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VwGH vom 27.02.2008, 2005/13/0085

VwGH vom 27.02.2008, 2005/13/0085

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde des W in G, vertreten durch Dr. Helmut Buchgraber, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Laudongasse 11, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom , Zl. ABK-242/03, betreffend Haftung nach §§ 7 und 54 WAO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war der Eintragung im Firmenbuch zufolge ab einer der handelsrechtlichen Geschäftsführer der M. GesmbH. Diese Funktion wurde auf Grund eines am eingelangten Antrages am im Firmenbuch gelöscht. Als weitere handelsrechtliche Geschäftsführer der M. GesmbH für diesen Zeitraum waren K.W. und Ing. P.H. und bis W.M. eingetragen.

Mit Bescheid vom zog der Magistrat der Stadt Wien den Beschwerdeführer gemäß §§ 7 und 54 der Wiener Abgabenordnung zur Haftung für Dienstgeberabgabe und Kommunalsteuer samt Nebengebühren in einem näher bestimmten Betrag für den Zeitraum "Rest 4/00-2/01" heran. Der Beschwerdeführer sei bis im Firmenbuch als Geschäftsführer der M. GesmbH eingetragen gewesen und habe weder die Bezahlung der Abgaben veranlasst noch irgendwelche Schritte zur Abdeckung des Rückstandes unternommen. Der Rückstand könne bei der M. GesmbH nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden und es bestehe kein Hinweis nach der Aktenlage, dass der aushaftende Betrag bei der Primärschuldnerin überhaupt noch eingebracht werden könnte.

Dagegen berief der Beschwerdeführer mit der Begründung, innerhalb der M. GesmbH seien drei Geschäftsführer bestellt gewesen, zwischen welchen eine Zuständigkeitsaufteilung dergestalt bestanden habe, dass ausschließlich K.W. für das gesamte Finanzwesen zuständig gewesen sei. Er sei erst mit zum Geschäftsführer bestellt worden. Nachdem er als der für den Bereich "Vertrieb" Zuständige festgestellt habe, dass für einen erfolgversprechenden Vertrieb Kapitalzufuhr durch die Eigentümer notwendig sei, welche von den Eigentümern auch zugesagt worden sei, er aber immer wieder vertröstet worden sei, habe er gegenüber den Gesellschaftern schriftlich seinen Rücktritt als Geschäftsführer erklärt und seine Löschung im Firmenbuch als Geschäftsführer beantragt, welche mit auch eingetragen worden sei. Auf die Entrichtung allfälliger Abgaben für den Zeitraum bis einschließlich Dezember 2000 habe der Beschwerdeführer in keiner Weise Einfluss nehmen können, weil er lediglich Angestellter der M. GesmbH gewesen sei. Auch für den kurzen Zeitraum seiner Bestellung zum Geschäftsführer bis habe er weder auf die wirtschaftliche Führung des Unternehmens einen tatsächlichen Einfluss nehmen können, noch seien ihm Mittel von den Eigentümern zur Verfügung gestanden, aus denen er allfällige Abgaben hätte entrichten können. Die gesamte finanzielle Gebarung sowohl gegenüber den Behörden wie auch gegenüber den Banken sei Frau K.W. oblegen. Nachdem ihm im Rahmen der Kompetenzaufteilung keinerlei finanzielle Mittel zur Verwaltung zur Verfügung gestanden seien, habe er nicht einmal dafür sorgen können, dass das ihm laut Dienstvertrag zustehende Gehalt von der M. GesmbH bezahlt werde, sondern habe er lediglich geringfügige Akontozahlungen erhalten und seine Gehaltsforderungen im Konkursverfahren anmelden müssen. Während des kurzen Zeitraums seiner Tätigkeit als Geschäftsführer sei dem Beschwerdeführer von K.W. auch versichert worden, dass alle Abgaben entrichtet und alle Ratenvereinbarungen getroffen worden seien. Erst als er Ende Februar oder Anfang März 2001 (und das auch nur über Urgenz) den Entwurf der Bilanz der M. GesmbH für das Jahr 2000 erhalten habe, habe er überhaupt erkennen können, dass die finanzielle Lage des Unternehmens ohne die zugesagte Eigenkapitalzufuhr der Gesellschafter kritisch sei, weshalb er mit gegenüber den Gesellschaftern seinen Rücktritt erklärt habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den Spruch des bekämpften Bescheides des Magistrats der Stadt Wien dergestalt ab, dass bei unverändertem Haftungsbetrag der Zeitraum des Rückstandes an Dienstgeberabgabe und Kommunalsteuer mit "August 2000 bis Februar 2001" geändert wurde. Die Abgaben für den Zeitraum Jänner 2000 bis Juli 2000 seien entrichtet worden. Der Beschwerdeführer habe laut Firmenbuch die Funktion des handelsrechtlichen Geschäftsführers mit übernommen. Das Konkursverfahren über das Vermögen der M. GesmbH sei mit Gerichtsbeschluss vom mangels Kostendeckung aufgehoben worden, die Firma sei wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 40 FBG gelöscht worden. Die in Rede stehenden Abgabenrückstände seien bei der Primärschuldnerin daher nicht mehr einbringlich.

Aufgabe des Geschäftsführers sei es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nachzuweisen, dass ihm die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werden könne, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht nachgekommen sei. Die Gesellschaft bleibe verpflichtet, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr oder Einzahlung sie in Rückstand geraten sei, zu erfüllen, und zur Erfüllung dieser Pflichten sei der Geschäftsführer einer GesmbH verhalten. Hinsichtlich des Haftungszeitraumes August 2000 bis ergebe sich die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers aus der Missachtung dieser "Vorschriften". Der Geschäftsführer habe sich bei Übernahme seiner Tätigkeit darüber zu unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene Gesellschaft bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen sei. Es obliege ihm die Beweislast, dass er sich in diesem Sinne unterrichtet habe. Ein entsprechendes Vorbringen habe der Beschwerdeführer nicht erstattet, weshalb er auch für die vor seiner Bestellung entstandenen Abgabenrückstände haftbar sei.

