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VwGH vom 09.05.2018, Ra 2018/02/0064

VwGH vom 09.05.2018, Ra 2018/02/0064

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des W in J, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , Zl. LVwG-601905/22/DM, betreffend Übertretung der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn wurde der Revisionswerber mit näheren Konkretisierungen schuldig erkannt, sich nach Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hierzu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert zu haben, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei habe vermutet werden können, dass er zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort das angeführte Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Wegen einer Verletzung von § 5 Abs. 2 StVO wurde über den Revisionswerber eine Geldstrafe von EUR 1.600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 14 Tage) verhängt.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Verwaltungsgericht als unbegründet ab. Die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig.

3 Das Verwaltungsgericht führte in dem Erkenntnis näher aus, dass sich im Beschwerdefall die maßgebliche Frage gestellt habe, ob das Verhalten des Revisionswerbers während der Amtshandlung als Verweigerung der Atemluftkontrolle zu qualifizieren sei. Unstrittig stehe fest, dass der Revisionswerber bei der Vornahme des Alkovortests und des Alkotests mitgewirkt habe, allerdings keine gültigen Messergebnisse zustande gekommen seien. Unstrittig sei auch, dass der Revisionswerber während der Durchführung des Alkomattests gesagt habe, dass er an der Lunge erkrankt sei. Allerdings sei festzuhalten, dass der meldungslegende Polizist Insp. L., dem bei der Führerschein- und Fahrzeugkontrolle der schwankende Gang des Revisionswerbers aufgefallen sei und bei dem daher der Verdacht des Lenkens eines Fahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gegeben gewesen sei, während der Amtshandlung den Eindruck gehabt habe, dass der Revisionswerber kein gültiges Ergebnis habe zustande bringen wollen und dass es augenscheinlich nicht gesundheitlich daran gelegen habe, dass der Revisionswerber kein Ergebnis zustande gebracht habe. Dieser Eindruck sei laut Aussage des Zeugen Insp. L. dadurch entstanden, dass der Revisionswerber beim Vortestgerät immer nur ganz kurz, etwa ein bis zwei Sekunden, hineingeblasen habe und dies selbst nach Belehrung, dass er gleichmäßig eine längere Zeit hineinblasen solle, nicht gemacht habe. Auch, dass er trotz Belehrung mindestens zweimal angezogen anstatt hineingeblasen habe, habe diesen Eindruck verstärkt. Beim Alkomattest habe der Revisionswerber zwar hineingeblasen, allerdings sei das Blasvolumen weit von einem gültigen Ergebnis entfernt gewesen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes müsse es dem geschulten Organ der Straßenaufsicht zugemutet werden, an Ort und Stelle zu beurteilen, ob eine Person, die sich auf in ihrer Person gelegene Gründe für die Nichtdurchführung der Atemluftprobe beruft, dies glaubhaft gemacht habe. Bejahendenfalls sei die Atemluftuntersuchung abgeschlossen und es komme die Vorschrift des § 5 Abs. 5 Z 2 StVO zum Tragen, ohne dass eine Bestrafung wegen des Verstoßes gegen die Vorschrift des § 5 Abs. 2 StVO in Betracht komme (Hinweis auf ). Im Beschwerdefall habe der Revisionswerber dem Zeugen Insp. L gerade nicht glaubhaft gemacht, dass er aus medizinischen Gründen nicht in der Lage sei, die Atemluftkontrolle gemäß § 5 Abs. 2 StVO durchzuführen. Der Zeuge Insp. L. habe bei der mündlichen Verhandlung unter Wahrheitspflicht ausgesagt, dass er bei der Amtshandlung den Eindruck gehabt habe, dass sich der Revisionswerber mit den amtshandelnden Polizisten "spiele" und kein gültiges Ergebnis habe zustande bringen wollen. Es bestehe kein Grund, an den klaren und widerspruchsfreien Angaben des Zeugen zu zweifeln.

Unter näherer Berufung auf das im Verfahren eingeholte lungenfachärztliche Gutachten vom (wonach eine "sehr eingeschränkte" bzw. "mangelnde" Mitarbeit des Revisionswerbers vorgelegen habe) hielt das Verwaltungsgericht fest, dass unabhängig vom meldungslegenden Beamten Insp. L. auch der vom Revisionswerber im Auftrag des Amtsarztes aufgesuchte Lungenfacharzt den Eindruck gewonnen habe, dass der Revisionswerber zu einer entsprechenden Mitwirkung zur Klärung seines Blasvolumens nicht willens gewesen sei.

Das Verwaltungsgericht verwies weiters auf eine vom Amtsarzt abgegebene fachliche Stellungnahme vom , in der zusammenfassend unter anderem festgehalten wurde, dass aufgrund der mangelnden Mitarbeit des Revisionswerbers die Lungenfunktionstestung keine sicheren Ergebnisse erbrachte habe, allerdings feststehe, dass das forcierte exspiratorische Volumen bei der Lungenfunktionstestung mit 2,11 l über dem nötigen Blasvolumen von 1,5 l für den Alkomattest liege.

