VwGH vom 26.09.2011, 2010/10/0146
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des Landeshauptmannes von Niederösterreich gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, betreffend Bestrafung nach dem LMSVG (mitbeteiligte Partei: WS in O, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 4), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom wurde dem Mitbeteiligten zur Last gelegt, er habe als zur Vertretung nach außen berufenes Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der S. GmbH und somit als Erzeuger zu verantworten, dass das Produkt "Sonnenöl mit Johanneskraut und Nussextrakt" in der Lagerhalle der S. GmbH in Verkehr gebracht worden sei, wobei eine Probenentnahme Folgendes ergeben habe:
1) Das gegenständliche Produkt sei als "Naturkräuterkosmetik" ausgelobt worden, obwohl der UV-Filter Octyl Methoxycinamate, bei dem es sich um keinen Naturstoff im Sinn des vom Bundesministerium für Gesundheit herausgegebenen Österreichischen Lebensmittelbuches (im Folgenden: Lebensmittelbuch) handle, in einer Konzentration von 2,7 % eingesetzt worden sei. Die Probe sei daher nach den allgemeinen Anforderungen des § 5 Abs. 2 Z. 1 Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetz - LMSVG, BGBl. I Nr. 13/2006, mit einer zur Irreführung geeigneten Angabe in Verkehr gesetzt worden und unterliege somit dem Verbot des § 18 Abs. 2 leg. cit. 2) Die vorliegende Probe habe den Anforderungen des Kapitels B 33 "Kosmetische Mittel", Teilkapitel "Sonnenschutzmittel" des Lebensmittelbuches nicht entsprochen, weil sie a) nicht den geforderten Mindestschutzfaktor 6 aufweise,
b) die kritische Wellenlänge von mindestens 370 nm nicht erreiche und c) bestimmte erforderliche Warnungen nicht aufweise. Auf Grund dieser Mängel sei die bestimmungsgemäße Verwendbarkeit als Sonnenschutzmittel nicht gewährleistet, weshalb die Probe dem Verbot des Inverkehrbringens gemäß § 18 Abs. 1 Z. 2 LMSVG unterliege.
3) Die vorgelegte Sicherheitsbewertung habe nicht dem Stand der Technik bzw. Wissenschaft entsprochen, weil sie insgesamt sieben im Einzelnen angeführte Mängel aufgewiesen habe. Die Probe unterliege daher dem Verbot des Inverkehrbringens gemäß § 18 Abs. 1 Z. 3 LMSVG iVm der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Konsumentenschutz über Kontrollmaßnahmen betreffend kosmetische Mittel, BGBl. Nr. 168/1996 (im Folgenden: Kontrollmaßnahmenverordnung).
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Mitbeteiligten zu 1) und 2) gemäß § 90 Abs. 1 Z. 4 LMSVG und zu
3) gemäß § 90 Abs. 3 Z. 2 leg. cit. Geldstrafen zu 1) von EUR 365,-
-, 2) a) bis c) von je EUR 120,-- und 3) von EUR 200,--, für den Fall der Uneinbringlichkeit jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom hat der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich der Berufung des Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid Folge gegeben und das bekämpfte Straferkenntnis (zur Gänze) aufgehoben.
Zur Begründung führte die belangte Behörde dazu im Wesentlichen aus, dass das gegenständliche Produkt ohnehin nur als Sonnenöl mit Faktor 3 ausgelobt worden sei und für den maßgeblichen Durchschnittsverbraucher daher nicht der Eindruck eines Sonnenschutzmittels im Sinn des Lebensmittelbuches erweckt worden sei. Nach der Aussage des Mitbeteiligten als Hersteller sei der Zweck des gegenständlichen Produkts die Erzielung einer gleichmäßigen Bräunung und die Verhinderung der Austrocknung der Haut. Dem Mitbeteiligten sei daher (mit Spruchpunkt 2) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses) zu Unrecht vorgeworfen worden, ein die bestimmungsgemäße Verwendung als Sonnenschutzmittel nicht gewährleistendes Produkt in Verkehr gebracht zu haben.
