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VwGH vom 12.12.2012, 2012/18/0170

VwGH vom 12.12.2012, 2012/18/0170

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde der LM, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19/1/1/29A, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 938/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegen die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom ein auf § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z 7 Fremdengesetz 1992 (FrG 1992) gestütztes, auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Da einer (allfälligen) Berufung die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen und der Aufenthaltsverbotsbescheid der Beschwerdeführerin am zugestellt wurde, war das Aufenthaltsverbot ab dieser Zeit durchsetzbar (§ 22 Abs. 2 FrG 1992); seine Gültigkeit endete mit Ablauf des (§ 21 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1992 iVm § 114 Abs. 3 erster Satz Fremdengesetz 1997). Eine Berufung erhob die Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid nicht. Am wurde die Beschwerdeführerin in Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes in ihr Heimatland abgeschoben.

Mit dem nunmehr im Instanzenzug von der belangten Behörde erlassenen, angefochtenen Bescheid wurde gegen die Beschwerdeführerin wieder ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot, welches auf § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z 7 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gestützt wurde, erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, der neuerliche Aufenthalt der Beschwerdeführerin sei dem Fremdenpolizeilichen Büro der Behörde erster Instanz durch eine Mitteilung des Polizeikommissariates Döbling vom bekannt geworden. Gegen die Beschwerdeführerin sei Anzeige wegen Verdachts des Einbruchdiebstahls erstattet worden. Eine "Meldeanfrage" habe ergeben, dass die Beschwerdeführerin seit mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet sei.

Die erstinstanzliche Behörde habe daher die Beschwerdeführerin aufgefordert, am zwecks Überprüfung der Grundlage ihres Aufenthaltsrechts zu ihr zu kommen und ihren Reisepass sowie den Nachweis ihrer Unterhaltsmittel betreffende Unterlagen mitzubringen. Mit Schriftsatz vom habe die Beschwerdeführerin bekannt gegeben, rechtsfreundlich vertreten zu werden.

Da sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, habe die Behörde erster Instanz ihr mit Schreiben vom zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt sei, gegen sie eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot wegen Mittellosigkeit zu erlassen. Es sei ihr gleichzeitig Gelegenheit eingeräumt worden, ihre persönlichen Verhältnisse darzulegen. Davon habe sie aber keinen Gebrauch gemacht.

Am sei die Beschwerdeführerin vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Einbruchdiebstahles zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Sie sei schuldig erkannt worden, am Münzgeld in nicht mehr feststellbarer Höhe Verfügungsberechtigten der Telekom Austria AG mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, durch Einbruch weggenommen zu haben. Sie habe am einen näher bezeichneten Münzfernsprecher in 1190 Wien aufgebrochen und das darin befindliche Kleingeld an sich genommen. Der an das Oberlandesgericht Wien erhobenen Berufung sei mit Urteil vom keine Folge gegeben worden, sodass die Verurteilung in Rechtskraft erwachsen sei.

Weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren habe die Beschwerdeführerin einen Nachweis dafür erbracht, dass sie im Besitz von ausreichenden "Barmitteln" sei. Im Berufungsverfahren habe sie unsubstantiiert behauptet, ihr Unterhalt werde "dem Vernehmen nach" durch Unterstützungen von Freunden und Verwandten geleistet. Sie wäre auch bemüht, dafür einen Nachweis der Behörde vorzulegen. Tatsächlich habe die Beschwerdeführerin aber einen solchen Nachweis, aus dem hervorgegangen wäre, dass sie über ausreichende Mittel für ihren Unterhalt verfügt hätte, nicht erbracht.

Dazu komme, dass die Beschwerdeführerin einer Mitteilung des Wiener Krankenanstaltenverbundes zufolge für die in der Zeit vom 8. Februar bis erfolgte Pflege im Otto Wagner Spital Pflegegebühren im Ausmaß von EUR 471,52 schulde. Diese seien noch nicht bezahlt worden.

