VwGH vom 29.11.2011, 2010/10/0060
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des WD in M, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 2/1, gegen den Bescheid des Disziplinarberufungssenates der Österreichischen Apothekerkammer beim Bundesministerium für Gesundheit vom , Zl. D5/2000, betreffend Widerruf der bedingten Nachsicht einer Geldstrafe nach dem Apothekerkammergesetz 2001, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Österreichischen Apothekerkammer Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Disziplinarberufungssenates der Österreichischen Apothekerkammer beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen vom war der Beschwerdeführer des Disziplinarvergehens nach § 39 Abs. 1 Z. 1 und 2 Apothekerkammergesetz 2001 (AKG) schuldig erkannt und gemäß § 41 Abs. 1 Z. 2 AKG zu einer Geldstrafe in der Höhe von drei Gehaltskassenumlagen verurteilt worden, wobei ein Teil der Geldstrafe in der Höhe von zwei Gehaltskassenumlagen unter Setzung einer Bewährungsfrist von drei Jahren bedingt nachgesehen worden war. Begründend war im Wesentlichen ausgeführt worden, der Beschwerdeführer sei zu näheren Zeitpunkten in den Jahren 1998 bis 2001 entgegen den Bestimmungen des § 8 Abs. 5 Apothekengesetz während des Bereitschaftsdienstes zur Abgabe von Arzneimitteln weder selbst anwesend gewesen, noch habe er für eine Abgabe von Arzneimitteln durch einen anderen vertretungsbefugten Apotheker gesorgt. Weiters habe er im gleichen Zeitraum in einigen Fällen entgegen seiner Verpflichtung nach Art. I der Berufssitte Kunden unhöflich, unsachlich bzw. beleidigend behandelt.
In einem in der Folge gegen den Beschwerdeführer mit Einleitungsbeschluss vom eingeleiteten weiteren Disziplinarverfahren wurde über ihn mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Disziplinarberufungssenates der Österreichischen Apothekerkammer beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen vom insbesondere wegen des am , und gegenüber Kunden gezeigten unfreundlichen bzw. beleidigenden Verhaltens sowie wegen der Verstöße gegen § 8 Abs. 3 und 5 Apothekengesetz die Disziplinarstrafe der Entziehung des Rechts zur Leitung einer Apotheke für die Dauer von zwei Jahren bedingt unter Festsetzung einer Bewährungsfrist von drei Jahren verhängt.
Schließlich wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Disziplinarberufungssenates der Österreichischen Apothekerkammer beim Bundesministerium für Gesundheit vom die mit Disziplinarberufungserkenntnis vom bedingt ausgesprochene Nachsicht eines Teiles der verhängten Geldstrafe (in Höhe von zwei Gehaltskassenumlagen) widerrufen. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen ausgeführt, die Verfügung über den Widerruf der bedingten Strafnachsicht könne in der Probezeit, wegen einer während dieser Zeit begangenen strafbaren Handlung jedoch auch innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Probezeit oder nach Beendigung eines bei deren Ablauf gegen den Rechtsbrecher anhängigen Strafverfahrens getroffen werden. Die neuen als disziplinär zu wertenden Verfehlungen des Beschwerdeführers seien in den Jahren 2006 und 2007, also während der Bewährungsfrist, gesetzt worden. Das wegen dieser Verfehlungen eingeleitete Disziplinarverfahren sei bei Ende der Bewährungsfrist () bereits anhängig gewesen. Eine Entscheidung über den Widerruf könne daher innerhalb von sechs Monaten nach dessen (rechtskräftiger) Beendigung (), somit bis zum getroffen werden. Da ein Zuwarten über diesen Zeitpunkt hinaus einen Widerruf der bedingten Strafnachsicht unmöglich gemacht hätte, habe dem Begehren des Beschwerdeführers, bis zu einer Entscheidung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes über die gegen den Disziplinarberufungsbescheid vom erhobenen Beschwerden zuzuwarten, nicht entsprochen werden können. Gemäß § 41 Abs. 4 AVG sei grundsätzlich die bedingte Strafnachsicht zu widerrufen, wenn ein Apotheker wegen eines neuerlichen, innerhalb der Bewährungsfrist begangenen Disziplinarvergehens schuldig erkannt werde. Lediglich dann, wenn dies ausreichend erscheine, den Beschuldigten von weiteren Disziplinarvergehen abzuhalten, könne statt des Widerrufs die Bewährungsfrist auf fünf Jahre verlängert werden. Der Beschwerdeführer habe allerdings durch sein fortlaufendes disziplinäres Verhalten ausreichend manifestiert, dass er nicht gewillt sei, sein Verhalten gegenüber Kunden im Allgemeinen und während des Bereitschaftsdienstes im Besonderen sowie seine Anwesenheit während des Bereitschaftsdienstes zu bessern. Auf Grund des hartnäckigen Verharrens des Beschwerdeführers in seinen disziplinären Verhaltensweisen erscheine es daher aus spezialpräventiver Hinsicht dringend erforderlich, die bedingte Strafnachsicht zu widerrufen. Dass der Beschwerdeführer - seinem Vorbringen zufolge - nunmehr eigene Pharmazeuten zu Verrichtung der Nachtdienste angestellt habe, sei für die vorliegende Beurteilung nicht relevant, weil die Nichterreichbarkeit während des Bereitschaftsdienstes nur einen Teil der disziplinarrechtlichen Vorwürfe darstelle.
