012/18/0172
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des JSD in W, vertreten durch Dr. Christof Dunst, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landesgerichtsstraße 18/1/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 588/06, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist. Am habe er einen Asylantrag gestellt. Dieser sei in erster Instanz mit Bescheid vom abgewiesen worden. Dagegen habe der Beschwerdeführer Berufung erhoben.
Am habe der Beschwerdeführer in Wien eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Daraufhin habe er am die im Asylverfahren eingebrachte Berufung zurückgezogen. Der in diesem Verfahren in erster Instanz ergangene Bescheid sei damit in Rechtskraft erwachsen.
Der Beschwerdeführer habe dann am bei der Bezirkshauptmannschaft H die Erteilung eines Aufenthaltstitels als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" (nach den damals geltenden Vorschriften des Fremdengesetzes 1997) beantragt.
Da sich der Beschwerdeführer erst einen Tag nach der Eheschließung mit Hauptwohnsitz an der Adresse seiner Ehefrau in Z angemeldet habe, obwohl er in Wien als Zeitungsverkäufer tätig gewesen sei, und auch die Schwester seiner Ehefrau einen indischen Staatsangehörigen geheiratet habe, habe die Bezirkshauptmannschaft H im Dezember 2004 Erhebungen wegen des Verdachts des Vorliegens einer Aufenthaltsehe eingeleitet.
Im Rahmen der Befragungen durch Beamte des Gendarmeriepostens H hätten sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ehefrau das Vorliegen einer Aufenthaltsehe bestritten. Jedoch seien im Zuge der Vernehmungen Widersprüche zutage gekommen. Der Beschwerdeführer habe weder die "genaue Arbeit" noch das Einkommen oder die Vermögensverhältnisse seiner Ehefrau nennen können. Seine Ehefrau habe ausgeführt, der Beschwerdeführer besitze ein Auto. Demgegenüber habe der Beschwerdeführer angegeben, seit kein eigenes Auto zu haben und seitdem, abgesehen von vier Fahrten mit dem Auto seines Stiefsohnes, auch nicht mit einem Auto gefahren zu sein.
Im Anschluss listete die belangte Behörde noch diverse Widersprüche in den Angaben der Ehepartner auf, die sich in erster Linie auf die Eheschließung, den Ablauf diverser Kontaktnahmen durch die Ehepartner, das behauptete Zusammenleben und die persönlichen Verhältnisse bezogen.
Weiters gab die belangte Behörde das Ergebnis von Erhebungen wieder, wonach weder der Nachbar des in Z angrenzenden Wohnhauses noch die Bewohner der nächstgelegenen Häuser jemals einen indischen Staatsangehörigen bei der Ehefrau des Beschwerdeführers gesehen hätten. Auch habe sich der Beschwerdeführer im Rahmen einer Erhebung mit Beamten zum Wohnhaus seiner Ehefrau in Z begeben. Obwohl er angegeben habe, dort ständig zu wohnen und über Haustorschlüssel zu verfügen, habe kein Schlüssel zur Eingangstür des Wohnhauses gepasst. Zudem habe ihn der Hund der Ehefrau nicht erkannt, sondern ihn "angebellt und angeknurrt".
In weiterer Folge sei der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung von der - infolge Wohnsitzwechsels des Beschwerdeführers mittlerweile zuständig gewordenen - Bundespolizeidirektion Wien rechtskräftig mit Bescheid vom wegen des Vorliegens einer Aufenthaltsehe abgewiesen worden. Er habe sich allerdings weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten.
Der Beschwerdeführer bringe vor, er hätte gegen jenen Bescheid, womit sein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgewiesen worden sei, Berufung erhoben; dieser wäre daher nicht in Rechtskraft erwachsen. Dem sei entgegenzuhalten, dass der Bescheid vom dem damaligen rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am zugestellt worden sei. Eine "angeblich dagegen erhobene Berufung" sei nicht aktenkundig. Auch habe der Beschwerdeführer, nachdem ihm bekannt geworden sei, dass gegen ihn ein Ausweisungsverfahren eingeleitet worden sei, nicht auf ein im Aufenthaltstitelverfahren eingebrachtes Rechtsmittel hingewiesen.
Der Beschwerdeführer halte sich seit Rechtskraft der Abweisung seines Asylantrages unrechtmäßig in Österreich auf. Es lägen sohin die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 FPG zur Erlassung einer Ausweisung vor. Daran ändere auch nichts, dass der Beschwerdeführer am erneut einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger eines Österreichers eingebracht habe. Im Übrigen habe er sich dabei wieder auf die Aufenthaltsehe berufen.
Bei der nach § 66 FPG vorzunehmenden Beurteilung sei zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer im Juni 2000 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist sei und einen Asylantrag gestellt habe, "der im Jänner 2001 negativ beschieden" worden sei. Sein erster Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sei wegen des Vorliegens einer Aufenthaltsehe abgewiesen worden. Abgesehen von der "Scheinehegattin" habe der Beschwerdeführer keine familiäre Anbindung in Österreich. Seine Eltern sowie drei Schwestern lebten in seinem Heimatland. Er sei zunächst in Österreich als Zeitungszusteller tätig gewesen. Einem am angefertigten "Versicherungsdatenauszug" zufolge sei er ab 2007 als Arbeiter beschäftigt gewesen. Seit sei er "als Arbeiter in einer Pizzeria angemeldet". Im Hinblick auf den fast zehnjährigen Aufenthalt in Österreich und auf die beruflichen Bindungen sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zum Erreichen von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier konkret zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses öffentliche Interesse verstoße der Beschwerdeführer, der zumindest fünf Jahre lang unrechtmäßig aufhältig sei, gravierend.
