VwGH vom 19.12.2018, Ra 2018/02/0107
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie die Hofräte Mag. Dr. Köller und Dr. N. Bachler, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, LL.M., über die Revision der W in W, vertreten durch die Rohregger Scheibner Bachmann Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Rotenturmstraße 17/15, gegen die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts Wien 1.) vom , Zl. VGW- 042/063/11738/2016-5 (prot. zu hg. Zl. Ra 2018/02/0108) und 2.) vom , Zl. VGW-042/063/11740/2016-4 (prot. zu hg. Zl. Ra 2018/02/0107), jeweils betreffend Übertretungen arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Erkenntnisse werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Revisionswerberin Folgendes zur Last gelegt (Zitierung im Original, Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Sie haben als Vorstandsmitglied und gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Arbeitgeberin (...) zu verantworten, dass am hinsichtlich
des R. (...) (zwei Türen) im Bahnhof W.
des R. (...) (vier Türen) im Bahnhof W.
des R. (...) (vier Türen) im Bahnhof W.
des R. (...) (vier Türen) im Bahnhof W.
des R. (...) (vier Türen) im Bahnhof W.
des R. (...) (vier Türen) im Bahnhof W.
des R. (...) (vier Türen) im Bahnhof W.
entgegen § 7 Abs. 1 Z 11, § 8 Abs. 1 Z 9 und § 11 Abs. 1 Z 1 und Z 2 iVm Abs. 3 der Arbeitsmittelverordnung - AM-VO, wonach kraftbetriebene Türen und Tore, einschließlich solcher von Fahrzeugen, vor der ersten Inbetriebnahme einer Abnahmeprüfung zu unterziehen sind und mindestens einmal im Kalenderjahr, jedoch längstens im Abstand von 15 Monaten, einer wiederkehrenden Überprüfung zu unterziehen sind sowie die darüber auszustellenden Prüfbefunde von den ArbeitgeberInnen bis zum Ausscheiden des Arbeitsmittels aufzubewahren sind und am Einsatzort des Arbeitsmittels die Prüfbefunde oder Kopien über die letzte Abnahmeprüfung, über die wiederkehrenden Prüfungen und über die Prüfung nach Aufstellung vorhanden sein müssen,
keine Prüfbefunde oder Kopien über die letzte Abnahmeprüfung, nämlich jene vor der ersten Inbetriebnahme, sowie keine Prüfbefunde oder Kopien über die mindestens einmal im Kalenderjahr, längstens im Abstand von 15 Monaten durchzuführenden wiederkehrenden Prüfungen der jeweils zwei kraftbetriebenen Türen des R. (...) und der jeweils vier kraftbetriebenen Türen des R. (...), des R. (....), des R. (...), des R. (...), des R. (...) und des R. (...) am jeweiligen Einsatzort der Arbeitsmittel vorhanden waren, wodurch die Arbeitgeberin die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt hat."
Wegen Übertretungen von § 103 Abs. 1 Z 16 ASchG i.V.m. § 7 Abs. 1 Z 11 und § 11 Abs. 1 Z 1 sowie § 8 Abs. 1 Z 9 und § 11 Abs. 1 Z 2 i. V.m. § 11 Abs. 3 Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) wurden über die Revisionswerberin gemäß § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG 52 Geldstrafen von je EUR 560,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je ein Tag und neun Stunden), insgesamt somit EUR 29.120,-- verhängt.
2 Mit einem weiteren Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Revisionswerberin Folgendes zur Last gelegt (Zitierung im Original, Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Sie haben als Vorstandsmitglied und gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Arbeitgeberin (...) zu verantworten, dass am hinsichtlich
des R. (...) (vier Türen) im Bahnhof W.
des R. (...) (vier Türen) im Bahnhof W.