Gegen letzteren Bescheid des Disziplinarberufungssenates der Österreichischen Apothekerkammer beim Bundesministerium für Gesundheit richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Apothekerkammergesetzes 2001 (AKG) lauten auszugsweise wie folgt:
"Disziplinarstrafen
§ 41. (1) Disziplinarstrafen sind
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1. | der schriftliche Verweis, |
2. | Geldstrafen bis zur Höhe des 15-fachen Betrages der Gehaltskassenumlage, die für einen im Volldienst angestellten Apotheker auf Grund der Bestimmungen des Gehaltskassengesetzes, BGBl. Nr. 254/1959, jeweils zu leisten ist, |
3. | die zeitliche oder dauernde Entziehung des Rechtes auf Ausbildung von Aspiranten, |
4. | die zeitliche oder dauernde Entziehung des Wahlrechtes und der Wählbarkeit zur Apothekerkammer, |
5. | die zeitliche oder dauernde Entziehung des Rechtes zur Leitung einer Apotheke, |
6. | das Verbot der Ausübung des Apothekerberufes bis zur Dauer von drei Jahren. |
... |
(3) Disziplinarstrafen nach Abs. 1 Z 2 bis 5 können bedingt unter Festsetzung einer Bewährungsfrist von einem bis zu drei Jahren verhängt werden, wenn anzunehmen ist, dass ihre Androhung genügen werde, um den Beschuldigten von weiteren Disziplinarvergehen abzuhalten, und es nicht der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung von Disziplinarvergehen durch andere Apotheker entgegenzuwirken.
(4) Wird ein Apotheker oder Aspirant nach Gewährung einer bedingten Strafnachsicht wegen eines neuerlichen, innerhalb der Bewährungsfrist begangenen Disziplinarvergehens schuldig erkannt, so ist entweder die bedingte Strafnachsicht zu widerrufen oder, wenn dies ausreichend erscheint, den Beschuldigten von weiteren Disziplinarvergehen abzuhalten, die Bewährungsfrist bis auf höchstens fünf Jahre zu verlängern. Die Entscheidung darüber kann nach Anhörung des Beschuldigten entweder im Erkenntnis wegen des neuen Disziplinarvergehens oder in einem gesonderten Beschluss erfolgen.
(5) Wird eine bedingte Strafnachsicht nicht widerrufen, so gilt die Strafe mit Ablauf der Bewährungsfrist als endgültig nachgesehen. Die §§ 49, 55 und 56 StGB gelten sinngemäß. Zeiten, in denen der Apothekerberuf nicht ausgeübt worden ist, werden in die Bewährungsfrist nicht eingerechnet."
Die maßgeblichen verwiesenen Bestimmungen des Strafgesetzbuches (StGB) lauten wie folgt:
"Berechnung der Probezeiten
§ 49. Die Probezeit beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung, mit der die bedingte Nachsicht (§§ 43 bis 45) oder die bedingte Entlassung (§§ 46 und 47) ausgesprochen worden ist. ...
...
Widerruf bei nachträglicher Verurteilung
§ 55. (1) Die bedingte Nachsicht einer Strafe, eines Strafteiles und der Unterbringung in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher ist zu widerrufen, wenn eine nachträgliche Verurteilung gemäß § 31 erfolgt und die bedingte Nachsicht bei gemeinsamer Aburteilung nicht gewährt worden wäre.
...
Widerrufsfristen
§ 56. Die in den §§ 53 bis 55 vorgesehenen Verfügungen kann das Gericht nur in der Probezeit, wegen einer während dieser Zeit begangenen strafbaren Handlung jedoch auch innerhalb von sechs Monaten nach Ablauf der Probezeit oder nach Beendigung eines bei deren Ablauf gegen den Rechtsbrecher anhängigen Strafverfahrens treffen."
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, es sei zufolge der neuerlichen disziplinarrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers die ihm in der ersten disziplinarrechtlichen Verurteilung gewährte bedingte Nachsicht eines Teiles der verhängten Geldstrafe zu widerrufen; es bestehe angesichts seines hartnäckigen Verharrens in disziplinären Verhaltensweisen kein Grund für die Annahme, dass auch eine Verlängerung der Bewährungsfrist auf fünf Jahre ausreichend wäre, um den Beschwerdeführer von weiteren Disziplinarvergehen abzuhalten.
Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, die zweite disziplinarrechtliche Verurteilung sei u.a. auch wegen Disziplinarvergehen erfolgt, die von ihm im Jahre 2002, also vor der ersten Verurteilung begangen worden seien. Diesbezüglich seien die Voraussetzungen für den Widerruf nicht gegeben. Weiters sei dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, aus welchen Gründen eine Verlängerung der Probezeit nicht ausreichend wäre, um den Beschwerdeführer von weiteren Disziplinarvergehen abzuhalten. Eine "ungünstige Prognose" als Voraussetzung für den Widerruf der bedingten Strafnachsicht sei nicht erstellt worden. Vielmehr habe es die belangte Behörde ausdrücklich abgelehnt, sich mit einer solchen Prognose auseinander zu setzen. Für die Wertung, der Beschwerdeführer sei nicht willens, sein Verhalten gegenüber den Kunden zu bessern, fehle es an einer Sachverhaltsgrundlage. Im Übrigen sei der angefochtene Bescheid widersprüchlich, weil er einmal davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer nicht willens sei, sein Verhalten in Ansehung der Erfüllung seiner Pflichten während des Bereitschaftsdienstes zu bessern, und andererseits dem Umstand, dass er nunmehr eigene Pharmazeuten zur Verrichtung der Nachtdienste angestellt habe, keine Relevanz beimesse.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:
Zum Vorbringen, der Widerruf der gewährten Strafnachsicht sei nur zulässig, wenn ein Apotheker wegen einer innerhalb der Bewährungsfrist neuerlich begangenen Verfehlung disziplinär verurteilt worden sei, seiner neuerlichen Verurteilung lägen jedoch auch Taten zu Grunde, die er bereits vor der ersten Verurteilung gesetzt habe, ist zunächst festzuhalten, dass der neuerlichen Verurteilung des Beschwerdeführers unbestrittenermaßen disziplinäre Verfehlungen zu Grunde lagen, die er im Dezember 2006 und im Jänner 2007, also innerhalb der seit laufenden Bewährungsfrist gesetzt hatte. Dass dieser Verurteilung (vom ) darüber hinaus auch Taten zu Grunde gelegt worden waren, die der Beschwerdeführer - wie er behauptet - vor der ersten Verurteilung gesetzt hatte, steht einer Erfüllung des Tatbestandsmerkmales des § 41 Abs. 4 AKG (Verurteilung wegen "eines neuerlichen, innerhalb der Bewährungsfrist begangenen Disziplinarvergehens") allerdings nicht entgegen.
Unzutreffend ist auch der weitere Beschwerdevorwurf, dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, weshalb eine Verlängerung der Probezeit nicht ausreichend wäre, um den Beschwerdeführer von weiteren disziplinären Verfehlungen abzuhalten. Vielmehr nimmt der angefochtene Bescheid deutlich darauf Bezug, dass der Beschwerdeführer durch sein fortlaufendes disziplinäres Verhalten ausreichend manifestiert habe, nicht willens zu sein, sein Verhalten gegenüber Kunden im Allgemeinen und während des Bereitschaftsdienstes im Besonderen zu bessern. Umstände, die ungeachtet der neuerlichen rechtskräftigen Verurteilung die Prognose tragen könnten, der Beschwerdeführer würde sich bereits durch eine Verlängerung der Probezeit von weiteren disziplinären Verfehlungen der erwähnten Art abhalten lassen, sind weder ersichtlich noch wurden sie vom Beschwerdeführer vorgebracht. Nur in einem solchen Fall aber könnte an Stelle des Widerrufs der bedingten Strafnachsicht eine Verlängerung der Bewährungsfrist ausgesprochen werden.
Bei seinem Vorbringen, er vermisse eine Sachverhaltsgrundlage für die Annahme der belangten Behörde, er sei nicht willens, sein Verhalten zu bessern, übersieht der Beschwerdeführer, dass sich diese Annahme auf die erwähnten rechtskräftigen Disziplinarverurteilungen und die ihm darin zur Last gelegten Verfehlungen stützt.
Soweit er jedoch betreffend seine Anwesenheit während des Bereitschaftsdienstes Widersprüche in der Begründung des angefochtenen Bescheides behauptet, hat er es unterlassen, die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels iSd § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG darzutun, was umso notwendiger gewesen wäre, als unbestritten feststeht, dass seine Nichterreichbarkeit während des Bereitschaftsdienstes nur einen Teil der disziplinarrechtlichen Vorwürfe dargestellt hat.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am