Das Gewicht der aus dem Aufenthalt resultierenden persönlichen Interessen werde insofern relativiert, als der Beschwerdeführer seinen bisherigen Aufenthalt zunächst auf einen Asylantrag, der sich als unberechtigt erwiesen habe, gegründet habe. Dann habe er eine Aufenthaltsehe geschlossen, um sich einen Aufenthaltstitel und den "Zugang zur Aufnahme einer Beschäftigung" zu verschaffen. Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei sohin von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an seiner Ausreise.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass sich im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () zur Beurteilung des gegenständlichen Falles das FPG idF des BGBl. I Nr. 135/2009 als maßgeblich darstellt.
Der Beschwerdeführer lässt jene behördlichen Ausführungen, aus denen sich ergibt, dass er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, unbekämpft. Die behördliche Beurteilung, im gegenständlichen Fall sei der die Ausweisung ermöglichende Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt, begegnet am Boden der Feststellungen im angefochtenen Bescheid keinen Bedenken.
Die Beschwerde richtet sich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beurteilung nach § 66 FPG.
Soweit der Beschwerdeführer dazu behauptet, die Ehe mit der österreichischen Staatsbürgerin sei nach wie vor aufrecht und die Ehegatten lebten im ehelichen Haushalt, entfernt er sich von den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen. In diesem Zusammenhang zeigt er aber nicht auf, dass der belangten Behörde ein Verfahrensfehler unterlaufen wäre. Insbesondere ist das bloß unsubstantiierte Vorbringen zu diesem Thema nicht geeignet darzutun, dass die von der belangten Behörde zum Vorliegen einer Aufenthaltsehe getätigten beweiswürgenden Überlegungen als unschlüssig anzusehen wären.
Ausgehend von den behördlichen Feststellungen kann die Ansicht der belangten Behörde, die zu Gunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigenden Umstände seien im vorliegenden Fall nicht dergestalt, dass aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK von der Erlassung der Ausweisung hätte Abstand genommen werden müssen, nicht als rechtswidrig angesehen werden. Der Beschwerdeführer ist unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist und hat einen letztlich unberechtigten Asylantrag gestellt. Um dennoch den Verbleib in Österreich erreichen zu können, hat er eine Aufenthaltsehe geschlossen. Über eine Berechtigung zum Aufenthalt hat er seit Abschluss des Asylverfahrens nicht verfügt. Sein Gesamtverhalten stellt somit eine relevante Störung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar. Es trifft aber auch die behördliche Ansicht zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0139, mwN).
Bei der Bewertung des Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich durfte die belangte Behörde im Sinn des § 66 Abs. 2 Z 8 FPG auch berücksichtigen, dass er auf der Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, und später auch infolge des Eingehens einer Aufenthaltsehe nicht damit rechnen durfte, er werde dauernd in Österreich bleiben können. In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde auch zu Recht darauf hingewiesen, dass das Asylbegehren des Beschwerdeführers in erster Instanz etwa vier Monate nach Antragstellung abgewiesen wurde. Auch sein erster Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wurde - wegen Vorliegens einer Aufenthaltsehe - bereits im Jahr 2005 rechtskräftig abgewiesen.
Dem Beschwerdeführer ist zuzugestehen, dass er bereits über lange Zeit in Österreich aufhältig ist. Aber selbst unter Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer von neun Jahren und achteinhalb Monaten ist fallbezogen davon auszugehen, dass letztlich von einer Integration des Beschwerdeführers im entscheidungsmaßgeblichen Ausmaß nicht gesprochen werden kann. Die zu Gunsten des Beschwerdeführers zu berücksichtigenden Umstände können hier nicht als von solchem Gewicht angesehen werden, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers unverhältnismäßig erschiene. Darüber hinaus hat die belangte Behörde zu Recht darauf abgestellt, dass der Versuch des Beschwerdeführers den weiteren Aufenthalt in Österreich durch Eingehen einer Aufenthaltsehe zu erreichen - auch in der vorliegenden Beschwerde beruft er sich zur Erlangung fremdenrechtlicher Vorteile immer noch auf diese Ehe - zu einer Vergrößerung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung beiträgt.
Es ist daher zusammengefasst nicht zu erkennen, dass der belangten Behörde im Rahmen ihrer Beurteilung nach § 66 FPG ein Fehler unterlaufen wäre.
Soweit der belangten Behörde in der Beschwerde aber auch noch Begründungs- und Ermittlungsmängel vorgeworfen werden, ist nicht ersichtlich, welche Feststellungen der Beschwerdeführer vermisst und weshalb diese geeignet gewesen wären, zu einem anderen Bescheid kommen zu können.
Da sohin die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
FAAAE-76464