entgegen § 7 Abs. 1 Z 11, § 8 Abs. 1 Z 9 und § 11 Abs. 1 Z 1 und Z 2 iVm Abs. 3 der Arbeitsmittelverordnung - AM-VO, wonach kraftbetriebene Türen und Tore, einschließlich solcher von Fahrzeugen, vor der ersten Inbetriebnahme einer Abnahmeprüfung zu unterziehen sind und mindestens einmal im Kalenderjahr, jedoch längstens im Abstand von 15 Monaten, einer wiederkehrenden Überprüfung zu unterziehen sind sowie die darüber auszustellenden Prüfbefunde von den ArbeitgeberInnen bis zum Ausscheiden des Arbeitsmittels aufzubewahren sind und am Einsatzort des Arbeitsmittels die Prüfbefunde oder Kopien über die letzte Abnahmeprüfung, über die wiederkehrenden Prüfungen und über die Prüfung nach Aufstellung vorhanden sein müssen,
keine Prüfbefunde oder Kopien über die letzte Abnahmeprüfung, nämlich jene vor der ersten Inbetriebnahme, sowie keine Prüfbefunde oder Kopien über die mindestens einmal im Kalenderjahr, längstens im Abstand von 15 Monaten durchzuführenden wiederkehrenden Prüfungen der jeweils vier kraftbetriebenen Türen des R. (...) und des R. (...) am jeweiligen Einsatzort der Arbeitsmittel vorhanden waren, wodurch die Arbeitgeberin die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt hat."
3 Wegen Übertretungen von § 103 Abs. 1 Z 16 ASchG i.V.m. § 7 Abs. 1 Z 11 und § 11 Abs. 1 Z 1 sowie § 8 Abs. 1 Z 9 und § 11 Abs. 1 Z 2 i.V.m. § 11 Abs. 3 AM-VO wurden über die Revisionswerberin gemäß § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG 16 Geldstrafen von je EUR 560,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je ein Tag und neun Stunden), somit insgesamt EUR 8.960,-- verhängt.
4 Mit im Wesentlichen gleichlautenden Erkenntnissen vom bzw. vom wurden die dagegen von der Revisionswerberin erhobenen Beschwerden vom Verwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen und die angefochtenen Straferkenntnisse bestätigt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht jeweils für unzulässig. Zur Anzahl der Verwaltungsübertretungen führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerberin gegenständlich die Verletzung der Aufbewahrungspflicht von Prüfbefunden bezüglich der Abnahmeprüfungen und der wiederkehrenden Prüfungen von jeweils mehreren kraftbetriebenen Türen von R.-Garnituren zur Last gelegt worden sei. Es sei davon auszugehen, dass jede der verfahrensgegenständlichen kraftbetriebenen Türen für sich alleine genommen den Regelungen der AM-VO u.a. hinsichtlich der Abnahmeprüfung bzw. der wiederkehrenden Prüfung unterworfen sei. In diesem Zusammenhang verwies das Verwaltungsgericht ohne weitere Begründung auf Ausführungen des - nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes einen gleichgelagerten Sachverhalt betreffenden - hg. Erkenntnisses vom , Ra 2015/02/0006, in dem auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2009/02/0152 bis 0154, verwiesen wurde.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge die Revision für zulässig erklären, eine mündliche Verhandlung durchführen, in der Sache selbst entscheiden bzw. in eventu die angefochtenen Erkenntnisse wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufheben. Weiters beantragte die Revisionswerberin den Zuspruch von Kostenersatz. Der Magistrat der Stadt Wien erstattete eine Revisionsbeantwortung und stellte den Antrag, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen bzw. allenfalls als unbegründet abzuweisen.
6 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
7 Der hier maßgebliche § 22 VStG lautet wie folgt:
"Zusammentreffen von strafbaren Handlungen
§ 22. (1) Soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, ist eine Tat als Verwaltungsübertretung nur dann strafbar, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
(2) Hat jemand durch mehrere selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen. Dasselbe gilt bei einem Zusammentreffen von Verwaltungsübertretungen mit anderen von einer Verwaltungsbehörde zu ahndenden strafbaren Handlungen."
8 Die gegenständlich relevanten Bestimmungen der Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) lauten auszugsweise wie folgt:
"Abnahmeprüfung
§ 7. (1) Folgende Arbeitsmittel sind vor der ersten Inbetriebnahme einer Abnahmeprüfung zu unterziehen:
(...)
11. kraftbetriebene Türen und Tore, einschließlich solcher
von Fahrzeugen,
(...)"
"Wiederkehrende Prüfung
§ 8. (1) Folgende Arbeitsmittel sind mindestens einmal im Kalenderjahr, jedoch längstens im Abstand von 15 Monaten, einer wiederkehrenden Prüfung zu unterziehen:
...
9. kraftbetriebene Türen und Tore, einschließlich solcher
von Fahrzeugen,
(...)"
