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VwGH vom 23.01.2012, 2010/10/0100

VwGH vom 23.01.2012, 2010/10/0100

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des DC in Wien, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-SOZ/53/1051/2010-3, betreffend Nachsicht von der Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach dem Wiener Pflegegeldgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 57,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom wurde dem Beschwerdeführer die Nachsicht vom Erfordernis der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 3 Abs. 4 Wiener Pflegegeldgesetz nicht erteilt. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei Asylwerber und falle in den Anwendungsbereich des Wiener Grundversorgungsgesetzes. Nach § 3 Abs. 1 Z. 7 dieses Gesetzes umfasse die Grundversorgung auch Maßnahmen für pflegebedürftige Personen. Hiefür seien, wie Erhebungen der Berufungsbehörde ergeben hätten, (nur) die stationäre Betreuung bei entsprechendem Bedarf vorgesehen, nicht jedoch andere Pflegeleistungen oder finanzielle Zuwendungen für nicht der stationären Pflege bedürftige Personen. Dieses eingeschränkte Leistungsangebot könne allerdings nicht als Umstand angesehen werden, der zum Vorliegen einer sozialen Härte iSd Wiener Pflegegeldgesetzes führe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens mit dem Antrag auf Kostenersatz vor, sah im Übrigen aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Pflegegeldgesetzes, LGBl. Nr. 42/1993 idF LGBl. Nr. 53/2008, (WPGG) lauten auszugsweise wie folgt:

"Zweck des Pflegegeldes

§ 1. Das Pflegegeld hat den Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten, um pflegebedürftigen Personen soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen.

...

Personenkreis

§ 3. (1) Voraussetzung für die Leistung eines Pflegegeldes nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Gesetzes ist, dass der Anspruchswerber

1. die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt,

...

(3) Den österreichischen Staatsbürgern sind gleichgestellt:

1. Fremde, insoweit sich eine Gleichstellung aus Staatsverträgen ergibt, oder

2. Fremde, wenn mit ihrem Heimatstaat auf Grund tatsächlicher Übung Gegenseitigkeit besteht, insoweit sie dadurch nicht besser gestellt sind als Staatsbürger in dem betreffenden Staat, oder

3. Fremde, denen gemäß § 7 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 76/1997, Asyl gewährt wurde, oder

4. Fremde, die durch das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum begünstigt sind.

(4) Die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 kann nachgesehen werden, wenn das auf Grund der persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Fremden zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten erscheint. …."

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Wiener Grundversorgungsgesetzes, LGBl. Nr. 46/2004, (WGVG) lauten auszugsweise wie folgt:

"§ 1. (1) Leistungen nach diesem Gesetz werden an hilfs- und schutzbedürftige Fremde erbracht.

(2) Hilfsbedürftig ist, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht oder nicht ausreichend von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.

(3) Schutzbedürftig sind:

1. Fremde, die nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 - AsylG), BGBl. I Nr. 76, einen Asylantrag gestellt haben (Asylwerber) bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens,

...

§ 2. (1) Leistungen der Grundversorgung nach diesem Gesetz können einem hilfs- und schutzbedürftigen Fremden gewährt werden, der seinen Hauptwohnsitz oder mangels eines solchen seinen Aufenthalt in Wien hat.

...

§ 3. (1) Die Grundversorgung umfasst:

...

7. Maßnahmen für pflegebedürftige Personen,

..."

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, der Beschwerdeführer habe im Rahmen der Grundversorgung nach dem WGVG Anspruch auf die erforderlichen Pflegemaßnahmen. Ein Fall sozialer Härte im Sinne des § 3 Abs. 4 WPGG liege daher nicht vor.

Der Beschwerdeführer wendet ein, dass mit den "Maßnahmen für pflegebedürftige Personen" iSd § 3 Abs. 1 Z. 7 WGVG nur die Unterbringung pflegebedürftiger Asylwerber in einem Pflegeheim gemeint sei. Keinesfalls habe der Wiener Landesgesetzgeber damit den Bezug von Pflegegeld für Personen ausschließen wollen, die Anspruch auf Grundversorgung nach dem WGVG haben. Die Frage des Vorliegens einer sozialen Härte im Sinne des § 3 Abs. 4 WPGG sei anhand der persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse des Pflegebedürftigen zu beurteilen. Die schwere Behinderung des Beschwerdeführers scheine außer Streit zu stehen, zumal eine amtsärztliche Begutachtung - in Ergänzung zu den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen - nicht veranlasst worden sei. Daraus ergebe sich aber schlüssig der Bedarf des Beschwerdeführers nach zusätzlichen Förderstunden bzw. einer stundenweisen Betreuung durch fachlich versiertes Personal zur Entlastung seiner schon überforderten Mutter. Dieser Aufwand könne jedoch mit dem zur Verfügung stehenden Essens- und Taschengeld nicht finanziert werden. Der Beschwerdeführer erhalte daher entgegen den Zielsetzungen des Pflegegeldgesetzes nicht die erforderliche Pflege.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:

Voraussetzung für die Gewährung eines Pflegegeldes ist gemäß § 3 Abs. 1 lit. a WPGG, dass der Anspruchswerber die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Der Beschwerdeführer ist weder österreichischer Staatsbürger, noch nach § 3 Abs. 3 WPGG österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt.

Die Voraussetzung der österreichischen Staatsbürgerschaft kann allerdings gemäß § 3 Abs. 4 WPGG nachgesehen werden, wenn das auf Grund der persönlichen, familiären oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Fremden zur Vermeidung einer sozialen Härte geboten erscheint. Nach der hg. Judikatur (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/10/0334, und die dort zitierte Vorjudikatur), ist unter Bedachtnahme auf den Zweck des Pflegegeldes (§ 1 WPGG) eine soziale Härte iSd Gesetzes dann anzunehmen, wenn der durch das Fehlen der österreichischen Staatsbürgerschaft bedingte Mangel eines Pflegegeldanspruches dazu führen würde, dass der Pflegebedürftige mangels finanzieller Deckung des Pflegemehraufwandes die erforderliche Pflege nicht oder nicht im entsprechenden Umfang erhalten könnte. Diese Beurteilung ist anhand der persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse des (fremden) Anspruchswerbers vorzunehmen, wobei es entscheidend auf die Gesamtbeurteilung der erwähnten Verhältnisse ankommt (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis vom und die dort zitierte Vorjudikatur).

Der Beschwerdeführer hat unbestrittenermaßen Anspruch auf Grundversorgung nach dem WGVG, und damit nach Maßgabe seines Pflegebedarfes auch auf "Maßnahmen für pflegebedürftige Personen" gemäß § 3 Abs. 1 Z. 7 WGVG. Hat der Beschwerdeführer aber Anspruch auf notwendige Pflegemaßnahmen, so liegt schon aus diesem Grund und ohne dass hier auf die Frage einzugehen ist, welche Maßnahmen in diesem Rahmen im Einzelnen in Betracht kommen, kein Fall "sozialer Härte" iSd § 3 Abs. 4 WPGG vor. Ein solcher ist nämlich - wie dargelegt - dadurch gekennzeichnet, dass es dem Pflegebedürftigen (mangels finanzieller Mittel) unmöglich ist, die erforderliche Pflege zu erhalten. Gerade dies trifft aber auf den Beschwerdeführer, der im Rahmen der Grundversorgung nach dem WGVG Anspruch auf notwendige Pflegemaßnahmen hat, nicht zu. Die belangte Behörde hat das Vorliegen einer sozialen Härte iSd § 3 Abs. 4 WPGG daher zu Recht verneint.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Fundstelle(n):
LAAAE-76342