Die Aufhebung der Spruchpunkte 1) und 3) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wird im angefochtenen Bescheid nicht gesondert begründet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Ebenso beantragte der Mitbeteiligte in seiner Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes - LMSVG, BGBl. I Nr. 13/2006, haben (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
"§ 3 Für dieses Bundesgesetz gelten folgende
Begriffsbestimmungen:
…
8. Kosmetische Mittel: Stoffe oder Zubereitungen, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den verschiedenen Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern oder den Körpergeruch zu beeinflussen oder um sie zu schützen oder in gutem Zustand zu halten.
…
§ 5. …
(2) Es ist verboten, Lebensmittel mit zur Irreführung geeigneten Angaben in Verkehr zu bringen oder zu bewerben. Zur Irreführung geeignete Angaben sind insbesondere
1. zur Täuschung geeignete Angaben über die Eigenschaften des Lebensmittels, wie Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart;
…
§ 18. (1) Es ist verboten, kosmetische Mittel,
…
2. deren bestimmungsgemäße Verwendbarkeit nicht gewährleistet ist, oder
3. die den nach § 20 erlassenen Verordnungen nicht entsprechen, in Verkehr zu bringen.
(2) § 5 Abs. 2 und 4 gelten sinngemäß. …
…
§ 90. (1) Wer
…
4. kosmetische Mittel, deren bestimmungsgemäße Verwendbarkeit nicht gewährleistet ist oder die mit irreführenden Angaben oder verbotenen krankheitsbezogenen Angaben versehen sind, oder in irreführender oder verbotener krankheitsbezogener Aufmachung,
…
in Verkehr bringt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 20 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40 000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.
…
(3) Wer
…
2. den Bestimmungen einer auf Grund der §§ 6, 7 Abs. 1, 9 Abs. 2, 10 Abs. 7 oder 8, 11, 12, 13, 14, 19, 20, 34, 47 Abs. 2 oder 57 Abs. 1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt,
…
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 20 000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 40 000 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit mit Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.
§ 98. (1) Verordnungen auf Grund des LMG 1975 und Verordnungen auf Grund des Fleischuntersuchungsgesetzes gelten als auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassen.
…"
Die Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Konsumentenschutz über Kontrollmaßnahmen betreffend kosmetische Mittel, BGBl. Nr. 168/1996 (Kontrollmaßnahmenverordnung) enthält in ihrem § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d Bestimmungen über die Sicherheitsbewertung von kosmetischen Mitteln.
Das Österreichische Lebensmittelbuch enthält in seinem Kapitels B 33 "Kosmetische Mittel", Unterkapitel 3. "Sonnenschutzmittel" (auszugsweise) folgende Bestimmungen:
"3.1 Einleitung
Sonnenschutzmittel haben eine wichtige Schutzfunktion gegen die UV-Strahlung und die dadurch verursachten Gesundheitsschädigungen.
…
Dieser Abschnitt gilt nicht für kosmetische Mittel mit UV-Filtern, deren Hauptverwendungszweck nicht der Sonnenschutz ist.
3.2.1
"Sonnenschutzmittel" im Sinne dieses Abschnittes sind kosmetische Mittel gemäß § 3 Z 8 LMSVG, die ausschließlich oder überwiegend dazu bestimmt sind, die Haut mittels UV-Filter vor UV-Strahlung zu schützen.
…
Sonnenschutzmittel sollen daher einen Lichtschutzfaktor
(siehe Abs. 3.2.4) von mindestens 6 aufweisen. …
…
3.3.1
Produkte dieses Abschnittes werden je nach Zubereitungsform als z.B. Sonnenschutzcreme, -spray, -milch oder -lotion, bezeichnet.
…"
Soweit das erstinstanzliche Straferkenntnis in seinem Spruchpunkt 2) aufgehoben wurde, liegt dem angefochtenen Bescheid die Auffassung zugrunde, der Zweck des gegenständlichen Produkts sei, eine gleichmäßige Bräunung der Haut zu erzielen und die Austrocknung zu verhindern. Da es ohnehin nur als Sonnenöl mit Faktor 3 ausgelobt worden sei, sei nicht der Eindruck eines Sonnenschutzmittels erweckt worden.
