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VwGH vom 21.09.2005, 2005/13/0088

VwGH vom 21.09.2005, 2005/13/0088

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel LL.M., über die Beschwerde des BO in W, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom , Zl. FSRV/0011-W/05, betreffend Strafaufschub, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Wie sich den Beschwerdeschriften und der ihnen angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides entnehmen lässt, wurde der Beschwerdeführer mit Erkenntnis des Spruchsenates vom der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG und der Finanzordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 lit. a FinStrG für schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 460.000,-- verhängt, im Falle deren Uneinbringlichkeit vom Spruchsenat eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten ausgesprochen wurde. Mangels Entrichtung der Geldstrafe wurde der Beschwerdeführer am zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe aufgefordert. Nach Zusagen des Beschwerdeführers über die Abstattung der offenen Geldstrafe kam es am und am zu Zahlungen von jeweils S 10.000,-- , denen keine weiteren Einzahlungen mehr folgten, worauf der Beschwerdeführer am neuerlich zum Strafantritt aufgefordert und am seine Vorführung zum Strafantritt verfügt wurde. Nachdem der Beschwerdeführer neuerlich Ratenzahlung angeboten, diese aber wiederum nicht eingehalten hatte, wurde am erneut seine Vorführung zum Strafantritt erlassen, zu welchem es am auch tatsächlich kam. Nachdem der Beschwerdeführer auf Grund einer - später abweisend erledigten - Maßnahmenbeschwerde gegen seine Verhaftung und eines - später abweisend erledigten - Gnadenansuchens am wieder enthaftet worden war, erfolgte am neuerlich eine Aufforderung des Beschwerdeführers zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe, auf welche der Beschwerdeführer mit einem Antrag auf Strafaufschub bis reagierte, den er damit begründete, während der Weihnachtsfeiertage ausreichend Zeit für die Verbüßung der Strafe zu haben. Nach Genehmigung dieses Strafaufschubes und Festsetzung des neuen Termins für den Strafantritt mit dem überreichte der Beschwerdeführer am einen Antrag auf Strafaufschub für die Dauer von achtzehn Monaten, den er damit begründete, dass Art. 65 des Budgetbegleitgesetzes 2003 einen solchen Aufschub gesetzlich vorsähe.

