VwGH vom 20.10.2010, 2005/13/0123
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der B AG in W, vertreten durch Baier Böhm Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Kärntner Ring 12, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1527- W/2002, betreffend Umsatzsteuer 1994 bis 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Organträgerin einer Leasinggesellschaft, die in den Jahren 1994 bis 1997 technische Komponenten von zwei Lieferantinnen erwarb und an eine österreichische und eine slowakische Leasingnehmerin verleaste, wobei in den von der Leasinggesellschaft entrichteten Kaufpreisen Umsatzsteuer im Gesamtbetrag von S 15,999.600,-- enthalten war. Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug erlassenen Bescheid verweigerte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin den Abzug dieser Beträge als Vorsteuern.
In der Begründung dieser Entscheidung stützte sich die belangte Behörde u.a. auf rechtskräftige Schuldsprüche in einem Strafverfahren gegen die drei für die beiden Lieferantinnen und die zwei Leasingnehmerinnen handelnden Geschäftsführer. Nach den Feststellungen des Strafgerichtes gingen die Angeklagten nach einem gemeinsamen Tatplan vor, der auf die Verkürzung von Umsatzsteuer abzielte. Der Drittangeklagte, ein vorbestrafter ehemaliger Rechtsanwalt, der mit verfälschten Ausweispapieren unter falschem Namen auftrat, war geschäftsführender Gesellschafter der slowakischen Leasingnehmerin und einer für die Geschäfte mit dieser verwendeten österreichischen Finanzierungsgesellschaft sowie Gründer und Geschäftsführer der zweiten Lieferantin. Der Erstangeklagte war Geschäftsführer der ersten Lieferantin, der Zweitangeklagte Geschäftsführer der österreichischen Leasingnehmerin. Bei den Geschäften, in die außer der Leasinggesellschaft der Beschwerdeführerin auch andere Leasinggesellschaften involviert waren, zahlten die Leasinggesellschaften jeweils Bruttokaufpreise, wobei die Lieferantinnen die Umsatzsteuer jedoch nicht abführten und die vereinnahmten Beträge in den wirtschaftlichen Bereich der Leasingnehmerinnen gelangten. Das Strafgericht verurteilte die Angeklagten in unterschiedlichen Beteiligungsformen wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG, sprach sie vom Vorwurf des Betruges zum Nachteil der Leasinggesellschaften aber mit der Begründung frei, die am in Kraft getretene Fassung des § 12 Abs. 1 UStG berechtige die Leasinggesellschaften auch dann, wenn die Lieferungen nur vorgetäuscht gewesen seien, zum Vorsteuerabzug. In der Begründung des Beschlusses, mit dem der Oberste Gerichtshof die Nichtigkeitsbeschwerden sowohl der Angeklagten als auch der Staatsanwaltschaft zurückwies, führte er im Hinblick auf die Freisprüche aus, in den Fällen des Auseinanderklaffens zwischen der in der Rechnung ausgewiesenen Ware und der wirtschaftlichen Realität stehe der Vorsteuerabzug entgegen der Annahme des Erstgerichts nicht zu, sodass die vom Erstgericht unterlassene Prüfung, ob der Rechnungsinhalt mit den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten übereingestimmt habe, zur Klärung der Frage eines möglichen Schadenseintrittes erforderlich gewesen wäre. Das Erstgericht habe jedoch festgestellt, die Angeklagten hätten die Leasinggesellschaften für vorsteuerabzugsberechtigt gehalten und ein Schädigungsvorsatz im Hinblick auf die Leasinggesellschaften habe ihnen gefehlt (, EvBl 2003/139).
Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass "entsprechende Lieferungen nicht stattgefunden" hätten (Seite 20 des angefochtenen Bescheides) und der Vorsteuerabzug deshalb zu versagen sei. "Allfällige Bewegungen welcher Waren auch immer" seien "nur zu Zwecken der Täuschung" der Leasinggesellschaften und der Finanzverwaltung vorgenommen worden. Dabei verwies die belangte Behörde u.a. darauf, dass es sich den Rechnungen zufolge um hochpreisige Produkte gehandelt hätte, deren tatsächliche Beschaffung durch die Lieferantinnen und spätere Existenz an den vertragskonformen Verwendungsorten aber nicht feststellbar gewesen seien. In den Zollunterlagen über ausgeführte Waren seien Wertangaben nachträglich entfernt worden oder ungleich niedriger gewesen als in den Rechnungen, Unterlagen über dieselben angeblichen Warenbewegungen seien zum Teil mehrmals verwendet und auch dieselben Waren an unterschiedliche Abnehmer fakturiert worden. Die ganze Gestaltung der Geschäfte seitens der Lieferantinnen und der Leasingnehmerinnen sei aus im einzelnen dargelegten Gründen typisch für Geschäfte, deren einziger Zweck darin bestehe, aus der Geltendmachung größerer Vorsteuerbeträge unrechtmäßig finanzielle Mittel zu erwirtschaften. Die Weiterleitung der Entgelte an die angeblichen Abnehmer lege den Schluss nahe, dass kein Entgelt für eine tatsächliche Lieferung gebührt habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde sowie einem Austausch weiterer Schriftsätze der Parteien erwogen hat:
Die Beschwerdeführerin rügt die Dauer des Verfahrens vor der belangten Behörde, ohne damit aber einen relevanten Verfahrensmangel aufzuzeigen. Zu beweissichernden Schritten hätte die Leasinggesellschaft der Beschwerdeführerin schon seit Oktober 1997, als sie - nach den unwidersprochenen Feststellungen der belangten Behörde - die noch laufenden Verträge löste und die Bekanntgabe des Standortes der Leasinggüter verlangte, aber keine Antwort erhielt, Anlass und Gelegenheit gehabt. Nicht zu folgen ist der Beschwerde auch insoweit, als sie - unter Bezugnahme nur auf die Seiten 2 bis 15 des angefochtenen Bescheides - rügt, die belangte Behörde habe nicht klar festgestellt, ob Lieferungen stattgefunden hätten und was deren tatsächlicher Inhalt gewesen sei. Den Ausführungen der belangten Behörde insbesondere auf Seite 20 des angefochtenen Bescheides ist deutlich zu entnehmen, dass keine Lieferungen teurer Waren der in den Rechnungen genannten Art, sondern nur allenfalls zu Täuschungszwecken vorgenommene Lieferungen geringwertiger Güter angenommen wurden.