Diese Ansicht wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt:
Nach der maßgeblichen Erwartung eines durchschnittlich informierten aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2003/10/0042) wird die Bezeichnung "Sonnenöl", zumal unter Hinweis auf einen "Faktor", der im vorliegenden Kontext nur als Hinweis auf den Lichtschutzfaktor aufgefasst werden kann, dahin verstanden, dass das betreffende Produkt dazu bestimmt ist, die Haut vor schädlichen Eiwirkungen von Sonnenbestrahlung zu schützen. Es wird somit - ebenso wie etwa durch die im Lebensmittelbuch Kapitels B 33, Punkt 3.3.1 beispielweise aufgezählten Bezeichnungen "Sonnenmilch" oder "Sonnenlotion" - der Eindruck erweckt, dass der Hauptverwendungszweck des Produkts der Sonnenschutz ist. Ein anderer Verwendungszweck ist im Übrigen auf dem Produkt unstrittig nicht angegeben. Somit wurde das Produkt als Sonnenschutzmittel im Sinn von Punkt 3.1 des Kapitels B 33 des Lebensmittelbuches in Verkehr gesetzt. Dem ÖLMB kommt der Charakter eines objektivierten Sachverständigengutachtens über die maßgebliche Verbrauchererwartung zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2010/10/0145).
Dass das Produkt die nach der aus dem Lebensmittelbuch hervorgehenden Verkehrsauffassung vorausgesetzten Eigenschaften in den im Spruchpunkt 2) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses angeführten Punkten nicht aufweist, wird vom Beschwerdeführer nicht bestritten.
Davon ausgehend ist die belangte Behörde zu Unrecht zum Ergebnis gekommen, es liege kein Fall vor, in dem im Sinn des § 18 Abs. 1 Z. 2 LMSVG die bestimmungsgemäße Verwendbarkeit des Produkts nicht gewährleistet sei.
Wie ausgeführt, hat die belangte Behörde die Aufhebung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses in dessen Spruchpunkten 1) und 3) nicht gesondert begründet. Im angefochtenen Bescheid befindet sich jedoch die Passage, dass vom in erster Instanz beigezogenen Gutachter "weitere sieben Bemängelungen abgeleitet worden (seien), welche samt und sonders von der Voraussetzung ausgehen, dass der durchschnittliche Konsument das hier in Rede stehende Produkt als Sonnenschutzmittel betrachten würde". Daraus ist ersichtlich, dass die belangte Behörde die Ansicht vertreten hat, die dem Mitbeteiligten mit den Spruchpunkten 1) und 3) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses zur Last gelegten Tatbestände seien schon deshalb nicht verwirklicht, weil das gegenständliche "Sonnenöl" nicht als Sonnenschutzmittel im Sinn des Lebensmittelbuches angesehen werden könne.
Dem sind zunächst die obigen Ausführungen entgegenzuhalten, wonach das gegenständliche Produkt als Sonnenschutzmittel in Verkehr gesetzt wurde.
Überdies ist das Produkt, das nach den Feststellungen der belangten Behörde dazu dienen soll, eine gleichmäßige Bräunung der Haut zu erzielen und die Austrocknung fettarmer Haut zu vermeiden, jedenfalls als kosmetisches Mittel im Sinn von § 3 Z. 8 LMSVG anzusehen. Mit Spruchpunkt 1) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses wurde dem Mitbeteiligten vorgeworfen, als gemäß § 9 Abs. 1 VStG Verantwortlicher entgegen der Bestimmung des § 5 Abs. 2 Z. 1 iVm § 18 Abs. 2 LMSVG ein kosmetisches Mittel, das Octyl Methoxycinamate enthält mit einer zur Täuschung geeigneten Angabe - nämlich der Bezeichnung "Naturkräuterkosmetik" - in Verkehr gebracht zu haben. Der Tatvorwurf gemäß Spruchpunkt 3) des genannten Straferkenntnisses bezieht sich auf Mängel bei der von § 1 Abs. 1 Z. 2 lit. d der Kontrollmaßnahmenverordnung vorgeschriebenen Sicherheitsbewertung von Kosmetika. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde ist es für keine dieser Übertretungen maßgeblich, ob sie sich auf ein Sonnenschutzmittel oder auf ein anderes Kosmetikum bezieht.
Infolge dieser Verkennung der Rechtslage hat sich die belangte Behörde nicht mit den Tatvorwürfen zu den Spruchpunkten 1) und 3) des erstinstanzlichen Straferkenntnisses auseinandergesetzt und den angefochtenen Bescheid daher insoweit mit einem sekundären Verfahrensmangel belastet.
Aus all diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Wien, am
Fundstelle(n):
IAAAE-76450