VwGH vom 15.05.2012, 2012/18/0045

VwGH vom 15.05.2012, 2012/18/0045

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des ES in H, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gahleithner Partner OG in 1010 Wien, Schottengasse 7/6, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom , Zl. E1/4779/2010, betreffend Versagung eines Konventionsreisepasses, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des staatenlosen Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) ab.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dem Beschwerdeführer sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom gemäß § 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997 durch Erstreckung Asyl gewährt worden.

Am habe er einen Antrag auf Ausstellung eines weiteren Konventionsreisepasses - die Gültigkeitsdauer seines bisherigen Passes, den er überdies als verloren gemeldet habe, sei abgelaufen - gestellt.

Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom wegen des Vergehens nach § 28 Abs. 1 Suchtmittelgesetz, wegen des Vergehens der Weitergabe nachgemachten oder verfälschten Geldes nach § 233 Abs. 1 Z 2 StGB und wegen des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 1 Waffengesetz 1996 zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden. Er sei für schuldig befunden worden, im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den Mittätern S und M nachgemachte 200-Euro-Banknoten als echt ausgegeben zu haben, indem er damit im Zeitraum von September bis November 2003 in insgesamt 63 Fällen bei unterschiedlichen Unternehmen bezahlt habe. Weiters habe er von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt an bis in Bad Vöslau und an anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, und zwar 115,51 g Kokain mit einem Reinsubstanzgehalt von 68 g, mit dem Vorsatz erworben und besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde. Auch habe er ab einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis in Wien und anderen Orten, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt einen Revolver der Marke Röhm, Kal. 66, sohin eine genehmigungspflichtige Schusswaffe, besessen.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom sei der Beschwerdeführer wegen des Finanzvergehens der vorsätzlichen gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit. a und § 38 Abs. 1 lit. a Finanzstrafgesetz (FinStrG) und wegen des Finanzvergehens des vorsätzlichen Eingriffs in Rechte des Tabakmonopols als Beteiligter nach § 11 iVm § 44 Abs. 1 lit. a FinStrG zu einer Geldstrafe von EUR 50.000,-- verurteilt worden. Weiters sei hinsichtlich nicht sichergestellter geschmuggelter Zigaretten im Ausmaß von 1.750 Stangen auf einen anteiligen Wertersatz in der Höhe von EUR 19.833,-- erkannt worden. Diesem Urteil sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit den Mittätern M und K zu nicht mehr feststellbaren Zeiten im Zeitraum Juli 2005 bis Mitte Juni 2006 im Zollgebiet der Europäischen Union vorsätzlich und gewerbsmäßig, also in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung derartiger Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Zigaretten verschiedener Marken, insgesamt 1.750 Stangen, hinsichtlich derer zuvor von unbekannt gebliebenen Tätern die Finanzvergehen des Schmuggels und des vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Tabakmonopols begangen worden seien, an sich gebracht und die geschmuggelten Zigaretten an- und weiterverkauft habe. Des Weiteren habe er in mehreren Tathandlungen gemeinsam mit den Mittätern, indem er den unbekannt gebliebenen Schmugglern Zigaretten verschiedener Marken abgekauft habe, zur Ausführung der strafbaren Handlungen der unbekannt gebliebenen Täter beigetragen. Diese unbekannten Täter hätten in mehreren Angriffen in Monopolrechte eingegriffen, weil sie zu ihrem Vorteil die in den Vorschriften über das Tabakmonopol enthaltenen Verbote des Handels mit Monopolgegenständen verletzt hätten, indem die zuvor genannten Zigaretten gewinnbringend in Verkehr gebracht worden seien.

Darüber hinaus weise der Beschwerdeführer auch noch - beginnend ab dem Jahr 1997 - sechs weitere Verurteilungen auf, die zwar für die Versagung des Konventionsreisepasses "nicht einschlägig" seien. Gemeinsam mit den zuvor angeführten Verurteilungen lasse dies aber auf eine "große kriminelle Energie" des Beschwerdeführers schließen. Den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge handelte es sich dabei um Verurteilungen wegen gefährlicher Drohung, Körperverletzung, versuchten und (vollendeten) gewerbsmäßigen Diebstahls, Nötigung, unerlaubten Waffenbesitzes sowie Verletzung der Unterhaltspflicht, wobei diverse Taten (Diebstahl, Körperverletzung, gefährliche Drohung und Nötigung) vom Beschwerdeführer wiederholt begangen wurden.

Es sei im Hinblick auf die Feststellungen - so die belangte Behörde in ihrer rechtlichen Beurteilung - zu prüfen, ob vom Beschwerdeführer eine Gefahr im Sinn des § 92 Abs. 1 Z 2 FPG ausgehe. Im Mittelpunkt dieser Beurteilung stehe für die belangte Behörde die Verurteilung nach dem FinStrG. Es sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer seine Handlungen in der Absicht begangen habe, sich durch den wiederkehrenden Verkauf geschmuggelter Zigaretten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Es sei sohin die Annahme einer hohen Wiederholungsgefahr gerechtfertigt. Auch könne daraus eine "Gleichgültigkeit gegenüber zollrechtlichen Vorschriften" abgeleitet werden. Es bestehe sohin auch berechtigter Grund zur Annahme, der Beschwerdeführer könnte einen für ihn ausgestellten Konventionsreisepass zum Zweck der Übertretung von Zollvorschriften verwenden, und zwar ungeachtet dessen, dass er den zuletzt ausgestellten Reisepass bei seinen Tathandlungen nicht benutzt habe.