"Prüfbefund, Prüfplan
§ 11. (1) Die Ergebnisse folgender Prüfungen sind in
einem Prüfbefund festzuhalten:
1. Abnahmeprüfungen,
2. wiederkehrende Prüfungen,
(...)
(3) Die Prüfbefunde sind von den ArbeitgeberInnen bis zum Ausscheiden des Arbeitsmittels aufzubewahren. Am Einsatzort des Arbeitsmittels müssen Prüfbefunde oder Kopien über die letzte Abnahmeprüfung, über die wiederkehrenden Prüfungen und über die Prüfungen nach Aufstellung vorhanden sein.
(...)"
Gemäß § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von EUR 166,-- bis EUR 8.324,---, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von EUR 333,-- bis EUR 16.659,-- zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Beschaffenheit, die Aufstellung, die Benutzung, die Prüfung oder die Wartung von Arbeitsmitteln verletzt.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits ausgesprochen, dass hinsichtlich der Arbeitsmittel "kraftbetriebene Türen und Tore, einschließlich solcher von Fahrzeugen" das jeweilige Fahrzeug den "Einsatzort" gemäß § 11 Abs. 3 zweiter Satz AM-VO darstellt, an welchem die bezughabenden Prüfbefunde bzw. deren Kopien vorhanden sein müssen (vgl. ).
10 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der gegenständlichen Revision unter anderem vor, das Verwaltungsgericht sei von näher zitierter hg. Rechtsprechung zum fortgesetzten Delikt und Dauerdelikt abgewichen. Nach ständiger Rechtsprechung sei nur eine einzige Strafe zu verhängen, wenn eine Reihe von rechtswidrigen Einzelhandlungen aufgrund der Gleichartigkeit der Begehungsform und der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs sowie eines diesbezüglichen Gesamtkonzepts des Täters zu einer Einheit zusammentreten.
Unter Hinweis auf , führt die Revisionswerberin aus, dass bei Gleichartigkeit der Begehungsform und Vorliegen eines einheitlichen Willensentschlusses nach den äußeren Begleitumständen ähnliche und zeitlich eng zusammenhängende Einzeltaten als eine Tat zu beurteilen seien und nur eine Strafe zu verhängen sei. Die Identität des Angriffsobjekts werde nicht gefordert, es sei denn, es handle sich um höchstpersönliche Rechtsgüter wie Leben, Ehre oder Gesundheit. Um exakt dieselbe Konstruktion handle es sich im vorliegenden Fall. Nach einer durchgeführten Abnahmeprüfung der kraftbetriebenen Türen sowie einer Prüfung aus besonderem Anlass hinsichtlich dreier R.-Garnituren sei es zeitgleich unterlassen worden, die Prüfbefunde unmittelbar neben den geprüften Türen aufzubewahren. Stattdessen seien die Prüfbefunde einheitlich am Heimatbahnhof des Zuges aufbewahrt worden. Die Begehungsform sei nicht nur gleichartig, sondern sogar exakt ident. Ebenso habe es sich mit den Begleitumständen verhalten und auch zeitlich sei die Pflichtverletzung exakt zusammengefallen. Es handle sich sohin durch die Unterlassung, die Prüfbefunde jeweils bei der überprüften Zugtür aufzubewahren, lediglich um eine quantitative Steigerung bei einheitlicher Motivationslage und einheitlicher Schuld. Bei der übertretenen Norm handle es sich um keine, die den Schutz höchstpersönlicher Rechtsgüter zum Gegenstand habe. Denn gegenständlich handle es sich lediglich um das Aufbewahren der Prüfungsbefunde am falschen Ort. Die gesetzlich erforderten Überprüfungen der kraftbetriebenen Türen - die den Schutz des Rechtsguts Leben bezwecken - seien ordnungsgemäß durchgeführt worden. Durch eine falsche Aufbewahrung der Prüfbefunde werde Leben oder Gesundheit denkmöglich nicht geschädigt. Weshalb die Aufbewahrung von Prüfbefunden am falschen Ort für die Arbeitnehmer potentiell schädlich sein könne, sei in keiner Weise ersichtlich. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die Prüfbefunde am Heimatbahnhof des Zuges aufbewahrt und sohin für das Prüfungsorgan jederzeit greifbar gewesen seien.
Vor dem Hintergrund der jüngsten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liege sohin eine einzige Tat vor. Die angefochtenen Erkenntnisse stünden daher mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in Widerspruch und es liege daher eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor.
