VwGH vom 10.04.2018, Ra 2018/02/0072
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des M in A, vertreten durch Dr. Sieglinde Lindmayr, Dr. Michael Bauer, Dr. Günter Secklehner, Rechtsanwalts-OG in 8940 Liezen, Pyhrnstraße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 30.8-3496/2016-10, betreffend Übertretung der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Liezen), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht den Revisionswerber schuldig erachtet, er habe sich am um 4:33 Uhr in A. nach Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei vermutet habe werden können, dass er zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort den näher bestimmten Pkw in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand versucht habe, in Betrieb zu nehmen. Er habe dadurch § 99 Abs. 1 lit. b StVO iVm § 5 Abs. 2 StVO übertreten, weshalb über ihn eine Geldstrafe von EUR 1.600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) verhängt wurde.
2 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, eine Zeugin habe laute Musik aus dem Pkw des Revisionswerbers, der auf einem Parkplatz abgestellt gewesen sei, wahrgenommen. Die Zeugin habe festgestellt, dass der Revisionswerber schlafend am Fahrersitz sitze und der Fahrzeugschlüssel im Zündschloss stecke. Sie habe die Fahrertür des Fahrzeugs geöffnet und mehrmals versucht, den Revisionswerber zu wecken. Dieser habe nicht reagiert. Die Zeugin habe den Zündschlüssel abgezogen und diesen auf die Rückbank des Fahrzeuges gelegt. Nach dem Abziehen des Zündschlüssels habe auch die Musik aufgehört. Dann habe sie telefonisch Anzeige erstattet und mitgeteilt, dass aus dem Pkw laute Musik zu hören gewesen sei, der Lenker darin schlafe und sie den Schlüssel aus dem Zündschloss abgezogen und auf die Rücksitzbank gelegt habe. Zwei Polizeibeamte seien dann zum Pkw gefahren, einer habe die Fahrertür geöffnet. Der Revisionswerber sei schlafend am Fahrersitz gesessen und sei angegurtet gewesen. Die Fahrzeugschlüssel seien auf der Rückbank des Fahrzeuges gelegen. Der Polizeibeamte habe deutlich Alkoholgeruch wahrgenommen und festgestellt, dass der Beschwerdeführer, nachdem er geweckt worden sei, verändert gesprochen habe. Der Revisionswerber habe gegenüber den Beamten erklärt, dass er nicht gefahren sei. Dann wieder habe er gesagt, dass er nur ein kurzes Stück gefahren sei. Während der Amtshandlung habe der Revisionswerber immer wieder seine Verantwortung geändert. Der Revisionswerber sei von einem Polizisten davon in Kenntnis gesetzt worden, dass er im Verdacht stehe, ein Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand gelenkt zu haben und dass er zur Durchführung eines Alkomattests zur Polizeiinspektion mitkommen solle. Auf der Polizeistation habe der Revisionswerber gesagt, dass er nicht gefahren sei und deshalb keinen Alkomattest mache. Ein Polizist habe dem Revisionswerber erklärt, welche Folgen die Verweigerung für ihn habe. Der Revisionswerber habe darauf beharrt, keinen Test machen zu wollen.
3 Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, dass die Feststellungen, wonach die Beamten vermutet hätten, dass der Revisionswerber das gegenständliche Fahrzeug in Betrieb zu nehmen versucht habe, auf Grund der übereinstimmenden Angaben von Zeugen getroffen hätten werden können.
4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, nach der Rechtsprechung ergebe sich, dass ein Lenker verdächtig sei, das Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben, schon daraus, dass er schlafend auf dem Lenkersitz angetroffen worden sei (Hinweis auf und ). Nach der Sachlage hätten die Beamten jedenfalls davon ausgehen können, dass der Revisionswerber versucht habe, sein Fahrzeug in Betrieb zu nehmen, womit er im Sinne des § 5 Abs. 2 zweiter Satz StVO verpflichtet gewesen sei, sich einer entsprechenden Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt zu unterziehen (Hinweis auf ). Die Berechtigung zur Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt beziehe sich somit auch auf Personen, die versuchen, ein Fahrzeug in Betrieb zu nehmen. Die Beamten hätten zu Recht vermuten können, dass sich der Revisionswerber in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe, als sie diesen angetroffen hätten und er ein Fahrzeug in Betrieb zu nehmen versucht habe, weshalb die Strafbestimmung des § 99 Abs. 1 lit. b StVO im gegenständlichen Fall anzuwenden sei (Verweis auf ). Die Berechtigung zur Atemluftuntersuchung bestehe ab dem Moment, in dem konkrete Anhaltspunkte für den Verdacht gegeben seien, dass eine Person in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand versucht habe, ein Fahrzeug in Betrieb zu nehmen, weitere Erhebungsschritte seien nicht geboten (Verweis auf ).
5 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
6 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Der Revisionswerber erachtet die Revision als zulässig, weil das Verwaltungsgericht entgegen der Rechtsprechung (Verweis auf ) die Zulässigkeit der Atemalkoholuntersuchung bejaht habe, obwohl diese bei Verdacht auf Inbetriebnahme eines Fahrzeuges bei vermuteter Alkoholisierung nicht zulässig sei.
8 Die Revision ist aus diesem Grund zulässig und berechtigt:
9 In dem eben zitierten Erkenntnis vom , (ebenso ) hat der Verwaltungsgerichtshof (in Rn 13) ausgesprochen, dass weder der dem Wortlaut nach klare Gesetzestext noch die Rechtsprechung zu § 5 Abs. 2 zweiter Satz Z 1 StVO eine Untersuchung auf Alkoholgehalt erlaubt, wenn sich bei vermuteter Alkoholisierung der Verdacht lediglich auf die Inbetriebnahme eines Fahrzeuges bezogen hat. Die rechtmäßige Aufforderung zur Untersuchung auf Alkoholgehalt nach dieser Bestimmung setzt den Verdacht des Lenkens voraus.
10 Die vom Verwaltungsgericht für seine Rechtsmeinung ins Treffen geführte Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil dort vom Verdacht des Lenkens eines Fahrzeuges ausgegangen wurde () bzw. ein Kraftfahrzeug in Betrieb genommen wurde ().
11 Nach Spruch und Begründung des vorliegenden Erkenntnisses stützte das Verwaltungsgericht die Bestrafung auf die Vermutung, dass der Revisionswerber in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand versucht habe, einen Pkw in Betrieb zu nehmen. Somit bestand für die Beamten der Verdacht des Versuchs der Inbetriebnahme eines Pkws bei vermuteter Alkoholisierung.
12 Nachdem der zitierten Rechtsprechung zufolge der Verdacht auf die Inbetriebnahme eines Fahrzeuges bei vermuteter Alkoholisierung nicht dazu berechtigt, gemäß § 5 Abs. 2 zweiter Satz Z 1 StVO die Atemluft von Personen auf Alkoholgehalt zu untersuchen, gilt dies umso mehr bei dem Verdacht, der vermutliche alkoholisierte Lenker hätte versucht, einen Pkw in Betrieb zu nehmen.
13 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
14 Der Spruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018020072.L00.1 |
Schlagworte: | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Besondere Rechtsgebiete |
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Fundstelle(n):
EAAAE-76434