VwGH vom 15.12.2010, 2005/13/0122
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart in 7400 Oberwart, Prinz-Eugenstraße 3, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/1278-W/03, betreffend Körperschaftsteuer 2001 (mitbeteiligte Partei: F GmbH in H), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Die mitbeteiligte GmbH teilte dem Finanzamt mit Schreiben vom mit, ihr Unternehmen sei seit Mitte 2000 stillgelegt. Es sei beabsichtigt, unter Ausschaltung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens einen Kompromiss mit den Gläubigern zu finden und die Gesellschaft danach zu liquidieren. Umsatzsteuervoranmeldungen würden daher nicht mehr abgegeben.
In der Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2001 führte die Mitbeteiligte einen "Sanierungsgewinn" und einen den Gewinn weit übersteigenden Gesamtverlustvortrag an.
Das Finanzamt berücksichtigte im Bescheid über die Körperschaftsteuer 2001 nur unter dem Gesamtbetrag der Einkünfte liegende Verluste aus den vorangegangenen Jahren und stützte sich dabei auf § 2 Abs. 2b Z 2 EStG 1988.
In ihrer Berufung dagegen führte die Mitbeteiligte aus, der Gewinn des Jahres 2001 stamme aus den außergerichtlichen Nachlässen von Banken im Zusammenhang mit der beabsichtigten Liquidation des Unternehmens. Der vom Finanzamt vorgenommenen Kürzung der Verlustvorträge stehe § 2 Abs. 2b Z 3 EStG 1988 entgegen. Es liege keine Sanierung im klassischen Sinn vor, weil die Nachlässe nicht zum Zwecke der Betriebsfortführung, sondern zur Ermöglichung der Liquidation des überschuldeten Unternehmens gewährt worden seien. Die Nachlässe seien unter "Liquidationsgewinn" zu subsumieren.
Nach einer abweisenden Berufungsvorentscheidung führte die Mitbeteiligte im Antrag auf Vorlage der Berufung und in Ergänzungen dieses Antrages aus, sie habe schon Anfang 2000 ihre Beteiligung am Wirtschaftsverkehr eingestellt und die Auflösung und Liquidation beschlossen, ohne dies beim Firmenbuch anzumelden, weil statt eines Insolvenzverfahrens, das dadurch ausgelöst worden wäre, eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern angestrebt worden sei. Dies sei auch auf näher dargestellte Weise im Wesentlichen gelungen. Nach nunmehriger Ansicht der Mitbeteiligten liege eine Liquidation im Sinne des § 19 KStG 1988 vor. Davon unabhängig werde aber geltend gemacht, dass die Verlustvorträge bei Aufrechterhaltung der vom Finanzamt vorgenommenen Kürzung endgültig verloren wären, was nicht den Intentionen des Gesetzgebers entspräche.
Bei einer Erörterung der Sach- und Rechtslage gemäß § 279 Abs. 3 BAO erläuterte die Mitbeteiligte die wirtschaftlichen Hintergründe für den Entschluss des geschäftsführenden Gesellschafters, "die Firma aufzulösen", und die Vorgangsweise bei der Verwertung u.a. des Betriebsgebäudes. Abgesehen vom Finanzamt seien mit allen Gläubigern Lösungen gefunden worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung im Ergebnis Folge, indem sie die vom Finanzamt herangezogene Begrenzung der Berücksichtigung von Verlusten nicht anwendete. Die belangte Behörde führte dazu aus, es liege kein Sanierungsgewinn vor, weil weder eine Sanierungsabsicht noch eine Sanierungsfähigkeit erkennbar seien. Auch ein Veräußerungs- oder Aufgabegewinn liege nicht vor, weil eine Betriebsveräußerung nicht erfolgt sei und es hinsichtlich einer Betriebsaufgabe an dem in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dafür geforderten einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang innerhalb eines kurzen Zeitraumes fehle. Der Zeitraum betrage im gegenständlichen Fall "offenbar mehrere Jahre". Schließlich sei die belangte Behörde - wie das Finanzamt - auch der Ansicht, es liege keine Liquidation im Sinne des § 19 KStG vor. Angesichts der reichlich unbestimmten und zum Teil widersprüchlichen Angaben der Mitbeteiligten sei nicht feststellbar, dass und wann der Gesellschafter-Geschäftsführer einen "Auflösungsbeschluss" gefasst habe. Dass er bei seinem Vorgehen eine Auflösung angestrebt haben möge, sei kein Ersatz für einen konkreten Auflösungsbeschluss. Die Textierung des Schreibens vom deute darauf hin, dass ein solcher Beschluss erst nach Lösung der Finanzprobleme und somit nach dem Berufungszeitraum gefasst werden sollte.