Dieses Ergebnis der lungenfachärztlichen Untersuchung bzw. das Verhalten des Revisionswerbers bei dieser unterstreiche nach Ansicht des Verwaltungsgerichts den Eindruck des Zeugen Insp. L. bei der Amtshandlung, dass nämlich der Revisionswerber nicht willens gewesen sei, den Alkomattest rechtmäßig durchzuführen, um den Alkoholgehalt in der Atemluft feststellen zu können. Zusammengefasst gehe das Verwaltungsgericht in freier Beweiswürdigung davon aus, dass der Revisionswerber durch sein Verhalten ein Zustandekommen eines entsprechenden Messergebnisses der Atemluftkontrolle verhindert habe und eine Verweigerung der Atemluftuntersuchung gegeben sei.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge die Revision zulassen, dieser Folge geben und das angefochtene Erkenntnis kostenpflichtig aufheben. Eine Revisionsbeantwortung wurde durch die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Gemäß § 5 Abs. 2 StVO sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und - soweit es sich nicht um Organe der Bundespolizei handelt - von der Behörde hierzu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem u.a. berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug gelenkt zu haben (Z 1), auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.

Gemäß § 5 Abs. 5 StVO sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen, von denen vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden, bei einer Landespolizeidirektion tätigen, bei einer öffentlichen Krankenanstalt diensthabenden oder im Sinne des § 5a Abs. 4 ausgebildeten und von der Landesregierung hierzu ermächtigten Arzt zu bringen, sofern eine Untersuchung gemäß Abs. 2 keinen den gesetzlichen Grenzwert gemäß Abs. 1 erreichenden Alkoholgehalt ergeben hat (Z 1) oder aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war (Z 2). Wer zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem Arzt gebracht wird, hat sich einer Untersuchung durch diesen zu unterziehen; die genannten Ärzte sind verpflichtet, die Untersuchung durchzuführen.

6 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit unter näherem Hinweis auf hg. Judikatur u.a. vor, er habe den Meldungsleger bei der Amtshandlung umgehend darauf hingewiesen, dass ihm die Ablegung des Alkotests nicht möglich sei, weil er an der Lunge operiert sei und sich auch die bestehende Kälte äußerst negativ auf seine Atmungsfunktion auswirke und er es nicht schaffe, tiefer Luft zu holen. Unter derartigen Umständen verstoße die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts, es läge eine strafbare und verschuldete Alkotestverweigerung vor, gegen die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

7 Die vorliegende Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Sie ist aus diesem Grund auch begründet.

8 Vorauszuschicken ist, dass einem Organ der Straßenaufsicht grundsätzlich die einwandfreie Beurteilung der Frage, wieso bei der Atemluftuntersuchung kein brauchbares Ergebnis zustande gekommen ist, zugemutet werden kann. Die Verbringung zur ärztlichen Untersuchung gemäß § 5 Abs. 5 Z 2 StVO stellt eine Ermächtigung, nicht eine Verpflichtung von Organen der Straßenaufsicht dar, in der beschriebenen Weise vorzugehen (vgl. mwH).

9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat derjenige, der gemäß § 5 Abs. 2 StVO zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, umgehend (das heißt bei diesem Anlass) auf die Unmöglichkeit der Ablegung einer Atemalkoholuntersuchung mittels Alkomat aus medizinischen Gründen hinzuweisen (sofern dies nicht für Dritte sofort klar erkennbar ist), sodass die Organe der Straßenaufsicht in die Lage versetzt werden, das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 5 Abs. 5 Z 2 StVO zu prüfen, bejahendenfalls von der Aufforderung zur Untersuchung der Atemluft Abstand zu nehmen und den Aufgeforderten zum Zwecke der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem in § 5 Abs. 5 StVO genannten Arzt zu bringen. Es ist unerheblich, ob der Beschwerdeführer tatsächlich aus medizinischen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, der Aufforderung zur Atemluftprobe nachzukommen (vgl. hierzu mwH).

10 Aus den insofern unstrittigen Feststellungen des Verwaltungsgerichtes geht hervor, dass der Revisionswerber den Beamten im Zuge der Amtshandlung darauf hingewiesen hat, dass er an der Lunge erkrankt sei und ihm deswegen die Atemluftuntersuchung nicht möglich sei. Bei dieser Äußerung des Revisionswerbers handelte es sich um einen eindeutigen, konkreten Hinweis auf die Unmöglichkeit der Ablegung einer Atemalkoholuntersuchung mittels Alkomat aus medizinischen Gründen. Der Beamte durfte in Anbetracht dieser Umstände nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass dem Revisionswerber die Untersuchung der Atemluft dennoch möglich gewesen wäre, sondern wäre vielmehr gehalten gewesen, im Sinne des § 5 Abs. 5 Z 2 StVO vorzugehen und den Revisionswerber zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem in § 5 Abs. 5 StVO genannten Arzt zu bringen (vgl. erneut ). Ob der Revisionswerber tatsächlich aus medizinischen Gründen nicht in der Lage war, der Aufforderung zur Atemluftprobe nachzukommen, war im vorliegenden Fall nicht von Relevanz.

11 Da sich in der vorliegenden Konstellation die Bestrafung wegen Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt als rechtswidrig erweist, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Auf das weitere Vorbringen in der Revision war nicht weiter einzugehen.

12 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung. Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018020064.L00
Schlagworte:
Besondere Rechtsgebiete Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht

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Fundstelle(n):
TAAAE-76429