Dieser Antrag des Beschwerdeführers wurde vom Finanzamt mit Bescheid vom mit der Begründung abgewiesen, dass dem Beschwerdeführer schon zuvor Strafaufschub gewährt worden sei und dass sich Art. 65 Budgetbegleitgesetz 2003 nur auf Freiheitsstrafen beziehe, die von den Gerichten verhängt worden seien, und im Bereiche des verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens nicht Anwendung finde. Aufschiebungsgründe im Sinne der Bestimmung des § 177 Abs. 1 FinStrG seien vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht worden.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Administrativbeschwerde trug der Beschwerdeführer vor, dass die Bezugnahme auf das Strafvollzugsgesetz und damit auf vom Gericht verhängte Freiheitsstrafen in Art. 65 des Budgetbegleitgesetzes 2003 hinsichtlich verwaltungsbehördlich verhängter Freiheitsstrafen eine Gesetzeslücke offenbare, welche von der Behörde dahin zu schließen sei, dass die Gesetzesvorschrift des Art. 65 des Budgetbegleitgesetzes 2003 "im Sinne des im Gemeinschaftsrecht verankerten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit" auch auf den Beschwerdeführer angewendet werde. Der Beschwerdeführer sei als Lastkraftwagenchauffeur bei der seinen Namen tragenden KEG berufstätig, bei welcher er auch Kommanditist sei. Es träfen ihn Sorgepflichten für eine unselbständig erwerbstätige Ehefrau und minderjährige Kinder. Durch einen Strafaufschub würde nicht nur der Fortbestand der durch Insolvenzen von Partnerfirmen geschwächten KEG erleichtert, sondern auch die Chance vergrößert, die aushaftende Geldstrafe in Raten zu begleichen. Auch aus fiskalischer Sicht müsse die Bezahlung der Geldstrafe für den Staat günstiger als der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe angesehen werden. Fiskalische Überlegungen seien auch die Grundlage für den nach Art. 65 Budgetbegleitgesetz 2003 geschaffenen Haftaufschub gewesen, weil die Kapazitäten für einen ordnungsgemäßen Vollzug gefehlt hätten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Administrativbeschwerde als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der maßgebenden Gesetzesbestimmungen führte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, dass die Voraussetzungen für einen Strafaufschub ausschließlich auf der Basis der Bestimmung des § 177 FinStrG zu prüfen seien, weil der Gesetzgeber keine Regelung getroffen habe, dass die Bestimmung des Art. 65 des Budgetbegleitgesetzes 2003 auch auf den Bereich der verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren Anwendung zu finden habe. Triftige Gründe für einen weiteren Strafaufschub lägen nicht vor, auf die Vorteilhaftigkeit des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe in der Zeit nach Weihnachten wegen des geringeren Geschäftsganges im Transportgewerbe zur Winterzeit habe der Beschwerdeführer in seinem vorhergehenden Antrag auf Strafaufschub selbst hingewiesen. Angesichts der letzten Teilzahlung des Beschwerdeführers im Ausmaß von EUR 100,-- vor einem Jahr habe sich an der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe nichts geändert. Ein weiterer Strafaufschub würde nur zu einem Strafantrittsdatum in der für das Transportgewerbe viel umsatzträchtigeren Saison führen und wäre bei Gesamtbetrachtung der Umstände für das weitere Fortkommen des Beschwerdeführers unvorteilhaft.

Die gegen diesen Bescheid zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom , B 430/05, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. Vor diesem Gerichtshof erklärt sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Strafaufschub zufolge des Anwendungsvorranges von Gemeinschaftsrecht gegenüber nationalen Gesetzesbestimmungen als verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes trägt er vor, dass das Unterbleiben einer Erstreckung der Geltung der "Begünstigung" des Art. 65 § 1 des Budgetbegleitgesetzes 2003 auf finanzstrafbehördlich verhängte Ersatzfreiheitsstrafen eine "Ungleichbehandlung" darstelle, mit welcher eine "nach Art. 6 des EU Vertrages in Verbindung mit Art. 39 des EG-Vertrages unzulässige und mich diskriminierende Beschränkung der Freizügigkeit bei meiner Berufsausübung" einträte. Dass der Abgabengläubiger an der Berufsausübung durch den Beschwerdeführer interessiert sein müsste, weil sie ihn in die Lage versetzen würde, die Geldstrafe zu tilgen, müsse doch auf der Hand liegen. "Art. 6 EU" verbiete es, vergleichbare Sachverhalte in unterschiedlicher Weise zu behandeln, ohne dass dies durch objektive Unterschiede von einigem Gewicht gerechtfertigt wäre. Auch eine Diskriminierung "im Sinne des Art. 39 EG" liege vor. "Ein Delinquent, der den Fiskus um mehr als EUR 75.000,-- geschädigt hat, kann von seinem Recht nach Art. 39 EG Gebrauch machen und sich beispielsweise in Irland, wo gute Berufsaussichten bestehen und das Gehaltsniveau nunmehr sehr hoch ist, in den beantragen Monaten des Strafaufschubes jene Geldmittel verdienen, die ich auf diese Weise nicht ins Verdienen bringen kann, weil ich nicht während eines mir zu gewährenden Strafaufschubs von meinem Recht nach Art. 39 EG Gebrauch machen kann, obwohl ich den Fiskus um weniger als EUR 75.000,-- geschädigt habe."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 179 Abs. 1 FinStrG gelten die Bestimmungen für den Vollzug von Freiheitsstrafen auch für den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen.

