VwGH 22.12.2010, 2008/08/0264
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des B F in Wien, vertreten durch Mag. Rene Christian Heinz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 8, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2008-0566-9-002235, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde gemäß § 10 iVm § 38 AlVG der Verlust des Anspruches des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 23. Juni bis ausgesprochen und eine Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 leg. cit. nicht gewährt.
In ihrer Bescheidbegründung stellte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges und neben Zitierung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen fest, dass dem Beschwerdeführer vom Arbeitsmarktservice (in der Folge: AMS) am der Auftrag erteilt worden sei, an einer näher bezeichneten Wiedereingliederungsmaßnahme beim Kursträger B mit Beginn teilzunehmen, da seine persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Vermittlung am Arbeitsmarkt nicht ausreichen würden; dabei sei er auf die Rechtsfolgen eines möglichen Anspruchsverlustes für den Fall der Nichtteilnahme an dieser Maßnahme ohne wichtigen Grund bzw. ein Nichterscheinen am ersten Kurstag gemäß § 10 Abs. 1 AlVG hingewiesen worden. Der Beschwerdeführer sei zum Kursbeginn der Maßnahme nicht erschienen. Als Begründung dafür habe er in einer erstinstanzlichen Niederschrift beim AMS S vom angeführt, dass er sich das Datum nicht gemerkt habe. In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom habe er dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass er sich das Datum wegen einer Krankheit nicht gemerkt habe. Eine ärztliche Bestätigung über eine Erkrankung an diesem Tag habe er nicht vorlegen können. Zu der von ihm vorgelegten ärztlichen Bestätigung eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie über seine Konzentrationsstörungen sei festzuhalten, dass in einem arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachten des BBRZ vom bezüglich seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen festgestellt worden sei, dass er für "Halbtagesmaßnahmen kursfähig" sei. Das Ausmaß der zeitlichen Inanspruchnahme durch die gegenständliche Maßnahme habe zehn Wochenstunden betragen, sodass ihm der Besuch dieser Wiedereingliederungsmaßnahme aus gesundheitlichen Gründen im Sinne des § 9 Abs. 2 AlVG zumutbar gewesen sei.
Rechtlich führte die belangte Behörde dazu aus, dass sich der Beschwerdeführer durch sein Nichterscheinen am ohne wichtigen Grund geweigert habe, an der gegenständlichen Wiedereingliederungsmaßnahme teilzunehmen und somit die von der erstinstanzlichen Behörde verhängte Sanktion gemäß § 10 Abs. 1 AlVG zu Recht ausgesprochen worden sei, zumal der Beschwerdeführer einen Nachweis über eine Erkrankung am gegenüber dem AMS nicht erbringen habe können. Nachsichtsgründe gemäß § 10 Abs. 3 AlVG seien für die belangte Behörde nicht erkennbar gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in eventu Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig wer (unter anderem) bereit ist, an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt teilzunehmen.
Nach § 10 Abs. 1 Z. 3 AlVG verliert die arbeitslose Person, wenn sie ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder eine erfolgte Maßnahme vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Die Mindestdauer des Anspruchsverlustes erhöht sich mit jeder weiteren Pflichtverletzung gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 bis 4 AlVG um weitere zwei Wochen auf acht Wochen. Die Erhöhung der Mindestdauer des Anspruchsverlustes gilt jeweils bis zum Erwerb einer neuen Anwartschaft.
Gemäß § 38 AlVG sind diese Regelungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.
2. In der Beschwerde wird das Vorliegen eines mangelhaften Ermittlungsverfahren darin erblickt, dass sich die belangte Behörde zur Begründung des angefochtenen Bescheides auf ein arbeitsmedizinisches Gutachten vom gestützt habe, welches sohin mehr als drei Monate vor Beginn des gegenständlichen Kurses erstellt worden sei und daher keine Auskunft über den gesundheitlichen Zustand des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt des Beginns der Wiedereingliederungsmaßnahme habe geben können. Der Beschwerdeführer wendet ein, dass sich die belangte Behörde mit dem von ihm vorgelegten fachärztlichen Attest Dris. W aus dem Bereich der Psychiatrie und Neurologie überhaupt nicht auseinandergesetzt habe, obwohl sich daraus ergebe, dass der Beschwerdeführer an einer depressiven Erkrankung mit deutlichen Konzentrationsstörungen leide und er deshalb nicht in der Lage gewesen sei, an der Wiedereingliederungsmaßnahme teilzunehmen.
Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:
Gemäß § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren zwei fachärztlichen Atteste Dris. W aus dem Bereich der Psychiatrie und Neurologie vom 13. September und mit der Diagnose einer beim Beschwerdeführer bestehenden "Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik" vorgelegt, wobei im jüngeren Attest zum Verlauf eine "leichte Besserung, vor allem, wenn (der Beschwerdeführer) das Medikament einnimmt" festgehalten wird. In dem in diesem Zusammenhang ebenfalls vorgelegten, an das "AMS" gerichtete Schreiben Dris. W vom wird mitgeteilt, dass der Facharzt den Beschwerdeführer seit vielen Monaten behandle. Im Weiteren wird darin zur Diagnose angeführt: "Mittelgradige depressive Störung. Der Pat. hat deutliche Konzentrationsstörungen, er vergesse Termine, schlafe schlecht und kann dann Termine nicht einhalten."
Abschließend wird ersucht, die Notstandshilfe wieder an den Beschwerdeführer auszubezahlen, "da es wahrscheinlich ist, dass der Pat. die Termine wegen seiner Erkrankung vergessen hat."
In dem von der belangten Behörde herangezogenen, in den Verwaltungsakten einliegenden arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachten der BBRZ vom , welches beim AMS mit einem "Basischeck Kurzbericht" am eingelangt ist, wurde unter Berücksichtigung mehrerer Befunde, darunter auch derjenigen von Dr. W vom "" und "" (zusammenfassend) ausgeführt:
"Aus arbeitsmedizinischer Sicht besteht aufgrund der derzeitigen Befundlage Arbeits- und Kursfähigkeit nur im halbtägigen Zeitausmaß.
Bedingt durch die Anpassungsstörung mit depressiver Symptomatik und die bestehende Refluxkrankheit sind schwere körperliche Tätigkeiten mit langer nach vorn gebeugter Körperhaltung bei besonderem bis ständigem Zeitdruck derzeit nicht möglich.
Auszuschließen sind derzeit auch Arbeiten mit Vibrationsbelastung und berufliche Fahrtätigkeiten.
Die jeweilige fachärztliche Betreuung ist gewährleistet."
Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dass sich sein von Dr. W attestierter Gesundheitszustand verschlechtert habe. Es begegnet daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde von der Einholung eines Gutachtens zum aktuellen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers am Abstand genommen hat, zumal - wie dargelegt - die erwähnten (früheren) Befund Dris. W in die arbeitsmedizinische Begutachtung Eingang gefunden haben. (Die "damalige" Richtigkeit des Ergebnisses wird vom Beschwerdeführer auch nicht in Frage gestellt). Das vorgelegte Schreiben Dris. W vom stellt keine ärztliche Bestätigung über eine Erkrankung am dar, weshalb der belangten Behörde - wenngleich sie dieses in ihrer Bescheidbegründung nicht erwähnt - im Ergebnis beizupflichten ist, dass der Beschwerdeführer eine solche für den Tag des Kursbeginns nicht vorlegen habe können.
Wenn dem Beschwerdeführer unter Zugrundelegung der Ergebnisse der arbeitsmedizinischen Begutachtung eine halbtägige Kursteilnahme aus gesundheitlichen Gründen zumutbar ist, so inkludiert diese Feststellung auch zwangsläufig die Fähigkeit, trotz der aufgezeigten Beeinträchtigung eine Termineinhaltung für die Kursteilnahme seinerseits durch Setzung entsprechender (vorbeugender) Maßnahmen (wie beispielsweise durch Terminvormerkung) sicherzustellen. Dass ihm dies im konkreten Fall nicht möglich gewesen sei, wird auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Da der Beschwerdeführer eine solche Maßnahme jedoch offenkundig unterlassen hat, hat er zumindest in Kenntnis seiner Schwächen in Kauf genommen, den vereinbarten Kursbeginn zu versäumen. Die belangte Behörde ist daher ebenso im Recht, wenn sie das somit vom Beschwerdeführer verschuldete Fernbleiben von der Maßnahme am als Weigerung an der Teilnahme gewertet und daran mangels berücksichtigungswürdiger Gründe die Sanktion gemäß § 10 Abs.1 AlVG geknüpft hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008, insbesondere deren § 3 Abs. 2.
Wien, am
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2010:2008080264.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAE-76280