VwGH vom 27.01.2011, 2010/10/0098
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des KG in L, vertreten durch Dr. Christian Tschiderer, Rechtsanwalt in 6600 Reutte, Mühler Straße 12/3, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Va-459-36745/1/26, betreffend Kostenübernahme für Rehabilitationsmaßnahmen, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom hat die Tiroler Landesregierung den Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenübernahme für den Besuch einer bestimmt genannten Tagesstätte gemäß § 2 Tiroler Rehabilitationsgesetz, LGBl. Nr. 58/1983 (TRG), abgewiesen.
Zur Begründung führte die belangte Behörde aus, der medizinische Sachverständige habe auf Grund der beigebrachten medizinischen Unterlagen "festgestellt", dass keine Behinderung des Beschwerdeführers im Sinn des TRG vorliege. Grundvoraussetzung für die Gewährung von Rehabilitationsmaßnahmen sei jedoch gemäß § 2 TRG das Vorliegen einer Behinderung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt zusammengefasst vor, dass er eine Reihe von medizinischen Unterlagen, insbesondere die Stellungnahme der Innsbrucker Universitätsklinik für Neurochirurgie vom , vorgelegt habe, aus denen sich seine Behinderung im Sinn von § 2 TRG ergebe. Damit habe sich die belangte Behörde nicht inhaltlich auseinandergesetzt. Die bloße Bekanntgabe des Ergebnisses der Überlegungen des beigezogenen Sachverständigen reichten für eine Prüfung der Schlüssigkeit nicht aus.
Gemäß § 2 TRG sind Behinderte im Sinne dieses Gesetzes Personen, die wegen eines physischen oder psychischen Leidens oder Gebrechens in ihrer Fähigkeit dauernd wesentlich beeinträchtigt sind, ein selbständiges Leben in der Gesellschaft zu führen, insbesondere eine angemessene Erziehung, Schulbildung oder Berufsausbildung zu erhalten oder eine ihnen auf Grund ihrer Schul- und Berufsausbildung zumutbare Beschäftigung zu erlangen oder zu behalten.
Nach der Aktenlage hat der Beschwerdeführer am einen Antrag auf Gewährung der Rehabilitationsmaßnahme der Beschäftigungstherapie gestellt. Im Zuge des über diesen Antrag geführten Verwaltungsverfahrens hat er mehrere Befundberichte und medizinische Stellungnahmen, darunter die in der Beschwerde erwähnte Stellungnahme der Universitätsklinik für Neurochirurgie Innsbruck vom sowie den am vom Bundessozialamt ausgestellten Behindertenpass mit einem ausgewiesenen Grad der Behinderung von 100 % vorgelegt.
Dazu findet sich im Verwaltungsakt ein handschriftlicher Aktenvermerk vom mit folgendem Inhalt:
"Dr. (S.) hat auf Befragen mitgeteilt, dass es sich um eine erworbene Behinderung handelt. Die Zuständigkeit zur Bezahlung von Therapien liegt daher bei der Krankenkasse. Kognitive Fähigkeiten bestens erhalten."
Die amtsärztliche Stellungnahme vom hat
folgenden Inhalt:
"Die nun vorliegenden Befunde wurden geprüft.
Es handelt sich um eine erworbene Behinderung (Z.n.
Gehirntumor, Hemiparese links).
Auf Grund der Befundlage kann die Maßnahme (Besuch der
Werkstätte LH) derzeit nicht befürwortet werden.
Eine psychologische Diagnostik zur kognitiven Verfassung ist
unabdingbar. Außerdem sollte die neurochirurgische Kontrolle am abgewartet werden, der neurochirurgische Befund sowie das Ergebnis der MRT-Kontrolle sind zusammen mit der Psychodiagnostik vorzulegen."
Schließlich ist in der amtsärztlichen Stellungnahme vom festgehalten:
"Die nun vorliegenden Befunde wurden geprüft.
Auf die Stellungnahme vom wird verwiesen.
Durch die ergänzten Befunde ist eine zusätzliche Behinderungskomponente nicht abzuleiten (z.B. geistige Behinderung).
Der Klient benötigt ohne Zweifel eine Beschäftigung, er gehört aber nicht zur Zielgruppe der Lebenshilfe."
Die belangte Behörde traf keine Feststellungen, auf deren Grundlage die Frage nach dem Vorliegen einer Behinderung iSd § 2 TRG beurteilt werden könnte. Sie stützte ihre Ansicht, der Beschwerdeführer sei nicht behindert im Sinn von § 2 TRG, ausschließlich darauf, dass dies der medizinische Sachverständige auf Grundlage der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen "festgestellt" habe. Die Erwägungen des Sachverständigen, aus welchen Gründen der durch die vorgelegten Unterlagen dokumentierte Sachverhalt keine Grundlage für die Feststellung einer Behinderung bildet, sind aus dem angefochtenen Bescheid in keiner Weise - und im Übrigen aus den zitierten amtsärztlichen Stellungnahmen nur in rudimentärer Form - ersichtlich. Aus diesem Grund ist der Verwaltungsgerichtshof nicht in der Lage, die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Einschätzung des Sachverständigen auf ihre Schlüssigkeit und daher den angefochtenen Bescheid auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Soweit die belangte Behörde in der Gegenschrift - in der sie im Übrigen selbst vorbringt, dass der Beschwerdeführer behindert sei - behauptet, die vom Beschwerdeführer beantragten Maßnahmen seien nicht nach dem TRG, sondern entweder im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung oder als Maßnahme der Grundsicherung zu gewähren, sodass die Anspruchsvoraussetzung gemäß § 3 Abs. 1 lit. e TRG (fehlende Möglichkeit, nach anderen Rechtsvorschriften ähnliche oder gleichartige Leistungen zu erhalten) nicht vorliege, ist ihr Vorbringen schon deshalb nicht zielführend, weil Ausführungen in der Gegenschrift dem angefochtenen Bescheid anhaftende Begründungsmängel nicht zu sanieren vermögen (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur etwa die Erkenntnisse vom , Zl. 2000/06/0206, und vom , Zl. 2005/12/0224). Im Übrigen wird mit diesem Vorbringen nicht konkret dargetan, dass und aus welchen Gründen der Beschwerdeführer eine Möglichkeit habe, nach anderen Rechtsvorschriften ähnliche oder gleichartige Leistungen zu erhalten.
Daher war der angefochtene Bescheid auf Grund des aufgezeigten Begründungsmangels gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den § 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
KAAAE-76338