VwGH vom 12.12.2012, 2012/18/0161
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des SS in W, vertreten durch Dr. Gustav Eckharter, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/15, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/431.003/2009, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen indischen Staatsangehörigen, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am unrechtmäßig in Österreich eingereist. Am habe er einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren sei "mit " durch Erkenntnis des Asylgerichtshofes "rechtskräftig negativ abgeschlossen" worden. Der Asylgerichtshof habe auch festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien zulässig sei.
Während des Asylverfahrens sei der Beschwerdeführer vorläufig zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt gewesen. Seit Abschluss dieses Verfahrens halte er sich unrechtmäßig in Österreich auf. In einem solchen Fall könne gemäß § 53 Abs. 1 FPG die Ausweisung ausgesprochen werden.
Im Rahmen der Beurteilung nach § 66 FPG sei davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer mittlerweile seit sieben Jahren in Österreich aufhalte. Sorgepflichten oder familiäre Bindungen im Bundesgebiet habe er nicht geltend gemacht. Er habe lediglich in unsubstantiierter und nicht nachvollziehbarer Weise vorgebracht, seinen gesamten Freundes- und Bekanntenkreis hier zu haben. Er wäre seinem Vorbringen zufolge beruflich und privat vollkommen sozial integriert und hätte sehr gute Deutschkenntnisse, die er durch den Besuch von Kursen erworben hätte. Dazu habe der Beschwerdeführer eine Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses, an dem er im Jahr 2005 im Umfang von 48 Stunden teilgenommen habe, vorgelegt. Er sei als selbständiger Zeitungskolporteur tätig.
Auf Grund des langjährigen inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privatleben auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zum Erreichen von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, hier konkret zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten sei. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse verstoße der Beschwerdeführer gravierend, indem er seitdem - für ihn negativen -
Abschluss des Asylverfahrens unrechtmäßig weiter im Bundesgebiet aufhältig sei. Das Gewicht der aus seinem Aufenthalt resultierenden persönlichen Interessen sei insofern relativiert, als der Beschwerdeführer lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach asylrechtlichen Bestimmungen verfügt habe. Sein Asylantrag habe sich als unberechtigt herausgestellt. Eine nachhaltige Integration am österreichischen Arbeitsmarkt liege nicht vor. Über eine Berechtigung, die Erwerbstätigkeit in Österreich auszuüben zu dürfen, verfüge der Beschwerdeführer nicht. Seiner Erwerbstätigkeit könne keine maßgebliche Bedeutung zugemessen werden.
Es werde anerkannt, dass der Beschwerdeführer Bemühungen gezeigt habe, die deutsche Sprache zu erlernen. Ungeachtet dessen könne jedoch in Gesamtheit betrachtet das Ausmaß der Integration nur als relativ gering angesehen werden.
Den Großteil seines bisherigen Lebens habe sich der Beschwerdeführer in Indien aufgehalten. Trotz der mittlerweile siebenjährigen Abwesenheit von seinem Heimatland sei davon auszugehen, dass er in Indien infolge dessen, dass dort seine Eltern und ein Bruder lebten, zumindest über eine - wenn auch lose - familiäre Bindung verfüge.
Es spreche zwar die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers zu seinen Gunsten. Jedoch könnten insgesamt keine besonderen Umstände erkannt werden, die die belangte Behörde veranlasst hätten, von der Erlassung der Ausweisung Abstand zu nehmen.
Auch das "anhängige Niederlassungsverfahren" stehe der Ausweisung nicht entgegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Eingangs ist im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () festzuhalten, dass sich die Beurteilung des gegenständlichen Falles nach dem FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009 richtet.
In der Beschwerde werden die behördlichen Ausführungen, aus denen sich ergibt, dass sich der Beschwerdeführer seit Abschluss seines Asylverfahrens nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und auch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides der die Erlassung einer Ausweisung ermöglichende Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt ist, nicht weiter bekämpft. Die diesbezügliche behördliche Beurteilung begegnet auf dem Boden der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen keinen Bedenken.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die von der belangten Behörde nach § 66 FPG vorgenommene Beurteilung. Dazu führt er in der Beschwerde all jene Umstände ins Treffen, die die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung bereits berücksichtigt hat.