Ist eine Freiheitsstrafe zu vollziehen, so hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz nach § 175 Abs. 2 den auf freiem Fuß befindlichen rechtskräftig Bestraften schriftlich aufzufordern, die Strafe binnen einem Monat nach der Zustellung der Aufforderung anzutreten. Die Aufforderung hat die Bezeichnung des zuständigen gerichtlichen Gefangenenhauses (§ 9 des Strafvollzugsgesetzes) und die Androhung zu enthalten, dass der Bestrafte im Falle seines Ausbleibens vorgeführt wird. Kommt der Bestrafte dieser Aufforderung nicht nach, so hat ihn die Finanzstrafbehörde durch Anwendung unmittelbaren Zwanges zum Strafantritt vorführen zu lassen; sie ist berechtigt, hiebei die Unterstützung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anspruch zu nehmen.

Nach § 177 Abs. 1 FinStrG kann auf Antrag des Bestraften die Finanzstrafbehörde erster Instanz bei Vorliegen triftiger Gründe den Strafvollzug aufschieben. Triftige Gründe liegen insbesondere dann vor, wenn durch den unverzüglichen Strafantritt der Erwerb des Bestraften oder der Unterhalt seiner schuldlosen Familie gefährdet würde oder wenn der Aufschub zur Ordnung von Familienangelegenheiten dringend geboten ist. Der Aufschub darf das unbedingt notwendige Maß nicht überschreiten, er soll in der Regel nicht mehr als sechs Monate betragen.

Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Bestimmung des § 1 des mit "Vorübergehende Maßnahmen im Bereich des Strafaufschubs" überschriebenen Art. 65 des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, hat folgenden Wortlaut:

"§ 1. (1) Für die Geltungsdauer dieses Gesetzes darf die Einleitung des Vollzuges einer Freiheitsstrafe nach § 6 Abs. 1 Z. 2 lit. a des Strafvollzugsgesetzes für die Dauer von höchstens achtzehn Monaten aufgeschoben werden, wenn das Ausmaß der zu vollziehenden Freiheitsstrafe achtzehn Monate nicht übersteigt.

(2) Liegen zwar die allgemeinen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 des Strafvollzugsgesetzes, aber kein besonderer Grund im Sinne dessen Z. 2 lit. a vor, so ist ein Strafaufschub nach Abs. 1 in der beantragten, achtzehn Monate nicht übersteigenden Dauer zu gewähren, wenn das Ausmaß der zu vollziehenden Freiheitsstrafe


