VwGH vom 21.05.2012, 2010/10/0132
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des J G in N, vertreten durch Dr. Ewald Jenewein, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Brixner Straße 2, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. U-14.336/4, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf naturschutzrechtliche Bewilligung wegen entschiedener Sache, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers auf naturschutzrechtliche Bewilligung der Befestigung (Asphaltierung) des "nord- und nord-westlichen" Teiles des Grundstückes Nr. 991, KG N, wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen.
Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, bei der nunmehr zur Bewilligung beantragten Asphaltierung handle es sich um jene Asphaltierung, deren Bewilligung dem Beschwerdeführer bereits mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom rechtskräftig versagt worden sei. Zwischenzeitig habe sich weder die maßgebliche Rechtslage geändert, noch hätten sich relevante Sachverhaltsänderungen ergeben. Die - damals bereits errichtete und heute unverändert bestehende - Befestigung der erwähnten Teile des Grundstückes (Asphaltierung) sei in dem dem rechtkräftigen Bescheid vorangegangenen Verfahren vom naturkundefachlichen Amtssachverständigen als gravierende und dauerhafte Beeinträchtigung der im Landschaftsschutzgebiet "Serles - Habicht - Zuckerhütl" besonders geschützten Eigenart und Schönheit der Landschaft beurteilt worden. An der solcherart beurteilten Asphaltierung habe sich nichts geändert. Insofern sei von einer unveränderten Sachlage auszugehen. Nach wie vor bestehe an der Asphaltierung auch kein langfristiges öffentliches Interesse: Dass die Alm des Beschwerdeführers ohne die Asphaltierung der erwähnten Grundstücksteile nicht zeitgemäß bewirtschaftet werden könne bzw. in ihrer Existenz bedroht sei, sei im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren verneint worden. Nunmehr sei vom Beschwerdeführer zwar die Führung der Alm als "Lauf-Melk-Hof" geplant und dafür sei - seines Erachtens - die Asphaltierung erforderlich. Dies besage aber nicht, dass eine zeitgemäße Bewirtschaftung der Alm nur in Form eines "Lauf-Melk-Hofes" mit Asphaltierung des Grundstückes möglich wäre. Der Genehmigungsantrag sei daher wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I Nr. 135/2009, (AVG) lauten auszugsweise wie folgt:
"Abänderung und Behebung
von Amts wegen
§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
..."
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 68 Abs. 1 AVG (vgl. z.B. das Erkenntnis vom , Zl. 2007/10/0041, und die dort zitierte Vorjudikatur), sind Anbringen vom Beteiligten, die - außer in den hier nicht in Betracht kommenden Fällen der §§ 69 und 71 - die Abänderung eines formell rechtskräftigen Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wobei die objektive Grenze der Wirkung der Rechtskraft durch die Identität der rechtskräftig entschiedenen Verwaltungssache mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt wird. "Entschiedene Sache" liegt daher vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage, noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Die Rechtskraft wird jedoch auch dann nicht durchbrochen, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid abgewiesenen Begehren nur dadurch unterscheidet, dass es in für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unwesentlichen Nebenumständen modifiziert worden ist. Es kann also nur eine solche Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung ermächtigen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals maßgebenden Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Dabei ist das Wesen der Sachverhaltsänderung nicht nach der objektiven Rechtslage, sondern nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Dem Beschwerdeführer, der einen im Grunde des § 68 Abs. 1 AVG ergangenen Bescheid bekämpft, obliegt es in diesem Zusammenhang schließlich, konkret aufzuzeigen, inwiefern sich das den Gegenstand seines neuen Antrages bildende Vorhaben in Umständen von rechtlich erheblicher Bedeutung von jenem unterscheide, das Gegenstand der rechtskräftigen Entscheidung war.
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, es sei mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Tiroler Landesregierung vom der bereits ausgeführten Asphaltierung der erwähnten Grundflächen die Bewilligung iSd § 2 Abs. 1 lit. a und b der Verordnung der Tiroler Landesregierung über das Landschaftsschutzgebiet "Serles - Habicht - Zuckerhütl" bereits rechtskräftig versagt worden. Diesem Bescheid zufolge bedeute die Asphaltierung eine maßgebliche und dauerhafte Beeinträchtigung der landschaftlichen Eigenart und Schönheit des Landschaftsschutzgebietes. Soweit vom Beschwerdeführer die Erhaltung der Almwirtschaft ins Treffen geführt worden sei, so handle es sich bei der Asphaltierung um keine Maßnahme, die zur dauerhaften Existenzsicherung des Betriebes oder zur Gewährleistung eines zeitgemäßen Wirtschaftsbetriebes notwendig wäre. Die Bewirtschaftung durch den Beschwerdeführer könne - so der die Bewilligung versagende Bescheid - auch ohne Asphaltierung wie bisher erfolgen. Ein langfristiges öffentliches Interesse an der Asphaltierung der Grundflächen sei im rechtskräftigen Bescheid vom daher verneint worden. Zwischenzeitlich sei weder eine Änderung der Rechtslage erfolgt, noch habe sich die Sachlage wesentlich geändert. Die - unverändert bestehende - Asphaltierung der erwähnten Grundflächen habe weder in ihren Auswirkungen auf die naturschutzgesetzlich geschützten Rechtsgüter eine Änderung erfahren, noch habe sich die Interessenlage in Ansehung eines langfristigen öffentlichen Interesses geändert: Der Beschwerdeführer beabsichtige zwar nun, die Alm als "Lauf-Melk-Hof" zu bewirtschaften, und er erachte die Asphaltierung als hiefür erforderlich. Es bestehe aber keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass eine zeitgemäße Bewirtschaftung bzw. die Existenzsicherung der Alm nunmehr von deren Bewirtschaftung als "Lauf-Melk-Hof" abhingen bzw. von der Asphaltierung der erwähnten Grundflächen. Es liege daher entschiedene Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG vor.