11 Die Revision ist hinsichtlich der von der Revisionswerberin angesprochenen Frage zur Verhängung von Einzelstrafen zulässig. Sie ist auch berechtigt.
12 Vorauszuschicken ist, dass die Begehung der vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen wie auch die vom Verwaltungsgericht angenommene Verschuldensform der Fahrlässigkeit von der Revisionswerberin nicht bestritten wird und sich die Revision ausschließlich gegen die verhängten Einzelstrafen (bzw. die Strafhöhe) richtet.
13 Das Verwaltungsgericht begründete die Verhängung mehrerer Einzelstrafen pro Tür mit folgendem Zitat aus der hg. Rechtsprechung (vgl. bis 0154):
"Aus der Aufzählung der Betriebsmittel in § 2 Abs. 1 AM-VO ist jedoch zu ersehen, dass die ¿kraftbetriebenen Türen' als eigene Arbeitsmittel z.B. nach den ¿'Beförderungsmitteln zur Beförderung von Personen oder Gütern' genannt werden. Da aber die ¿Beförderungsmittel zur Beförderung von Personen', insbesondere Straßenbahnfahrzeuge, in der Regel mit kraftbetriebenen Türen ausgestattet und diese Türen fix eingebauter Bestandteil von solchen Fahrzeugen sind, ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber den Begriff ¿Beförderungsmittel zur Beförderung von Personen' zunächst umfassend - also unter Einschluss der dort allenfalls eingebauten ¿kraftbetriebenen Türen' - verstanden hat. Dies zeigt sich auch daran, dass erst mit der Novelle zur AM-VO, BGBl. II Nr. 21/2010, die jedoch im Beschwerdefall noch nicht anzuwenden ist, in § 7 Abs. 1 Z. 11 und in § 8 Abs. 1 Z. 9 AM-VO jeweils die Wendung ¿einschließlich solcher von Fahrzeugen' ergänzt und dadurch klargestellt wird, dass nunmehr auch jene kraftbetriebenen Türen, die in Fahrzeugen eingebaut sind, u.a. von den Regelungen der AM-VO betreffend die Abnahmeprüfung, wiederkehrende Prüfung und Prüfung nach außergewöhnlichen Ereignissen umfasst werden."
Dem ist zunächst zu entgegnen, dass sich der Verwaltungsgerichtshof weder in jenem Erkenntnis noch in dem in diesem Zusammenhang ebenfalls zitierten Erkenntnis , mit der Frage zu befassen hatte, ob pro kraftbetriebener Tür Einzelstrafen oder aber eine Gesamtstrafe zu verhängen sind. Auch wurden in diesen Verfahren keine Aussagen zum Zusammentreffen von strafbaren Handlungen getroffen. Wie die Revisionswerberin in ihrer Revision zutreffend ausführt, lässt sich daraus für die vom Verwaltungsgericht gegenständlich zu behandelnde Frage der Verhängung von Einzelstrafen bzw. einer Gesamtstrafe nichts gewinnen. Eine darüber hinausgehende Begründung, weshalb das Verwaltungsgericht zu dem rechtlichen Schluss kam, dass Einzelstrafen zu verhängen wären, lässt sich den angefochtenenen Erkenntnissen mangels näherer nachvollziehbarer Begründung nicht entnehmen, obwohl diese Problematik von der Revisionswerberin bereits im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht thematisiert wurde, weshalb sich das angefochtene Erkenntnis bereits aus diesem Grund als rechtswidrig erweist.
14 Zur Frage der Verhängung von Einzelstrafen oder einer Gesamtstrafe ist weiters Folgendes auszuführen:
15 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, gilt für das Verwaltungsstrafverfahren beim Zusammentreffen mehrerer Verwaltungsübertretungen, anders als im gerichtlichen Strafverfahren, nach § 22 Abs. 2 erster Satz VStG das Kumulationsprinzip. Danach ist grundsätzlich jede gesetzwidrige Einzelhandlung, durch die der Tatbestand verwirklicht wird, als Verwaltungsübertretung zu bestrafen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs beim fortgesetzten Delikt bzw. beim Dauerdelikt. Ein fortgesetztes Delikt liegt dann vor, wenn eine Reihe von Einzelhandlungen von einem einheitlichen Willensentschluss umfasst war und wegen der Gleichartigkeit ihrer Begehungsform sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs zu einer Einheit zusammentraten (vgl. u.a. , m.w.H.).