Die belangte Behörde sei im Gegensatz zum Finanzamt aber nicht der Ansicht, dass die in § 2 Abs. 2b Z 3 EStG 1988 idF des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, normierte Ausnahme von der Begrenzung der Berücksichtigung von Verlusten, soweit sie sich auf "Liquidationsgewinne" beziehe, nur in Fällen des § 19 KStG 1988 anwendbar sei. Es handle sich um atypische Gewinne am Ende der unternehmerischen Betätigung, die nach dem in einem vergleichbaren Zusammenhang ergangenen Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 294/00, VfSlg 15.884, als "Veräußerungs-, Aufgabe- oder Liquidationsgewinn" anzusehen seien. In einer internen Besprechungsunterlage habe auch das Finanzamt gemeint, dieses Erkenntnis spreche für die Mitbeteiligte, es sei gegenüber dieser "älteren" Judikatur aber letztlich einer Literaturmeinung gefolgt, wonach als Liquidationsgewinne im Sinne der zitierten Ausnahmebestimmung nur solche gemäß § 19 KStG 1988 anzusehen seien. Die belangte Behörde folge der detailliert begründeten Ansicht des Verfassungsgerichtshofes, der keine "jüngere" Judikatur entgegenstehe. Aus dem Vorbringen und der Aktenlage ergebe sich mit hinreichender Sicherheit, dass die Mitbeteiligte ihre werbende Tätigkeit vor den Schuldnachlässen eingestellt habe, und es sei unstrittig, dass die Schuldnachlässe im Zusammenhang mit der Beendigung der unternehmerischen Tätigkeit stünden. Der Berufung sei daher im Ergebnis stattzugeben.
Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde. Sie vertritt den Standpunkt, Liquidationsgewinne im Sinne der von der belangten Behörde angewendeten Vorschrift seien nur solche im Sinne des § 19 KStG 1988, weshalb die Ausnahme von der Verlustverrechnungsbegrenzung atypische, aus Schuldnachlässen resultierende Gewinne nach Einstellung der werbenden Tätigkeit (Gewinne aus einer "gewöhnlichen" bzw. "stillen" Liquidation) der Kapitalgesellschaft, die nicht als Liquidationsgewinne im Sinne des § 19 KStG 1988 anzusehen seien, nicht betreffe.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Akten vorgelegt. Die mitbeteiligte Partei hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Entscheidungsmaßgeblich ist im vorliegenden Fall § 2 Abs. 2b Z 3 EStG 1988 idF des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, nach der die strittige Begrenzung der Berücksichtigung von Verlusten nicht anzuwenden war, insoweit
"Sanierungsgewinne, das sind Gewinne, die ... oder
Veräußerungsgewinne und Aufgabegewinne, das sind ..., weiters Liquidationsgewinne" vorlagen. Die Bestimmung wurde in der Folge wiederholt umgestaltet, wobei zunächst im Budgetbegleitgesetz 2003 in Bezug auf Sanierungsgewinne die eigenständige Definition durch eine Verweisung auf eine Bestimmung in demselben Gesetz (§ 36 Abs. 1) ersetzt wurde (BGBl. I Nr. 71/2003). Im Zuge einer weiteren, größeren Umgestaltung durch das AbgÄG 2005 wurde dies wieder rückgängig gemacht und in Bezug auf Liquidationsgewinne eine Verweisung auf § 19 KStG 1988 eingefügt (BGBl. I Nr. 161/2005).
Der belangten Behörde ist beizupflichten, wenn sie in ihrer Gegenschrift ausführt, im Kontext eigenständiger Definitionen der "Sanierungsgewinne" sowie der "Veräußerungsgewinne und Aufgabegewinne" in der auszulegenden Bestimmung sei ein Verständnis des Begriffs "Liquidationsgewinne" im Sinne der Regelungen des § 19 KStG 1988 nicht zwingend vorgegeben und eine Interpretation nach Maßgabe des Zwecks der Norm angebracht gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch die Ansicht der belangten Behörde, dass das Gesetz nicht auf die Absicht des Gesetzgebers schließen ließ, die Berücksichtigung von Verlusten früherer Jahre in Fällen, in denen die Gewinne eines Jahres aus Forderungsverzichten von Gläubigern im Zusammenhang mit der Einstellung der unternehmerischen Tätigkeit resultieren, endgültig zu schmälern. Der sachliche Zusammenhang des aus einer Anwendung der Begrenzung in einem solchen Fall resultierenden Nachteils mit der Entstehung der zu besteuernden Gewinne legt es unter Wertungsgesichtspunkten, wie sie auch in dem von der belangten Behörde zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes zum Ausdruck kommen, nahe, den Gewinn in einem Fall wie dem vorliegenden einem "Veräußerungs-, Aufgabe- oder Liquidationsgewinn" gleichzuhalten, zumal in der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2001, BGBl. I Nr. 142/2000, mit dem die Betragsbegrenzungen eingeführt wurden, davon die Rede war, dass die vorerst nicht verrechenbaren Beträge nicht verloren gehen würden (311 BlgNR XXI. GP).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am