Soweit in diesem Zusammenhang gerügt wird, die belangte Behörde hätte keine umfassenden Feststellungen getroffen, ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, dass aus dem angefochtenen Bescheid hinreichend klar hervorgeht, dass die belangte Behörde von der Richtigkeit des Berufungsvorbringens ausgegangen ist und die von ihm vorgebrachten, zu seinen Gunsten zu berücksichtigenden Umstände ihrer Beurteilung zugrunde gelegt hat. Das gilt sowohl für die Dauer des gesamten als auch das Ausmaß des rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet. Auch die Ausführungen zu den sonstigen nunmehr in der Beschwerde geltend gemachten Umständen lassen nicht erkennen, dass der belangten Behörde bei den Feststellungen ein für den Ausgang des Verfahrens relevanter Verfahrensfehler unterlaufen wäre.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist der belangten Behörde aber auch bei der Gewichtung der zu seinen Gunsten und zu seinen Lasten zu berücksichtigenden Umstände kein Fehler vorzuwerfen.
Zutreffend hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall in den Vordergrund gerückt, dass der Beschwerdeführer einen letztlich unberechtigten Asylantrag gestellt hat und durch seinen Verbleib in Österreich nach Abschluss des Asylverfahrens dem geltenden Einwanderungsregime widerspricht. Sein Verhalten stellt eine relevante Störung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dar. Es trifft auch die behördliche Ansicht zu, dass den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Normen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentliche Ordnung - und damit eines von Art. 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses - ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/21/0139, sowie jenes vom selben Tag, Zl. 2008/18/0189, mwN).
Das sich nach dem Gesagten ergebende öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers hatte die belangte Behörde unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles gegen die gegenläufigen privaten Interessen des Beschwerdeführers - familiäre Interessen an einem Verbleib in Österreich wurden nicht geltend gemacht - abzuwägen. Die in diesem Sinn von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung ist aber nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer führt in diesem Zusammenhang seinen siebenjährigen Aufenthalt, seinen "gesamten Freundeskreis", das Bestehen einer Unterkunft und Sozialversicherung, seine Tätigkeit als Zeitungskolporteur sowie Kenntnisse der deutschen Sprache ins Treffen. Diese Umstände, auf die die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung auch Bedacht genommen hat, sind jedoch insgesamt nicht von solchem Gewicht, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von einer Ausweisung hätte Abstand genommen werden müssen.
Bei der Bewertung des Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich, durfte die belangte Behörde im Sinn des § 66 Abs. 2 Z 8 FPG auch berücksichtigen, dass er auf der Grundlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, die ihm während des Asylverfahrens zugekommen war, nicht damit rechnen durfte, er werde dauernd in Österreich bleiben können. Daran vermag auch die in der Beschwerde hervorgehobene sechsjährige Dauer des Asylverfahrens nichts zu ändern. In diesem Zusammenhang ist allerdings auch darauf hinzuweisen, dass den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge die erstinstanzliche Entscheidung im Asylverfahren bereits etwa zwei Monate nach der Einreise des Beschwerdeführers ergangen ist.
In Anbetracht des Gesagten kommt es nicht mehr darauf an, ob der Beschwerdeführer zu seinen Eltern und seinem Bruder, die in Indien leben, noch familiäre Bindungen aufweist. Dass er zu diesen immer noch - aufgrund seines Aufenthaltes in Österreich auf Telefonate reduzierten - Kontakt pflegt, wird in der Beschwerde allerdings eingeräumt.
Zusammengefasst ist es somit fallbezogen insgesamt nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unzulässigen Eingriff in sein Privatleben angesehen hat.
Soweit der Beschwerdeführer noch anregt, näher genannte Vorschriften des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes einer Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof zu unterziehen, ist nicht erkennbar, inwieweit diese Bestimmungen im gegenständlichen Verfahren zur Anwendung zu bringen wären. Seiner Anregung war schon mangels Präjudizialität der von ihm genannten Vorschriften nicht nachzukommen.
Da dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtsverletzung nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
BAAAE-76422