Relevante Verfahrensmängel zeigt die Beschwerde auch im Zusammenhang mit dem Schreiben eines Zeugen, auf dessen Einvernahme die Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren verzichtete, und mit ihrer Kritik an der Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht auf. Die Beschwerde vermengt dabei Gesichtspunkte, die das Verhalten der Leasinggesellschaft betreffen, mit den Annahmen der belangten Behörde über die Vorgangsweisen der beiden Lieferantinnen und Leasingnehmerinnen. In Bezug auf diese Vorgangsweisen nimmt die Beschwerde allerdings den Standpunkt ein, die Warenbewegungen seien "alles andere als dubios" gewesen und wenn "die Betriebsprüfung" etwa ergeben habe, Waren bestimmter Art seien von der angeblichen Herstellerin gar nicht in der fakturierten Stückzahl produziert worden und die Gerätenummern stimmten nicht, so hätte die belangte Behörde davon auszugehen gehabt, "dass allenfalls nachgebaute aber wirtschaftlich gleichartige Produkte tatsächlich geliefert wurden", womit die Rechnungen "steuerrechtlich unbedenklich" seien. Die Ergebnisse des Strafverfahrens, auf die in der Beschwerde in diesem Zusammenhang nicht direkt eingegangen wird, würden damit zu einer bloßen Modalität im Kern seriöser Geschäftsbeziehungen, was in der Beschwerde auch zum Ausdruck kommt, wenn darin von der "angeblichen Dubiosität der Geschäftspraktiken" der seinerzeitigen Vertragspartner der Leasinggesellschaft die Rede ist.
Die Gründe, aus denen die belangte Behörde von einer solchen Betrachtungsweise absah, halten der auf eine Schlüssigkeitsprüfung beschränkten nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof jedoch stand. Wenn die belangte Behörde aus den von ihr dargelegten Umständen, wie insbesondere der Weiterleitung der Erlöse in den Verfügungsbereich der Leasingnehmerinnen und dem Fehlen jedweder Hinweise auf einen tatsächlichen Einsatz der angeblich gelieferten teuren Waren den Schluss gezogen hat, diese Lieferungen hätten nicht stattgefunden, so verstieß sie damit nicht gegen Denkgesetze.
Zu prüfen bleibt daher nur, ob die Beschwerdeführerin auch ausgehend von den Feststellungen der belangten Behörde zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, wie sie unter Hinweis auf die anstelle der fakturierten Produkte nach Ansicht der belangten Behörde allenfalls gelieferten Güter, auf den von der Leasinggesellschaft erworbenen Anspruch auf Lieferung vertragskonformer Waren und auf die Gutgläubigkeit der Leasinggesellschaft geltend macht. Ausgehend von den Feststellungen der belangten Behörde ist die Berechtigung zum Vorsteuerabzug jedoch zu verneinen, weil danach - soweit überhaupt - nur vergleichsweise geringwertige Güter geliefert wurden und es somit an der Übereinstimmung zwischen Rechnung und gelieferter Ware fehlt. Die Gutgläubigkeit des Leistungsempfängers ist in einem solchen Fall ohne Bedeutung, woran auch die zu anders gelagerten Fallkonstellationen ergangenen Entscheidungen des EuGH, von denen die Beschwerdeführerin mit ihrem ergänzenden Schriftsatz eine vorgelegt hat, nichts ändern (vgl. zuletzt etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2003/15/0015, und vom , 2006/13/0143). Anzahlungen im Sinne des § 12 Abs. 1 Z 1 zweiter Satz UStG 1994 liegen nicht vor (vgl. in dieser Hinsicht etwa das Erkenntnis vom , 96/15/0228).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am