Der Beschwerdeführer hält dagegen, die Behörde hätte bei Vornahme entsprechender Ermittlungen feststellen können, dass die Asphaltierung einen wesentlichen Teil des "Lauf-Melk-Hofes" darstelle. Ohne Einholung entsprechender Gutachten könne nicht beurteilt werden, ob der "Lauf-Melk-Hof" im Sinne einer artgerechten Tierhaltung ohne die Asphaltierung betrieben werden könne. Die Befestigung des Vorplatzes sei nämlich notwendig, um Streu aufzubringen und auszuwechseln. Durch die aufgebrachte Streu werde der "Lauf-Melk-Hof" in die Natur eingebettet und es würden die Naturschutzinteressen gewahrt. Es lägen daher wesentliche Sachverhaltsänderungen vor.
Mit diesem Vorbringen wird keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit aufgezeigt:
Die Beschwerde bestreitet zunächst nicht, dass - entsprechend den Annahmen des angefochtenen Bescheides - über die unverändert bestehende Asphaltierung von der Naturschutzbehörde bereits rechtskräftig entschieden wurde, indem die gemäß § 2 Abs. 1 lit. a und b der Landschaftsschutzverordnung beantragte Bewilligung mit der Begründung abgewiesen wurde, die Maßnahme bedeute eine maßgebliche und dauerhafte Beeinträchtigung der landschaftlichen Eigenart und Schönheit des Landschaftsschutzgebietes und es bestehe daran kein in der Almwirtschaft begründetes langfristiges öffentliches Interesse. Der Beschwerdeführer ist - im Gegensatz zur belangten Behörde - jedoch der Auffassung, es liege im Umstand, dass er die Bewirtschaftung der Alm auf einen "Lauf-Melk-Hof" umzustellen beabsichtige und hiefür die Asphaltierung notwendig sei, nunmehr eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes insofern vor, als davon ausgegangen werden müsse, dass an der Asphaltierung nunmehr ein in der Almwirtschaft begründetes langfristiges öffentliches Interesse bestehe.
Er übersieht bei diesem Vorbringen allerdings, dass dem rechtskräftigen Bescheid, mit dem der Asphaltierung die Bewilligung versagt worden war, die Auffassung zu Grunde lag, die Alm könne - ohne Asphaltierung - wie bisher bewirtschaftet werden, ohne dass eine Gefährdung ihrer Existenz befürchtet werden müsse bzw. dass den Erfordernissen eines zeitgemäßen Wirtschaftsbetriebes nicht entsprochen werde. Davon ausgehend wäre es aber dem Beschwerdeführer oblegen, konkret aufzuzeigen, inwieweit sich die Verhältnisse nunmehr so geändert haben, dass eine zeitgemäße Almwirtschaft bzw. die Existenzsicherung des Betriebes ohne eine die Asphaltierung der Flächen erfordernde Bewirtschaftung nicht mehr gewährleistet sei, sodass eine Berührung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung der Almwirtschaft im Gegenstande nunmehr zumindest möglich wäre.
Demgegenüber hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch selbst in der vorliegenden Beschwerde ein entsprechendes Vorbringen erstattet. Vielmehr hat er sich darauf beschränkt, auf die Notwendigkeit der Asphaltierung für den Betrieb eines "Lauf-Melk-Hofes" hinzuweisen, ohne Gesichtspunkte der Almwirtschaft, die ein öffentliches Interesse - wie dargelegt -
begründen könnten, auch nur ansatzweise aufzuzeigen.
Die Auffassung der belangten Behörde, es habe sich weder die Rechts- noch die maßgebliche Sachlage in einem Ausmaß geändert, dass nicht mehr von der rechtskräftig entschiedenen, sondern von einer neuen Sache gesprochen werden könne, ist daher nicht rechtswidrig.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
QAAAE-76417