In Anbetracht des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, insbesondere der gewerbsmäßigen Tatbegehungen, sei der seit der Begehung der Straftaten verstrichene Zeitraum zu kurz, um eine "positive Zukunftsprognose erstellen zu können". Dies gelte umso mehr, als die Zeiten der Haft bei der Beurteilung des Wohlverhaltens außer Betracht zu bleiben hätten.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 94 Abs. 1 FPG sind Konventionsreisepässe Fremden, denen in Österreich der Status des Asylberechtigten zukommt, auf Antrag auszustellen.

Nach § 94 Abs. 5 FPG gelten für die Festsetzung der Gültigkeitsdauer und des Geltungsbereichs von Konventionsreisepässen sowie der Gültigkeitsdauer der Rückkehrberechtigung in Konventionsreisepässen die Bestimmungen des Anhanges der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge; im Übrigen gelten die §§ 88 Abs. 4 sowie 89 bis 93.

Gemäß dem hier von der belangten Behörde zur Antragsversagung herangezogenen § 92 Abs. 1 Z 2 FPG, auf den § 94 Abs. 5 FPG verweist, ist die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde das Dokument benützen will, um Zollvorschriften zu übertreten.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Ausführungen der belangten Behörde zu seinen Verurteilungen und den diesen zu Grunde liegenden Handlungen. Er bringt allerdings vor, die gegen ihn erfolgte Verurteilung nach dem FinStrG könne die Prognose der belangten Behörde nicht stützen. Es lägen keine einschlägigen Tathandlungen vor, er habe nicht selbst Zigaretten geschmuggelt. Für die von ihm begangene Tat des Verkaufs der geschmuggelten Zigaretten sei die Verwendung eines Passes nicht notwendig gewesen.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Zunächst ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers entgegen zu halten, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründung der Prognose einer Gefährdung im Sinn des § 92 Abs. 1 FPG nicht Voraussetzung ist, dass der betreffende Fremde tatsächlich schon einmal ein Reisedokument für den verpönten Zweck benützt hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0243).

Auch setzt die Prognosebeurteilung, ob eine der in § 92 Abs. 1 FPG genannten Handlungen begangen werden könnte, nicht voraus, dass tatsächlich bereits Übertretungen der dort genannten Vorschriften erfolgt sind. Vielmehr ist es nach dem Wortlaut dieser Bestimmung hinreichend, dass bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde - bezogen auf den hier relevanten Tatbestand des § 92 Abs. 1 Z 2 FPG - das Dokument benützen will, um Zollvorschriften zu übertreten. In Anbetracht des von der belangten Behörde festgestellten - und vom Beschwerdeführer auch nicht in Abrede gestellten - Fehlverhaltens des Beschwerdeführers kann aber ihre Beurteilung, diese Annahme sei im vorliegenden Fall gerechtfertigt, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Die belangte Behörde hat zutreffend im Hinblick auf die zahlreichen rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers und unter Bedachtnahme darauf, dass er bereits wiederholt Straftaten in einschlägiger Weise gesetzt hat, darauf hingewiesen, dass im Fall des Beschwerdeführers vom Vorhandensein einer großen "kriminellen Energie", fallbezogen also von einer als hoch anzusetzenden Gefahr, er werde wieder straffällig werden, auszugehen sei. In nicht zu beanstandender Weise hat die belangte Behörde aus jenen Tathandlungen, die der Verurteilung vom zu Grunde lagen, geschlossen, dass die begründete Befürchtung besteht, er könnte künftig ein Reisedokument benutzen, um auch selbst in Form des Schmuggels von Zigaretten tätig zu sein; waren doch die Handlungen des Beschwerdeführers - wenngleich er dadurch selbst noch keine zollrechtlichen Vorschriften verletzt hat - auch ursächlich dafür, dass Zigaretten in erheblichem Ausmaß in das Zollgebiet der Europäischen Union geschmuggelt wurden. Zudem hat der Beschwerdeführer seine Taten in gewerbsmäßiger Absicht begangen. Es kann somit der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers offenbare in Verbindung mit seiner "kriminellen Energie" eine Persönlichkeitsstruktur, wonach die Annahme nach § 92 Abs. 1 Z 2 FPG als gerechtfertigt zu erachten sei (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation das zum - einen gleichartigen Versagungsgrund enthaltenden - PassG ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/18/0167). Evident ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein Reisedokument den Schmuggel von Zigaretten jedenfalls erleichtern würde (vgl. insoweit bezugnehmend auf den grenzüberschreitenden Handel mit Suchtgift das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0340, mwN).

Da somit die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am