Es sei somit davon auszugehen, dass der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 7 FPG erfüllt sei. Im Hinblick auf die aus der Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin resultierende Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung sowie der finanziellen Belastung der Republik Österreich und auch in Anbetracht dessen, dass sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, bestehe kein Zweifel, dass ihr Aufenthalt die öffentliche Ordnung im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG gefährde. Dies werde auch noch dadurch unterstrichen, dass erst, nachdem das hier gegenständliche Aufenthaltsverbot in erster Instanz erlassen worden sei, bekannt geworden sei, dass gegen die Beschwerdeführerin schon früher, nämlich mit Bescheid der erstinstanzlichen Behörde vom , unter ihrem damaligen Namen N ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot wegen Mittellosigkeit verhängt worden sei.

§ 66 FPG stehe der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Der Beschwerdeführerin sei im bisherigen Verfahren ausreichend Gelegenheit eingeräumt worden, ihre persönlichen Verhältnisse darzulegen. Davon habe sie aber keinen Gebrauch gemacht. Aufgrund der bisherigen Erhebungsergebnisse sei davon ausgehen, dass der genaue Zeitpunkt der Einreise der Beschwerdeführerin in das Bundesgebiet unbekannt sei. Jedoch sei sie seit mit Hauptwohnsitz an der Adresse ihrer Mutter gemeldet. Aus dem - oben genannten - Strafurteil ergebe sich, dass die Beschwerdeführerin ledig sei, keine Unterhaltspflichten habe und seit 2004 keiner Beschäftigung nachgehe. Im Bundesgebiet lebten ihre Mutter und ihre Schwester mit deren Familie.

Selbst wenn man davon ausginge, es bestünden familiäre Bindungen zu Mutter und Schwester und sohin einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin bejahte, wäre die Zulässigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegeben. Der Eingriff in das Privat- und Familienleben sei jedenfalls zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier konkret zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Die Beschwerdeführerin habe durch ihr Verhalten dokumentiert, dass sie keine Bedenken habe, sich über die für sie maßgebenden fremdenrechtlichen Vorschriften hinwegzusetzen. Ihre Mittellosigkeit berge die Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung und finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft. Sie halte sich seit September 2004 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Auch sei sie im Jahr 2006 wegen Einbruchdiebstahls rechtskräftig verurteilt worden. Von einer nennenswerten Integration der Beschwerdeführerin könne nicht gesprochen werden. Den insgesamt nicht besonders ausgeprägten persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin stünden die genannten, hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen gegenüber. Bei Abwägung der gegenläufigen Interessenlagen sei zum Ergebnis zu kommen, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und somit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes.

Im Weiteren legte die belangte Behörde ihrer Überlegungen zur Ermessensübung und zur Festlegung der Dauer des Aufenthaltsverbotes dar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist festzuhalten, dass im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () im vorliegenden Fall das FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009 zur Anwendung kommt.

Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, die belangte Behörde habe den gegenständlichen Sachverhalt nicht ausreichend erhoben. Sie halte sich entgegen den Feststellungen bereits seit nahezu ununterbrochen im Bundesgebiet auf.

Dieses Vorbringen erweist sich als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG). Die Beschwerdeführerin hat Derartiges im Verwaltungsverfahren nie behauptet. Es liegt aber auch ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren nicht vor. Die Behörde erster Instanz hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom , womit ihr Parteiengehör eingeräumt wurde, (u.a.) ausdrücklich aufgefordert bekanntzugeben, wann und wie sie in das Bundesgebiet eingereist sei und wie lange sie sich schon hier aufhalte. Dazu hat sich die Beschwerdeführerin aber nicht geäußert. Auch in der Berufung hat sie dazu keine näheren Angaben gemacht. Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf, im gegenständlichen Verwaltungsverfahren seien zur Dauer des Aufenthalts der Beschwerdeführerin nicht dem Gesetz entsprechende Ermittlungen angestellt worden, ist somit unberechtigt. Ergänzend ist zum einen noch festzuhalten, dass sich aus den Verwaltungsakten unzweifelhaft ergibt, dass die Beschwerdeführerin kurz nach Erlassung des ersten Aufenthaltsverbotes in ihr Heimatland abgeschoben wurde. Zum anderen erweist sich die behördliche Beweiswürdigung vor dem Hintergrund der der belangten Behörde zur Verfügung stehenden Informationen, die sie - wie ausgeführt - in einem mängelfreien Verfahren erlangt hat, nicht als unschlüssig.

Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, dass wegen des langjährigen Aufenthalts, des Vorliegens bloß einer Verurteilung und der aushaftenden Pflegegebühren der Tatbestand der Mittellosigkeit nach § 60 Abs. 2 Z 7 FPG nicht hätte als erfüllt angesehen werden dürfen, ist diese Argumentation für den Verwaltungsgerichtshof in keiner Weise nachvollziehbar.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0156, mwN).

Dieser Pflicht ist die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren aber überhaupt nicht nachgekommen. Die von ihr begangene strafbare Handlung, um an - wie hier: noch so geringe - Barmittel zu gelangen sowie das Aushaften von Pflegegebühren verdeutlichen geradezu, dass sich in ihrem Fall die aus der Mittellosigkeit resultierende Gefahr der Beschaffung von Unterhaltsmittel auf illegalem Weg und die finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft auch bereits verwirklicht hat.

Wenn die Beschwerdeführerin rügt, es sei ihr zum Umstand, dass Pflegegebühren aushafteten, kein Parteiengehör eingeräumt worden, vermag sie die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers nicht darzulegen. Aus der bloß unsubstantiierten Absichtserklärung, diese - unter Umständen im Rahmen einer Ratenzahlung - begleichen zu wollen, ergibt sich nämlich nicht, dass die Beschwerdeführerin auch dazu in der Lage gewesen wäre. Noch weniger kann daraus auf das Vorhandensein von Unterhaltsmittel im notwendigen Maß geschlossen werden.

Das weitere Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführerin werde von ihrer Mutter und ihrer Schwester "nach wie vor unterstützt", ist - ebenso wie jenes zur Dauer ihres Aufenthalts - als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung einzustufen. Dass insoweit der Behörde ein Verfahrensfehler unterlaufen sei, wird in der Beschwerde gar nicht behauptet, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass es sich der Kenntnis der Beschwerdeführerin entziehe, weshalb der Behörde diesbezügliche Belege nicht vorgelegt worden seien.

Zusammengefasst begegnet die Beurteilung der belangten Behörde, es sei nicht nur der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 7 FPG erfüllt, sondern aus dem während des Aufenthalts der Beschwerdeführerin von ihr gezeigten Verhalten resultiere auch eine im Sinn des § 60 Abs. 1 FPG maßgebliche, die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigende Gefährdung, keinen Bedenken.

Die Beschwerdeführerin bekämpft die angefochtene Entscheidung auch aus dem Blickwinkel des § 66 FPG. Dazu ist auszuführen, dass sich die diesbezügliche behördliche Beurteilung - ausgehend von den in unbedenklicher Weise zustande gekommenen Feststellungen - als dem Gesetz entsprechend darstellt. Die belangte Behörde hat zutreffend den öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin Vorrang eingeräumt. Auf die Bindung zu ihrer Mutter und ihrer Schwester sowie die Dauer ihres Aufenthalts im Bundesgebiet hat die belangte Behörde ausreichend Bedacht genommen. Es ist auch nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn die belangte Behörde anhand der Feststellungen die Integration der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet als bloß gering eingestuft hat. Zu Recht hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, dass den die Einreise und den Aufenthalt regelnden Vorschriften, denen die Beschwerdeführerin mit ihrem Verhalten grob zuwidergehandelt hat, ein hoher Stellwert beizumessen ist. Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Umstände sind demgegenüber nicht von solchem Gewicht, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK hätte als unzulässig angesehen werden müssen.

Da sohin die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
CAAAE-76452