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1.
sechs Monate nicht übersteigt oder
2.
sechs Monate, nicht aber ein Jahr, übersteigt und der Verurteilte zum ersten Mal eine Freiheitsstrafe zu verbüßen hat."
Nach der in der genannten Gesetzesbestimmung angesprochenen Vorschrift des § 6 Abs. 1 Z. 2 lit. a des Strafvollzugsgesetzes ist die Einleitung des Vollzuges einer Freiheitsstrafe aufzuschieben, wenn (so die in der vorgenannten Bestimmung angeführten "allgemeinen Voraussetzungen") der Verurteilte nach der Art und dem Beweggrund der strafbaren Handlung, derentwegen er verurteilt worden ist, und nach seinem Lebenswandel weder für die Sicherheit des Staates, noch für die der Person oder des Eigentums besonders gefährlich ist und auch seine Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme oder entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder für gefährliche Rückfallstäter nicht angeordnet worden ist, auf Antrag des Verurteilten, wenn das Ausmaß der zu vollziehenden Freiheitsstrafe ein Jahr nicht übersteigt, wenn (so der in der vorgenannten Gesetzesbestimmung angesprochene "besondere Grund") der Aufschub für das spätere Fortkommen des Verurteilten, für den Wirtschaftsbetrieb, in dem der Verurteilte tätig ist, für den Unterhalt der ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Personen oder für die Gutmachung des Schadens zweckmäßiger erscheint als der sofortige Vollzug.
In einem an die hier nicht interessierende Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z. 2 lit. b des Strafvollzugsgesetzes anschließenden weiteren Satz dieser Gesetzesvorschrift heißt es, dass der Aufschub jedoch in den Fällen der Z. 2 lit. a nur die Dauer von höchstens einem Jahr gestattet werden darf, gerechnet von dem Tage an, an dem der Verurteilte die Strafe ohne Aufschub hätte antreten müssen.
Der Beschwerdeführer behauptet gar nicht, einen triftigen Grund für den begehrten Strafaufschub im Sinne des § 177 Abs. 1 FinStrG vorgetragen zu haben, und setzt der Beurteilung der belangten Behörde, dass ein triftiger Grund für einen abermaligen Strafaufschub nicht vorliege, auch nichts entgegen, was einen triftigen Grund im Sinne des § 177 Abs. 1 FinStrG verwirklichen könnte. Der Beschwerdeführer bestreitet des Weiteren auch nicht, dass die von ihm ins Treffen geführte Bestimmung des Art. 65 des Budgetbegleitgesetzes 2003 auf den Vollzug der von ihm (mangels Entrichtung der Geldstrafe) zu verbüßenden Ersatzfreiheitsstrafe, die von der Finanzstrafbehörde über ihn verhängt wurde, gar nicht anzuwenden ist. Sein Beschwerdevorbringen, das dem seiner Administrativbeschwerde entspricht, besteht vielmehr in der Behauptung, die Unanwendbarkeit der von ihm ins Treffen geführten Bestimmung des Art. 65 Budgetbegleitgesetz 2003 auf den Fall der von ihm zu verbüßenden Ersatzfreiheitsstrafe begründe einen Verstoß gegen ein von ihm gesehenes Diskriminierungsverbot gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs und einen Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtliche Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit.
Dass die im angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde vorgenommene Anwendung der Gesetzeslage und die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Gesetzeslage dem Gemeinschaftsrecht in der vom Beschwerdeführer behaupteten Weise nicht widerspricht, ist so völlig offensichtlich, dass die vom Beschwerdeführer angeregte Einholung einer Vorabentscheidung nach Art. 234 EG-V nicht in Betracht kommt. Unter dem Aspekt welcher Bestimmung des Gemeinschaftsrechtes dem Beschwerdeführer ein Anspruch darauf zukommen sollte, dass die zum Vollzug gerichtlich festgesetzter Freiheitsstrafen ergangene Anlassgesetzgebung des Art. 65 Budgetbegleitgesetz 2003 auch auf den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen angewendet werden müsse, die von einer Finanzstrafbehörde verhängt wurden, ist schlechterdings unerfindlich (die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Bestimmung des Art. 6 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft handelt von den Erfordernissen des Umweltschutzes). Auch die oben wiedergegebenen Ausführungen der Beschwerde zum Verstoß der von der belangten Behörde angewandten Rechtslage gegen die in Art. 39 EG-V verbürgte Freizügigkeit der Arbeitnehmer entbehren einer tragfähigen Begründung.
Hinzu kommt noch, dass für den Beschwerdeführer nicht einmal im Falle der Anwendbarkeit der Bestimmung des Art. 65 des Budgetbegleitgesetzes 2003 etwas zu gewinnen gewesen wäre. Die dort genannte Frist von achtzehn Monaten, welche nach der darin bezogenen Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 2 StVG von dem Tag an zu berechnen gewesen wäre, an dem der Beschwerdeführer die Strafe ohne Aufschub hätte antreten müssen, wäre angesichts des im angefochtenen Bescheid festgestellten und vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogenen Umstandes, dass er bereits im Juli 2001 zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe aufgefordert worden war, schon zum Zeitpunkt der Überreichung des nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrages auf Strafaufschub am längst abgelaufen gewesen.
Da der Inhalt der Beschwerde somit schon erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer gerügte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Wien, am