16 In der Regel kommt das fortgesetzte Delikt nur im Bereich der Vorsatzdelinquenz in Betracht. Allerdings kann auch im Bereich der Fahrlässigkeitsdelinquenz die wiederholte Verwirklichung des gleichen Tatbestands im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhanges als tatbestandliche Handlungseinheit beurteilt werden (vgl. auch dazu , m.w.H.). Das Vorliegen einer tatbestandlichen Handlungseinheit hat zur Folge, dass der Täter nur eine Tat verwirklicht hat und für diese auch nur einmal zu bestrafen ist. Wie groß der Zeitraum zwischen den einzelnen Tathandlungen sein darf, um noch von einer tatbestandlichen Handlungseinheit sprechen zu können, ist von Delikt zu Delikt verschieden und hängt weiters im besonderen Maß von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. ).
17 Zur Beantwortung der Frage, ob eine tatbestandliche Handlungseinheit vorliegt, ist im Wege der deliktspezifischen Tatbestandsauslegung zu prüfen, ob gleichartige Handlungen zu einer einzigen Tat zusammengefasst werden können (vgl. Kienapfel/Höpfel/Kert, Grundriss des Strafrechts, Allgemeiner Teil (kurz: AT)15 (2016) E 8 Rz 58).
18 Im vorliegenden Fall geht es um die Verpflichtung gemäß § 7 Abs. 1 Z 11, § 8 Abs. 1 Z 9 und § 11 Abs. 1 Z 1 und Z 2 iVm § 3 AM-VO, die genannten Prüfbefunde am jeweiligen Einsatzort der Arbeitsmittel mitzuführen, um eine rasche Kontrolle der ordnungsgemäß erfolgten Überprüfung der kraftbetriebenen Türen von Fahrzeugen zu ermöglichen.
19 Das der Revisionswerberin daraus jeweils vorgeworfene Unterbleiben der Mitführung von Prüfbefunden ist als tatbestandliche Handlungseinheit im engeren Sinn (vgl. wiederum Kienapfel/Höpfel/Kert, AT15 (2016) E 8 Rz 60) zu qualifizieren.
20 Die Revisionswerberin ging - rechtsirrig - davon aus, "Einsatzort" gemäß § 11 Abs. 3 zweiter Satz AM-VO für die Aufbewahrung der Prüfbefunde sei (auch) der Heimatbahnhof, weshalb die erforderlichen Prüfbefunde nicht in den Zügen selbst mitgeführt wurden, obwohl das jeweilige Fahrzeug den "Einsatzort" gemäß § 11 Abs. 3 zweiter Satz AM-VO darstellt, an welchem die bezughabenden Prüfbefunde bzw. deren Kopien vorhanden sein müssen (vgl. ).
Demgemäß fehlen aber Feststellungen dazu, welche und wieviele Fahrzeuge konkret vom Tatvorwurf - dem Unterbleiben des Mitführens der Prüfbefunde am "Einsatzort" - betroffen waren. In den angefochtenen Erkenntnissen ist nämlich ohne nähere Ausführungen bzw. Differenzierung lediglich jeweils von numerisch näher bezeichneten "R" oder "R-Garnituren" die Rede. Ausgehend vom Zweck der oben genannten Strafnorm kann sich die hier vorliegende Tathandlung bzw. Unterlassung nur auf die Gesamtheit aller Arbeitsmittel beziehen, die sich zum Zeitpunkt der Überprüfung am jeweiligen Ort der Kontrolle befinden.
Fallbezogen waren somit keine Einzelstrafen pro beanstandeter Tür, sondern war nur eine (nach § 19 VStG entsprechend zu bemessende) Gesamtstrafe pro unterlassener Mitführung der Prüfbefunde am Einsatzort (dem Fahrzeug bzw. dem "Zug" in seiner jeweiligen Zusammensetzung) zu verhängen gewesen (vgl. Zweck der Norm, siehe Rz 18).
21 Da das Verwaltungsgericht einzelne Strafen pro Tür verhängt hat, hat es die angefochtenen Erkenntnisse mit Rechtswidrigkeit belastet. Diese waren gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen vorrangig zu behandelnder Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
22 Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden, da bereits eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht stattgefunden hat (vgl. , 0053).
23 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018020107.L00 |
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