Hinsichtlich des Haftungszeitraumes bis ergebe sich die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers aus der Missachtung der Vorschriften über den Zeitpunkt der Entrichtung der in Rede stehenden Abgaben, wonach die abgabepflichtige GesmbH für jeden Monat längstens bis zum 15. des darauffolgenden Monats den Abgabenbetrag zu entrichten habe. Zum Einwand des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren, er habe auf die wirtschaftliche Führung der Primärschuldnerin keinen Einfluss nehmen können, weil auf Grund einer Kompetenzaufteilung zwischen den Geschäftsführern Frau K.W. für die gesamte finanzielle Gebarung der Primärschuldnerin sowohl gegenüber den Behörden als auch gegenüber den Banken zuständig gewesen sei, führte die belangte Behörde aus, dass sich der Beschwerdeführer bereits bei der Übernahme seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer über allfällige Abgabenrückstände hätte informieren müssen. Sei er bereits zu diesem Zeitpunkt an der Erfüllung seiner Pflichten gehindert worden, wäre er gefordert gewesen, die Ausübung seiner Rechte zu erzwingen oder seine Geschäftsführerbefugnis unverzüglich und nicht erst drei Monate später zurückzulegen, nachdem er - seinem Vorbringen zufolge - einen Entwurf der Bilanz für das Jahr 2000 erhalten und auf Grund dessen die ernste finanzielle Lage der Primärschuldnerin erkannt habe. Das Verschulden des Beschwerdeführers liege sohin selbst unter Zugrundelegung seiner Rechtfertigung zumindest darin, dass er in Kenntnis der Behinderung seiner Geschäftsführerfunktion nicht unverzüglich die angeführten Schritte ergriffen habe. Die Behauptung einer Aufteilung der Geschäftsführeragenden könne den Beschwerdeführer nicht vom Vorwurf eines Verschuldens befreien, denn er sei zur Haftung heranzuziehen, wenn er bei Zweifeln an der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung durch den mit der Abgabenentrichtung betrauten Geschäftsführer dessen Tätigkeit nicht überprüft habe. Da der Beschwerdeführer vorgebracht habe, dass er seine Gehaltszahlungen nicht erhalten habe, und erkannt habe, dass ohne weitere Eigenkapitalzufuhr die finanzielle Lage der M. GesmbH kritisch werde, seien für den Beschwerdeführer ausreichende Gründe für die Annahme vorgelegen, dass im Aufgabenbereich der Geschäftsführerin K.W. Missstände vorlägen. In dieser Lage habe den Beschwerdeführer die Pflicht getroffen, sich einzuschalten, um Abhilfe zu schaffen. Der Beschwerdeführer behaupte jedoch nicht einmal, irgendwelche Überwachungsmaßnahmen gesetzt zu haben, um die Abgabengebarung durch K.W. zu überprüfen. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, K.W. habe ihm versichert, dass die Abgabenschuld der M. GesmbH beglichen werde, woraus die belangte Behörde erkenne, dass der Beschwerdeführer K.W. einfach vertraut habe, ohne in irgendeiner Weise seiner Überwachungspflicht nachzukommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen haben nach § 54 der Wiener Abgabenordnung - WAO alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 7 Abs. 1 WAO haften die in den §§ 54 ff leg. cit. bezeichneten Vertreter neben den Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern und sonstigen Verpflichteten auferlegten Pflichten, seien es abgabenrechtliche oder sonstige Pflichten, bei den Abgabepflichtigen nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden können, insbesondere im Falle der Konkurseröffnung.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2004/13/0032, und das zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 9 Abs. 1 BAO ergangene hg. Erkenntnis vom , 2006/15/0073).

Sind mehrere potenziell Haftende vorhanden, richtet sich die haftungsrechtliche Verantwortung danach, wer mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten betraut ist. Der von den finanziellen, insbesondere steuerlichen Angelegenheiten ausgeschlossene Geschäftsführer ist in der Regel nicht in Anspruch zu nehmen. Verletzt jedoch der mit abgabenrechtlichen Angelegenheiten nicht befasste Vertreter seine eigenen Pflichten dadurch grob, dass er trotz Unregelmäßigkeiten des zur Wahrnehmung abgabenrechtlicher Angelegenheiten Bestellten nichts unternimmt, um Abhilfe zu schaffen, so ist auch er haftbar, es sei denn, dass ihm triftige Gründe die Erfüllung dieser wechselseitigen Überwachungspflicht unmöglich machen. Allerdings kommt eine Überprüfung der Tätigkeit des mit der Abgabenentrichtung betrauten oder hiefür verantwortlichen Geschäftsführers durch den anderen Geschäftsführer nur dann in Betracht, wenn ein Anlass vorliegt, an der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung zu zweifeln (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom , und das hg. Erkenntnis vom , 2005/13/0001, sowie die zum insoweit vergleichbaren § 9 Abs. 1 BAO ergangenen hg. Erkenntnisse vom , 2006/15/0032, und vom , 99/14/0121).

Für die vor seiner Übernahme der Geschäftsführerfunktion am fällig gewordenen Abgabenschuldigkeiten vermeint die belangte Behörde, der Beschwerdeführer hätte sich bei Übernahme der Geschäftsführerfunktion über allfällige Abgabenrückstände informieren müssen, widrigenfalls ihn ein Verschulden im Sinn des § 7 Abs. 1 WAO treffe.

Tatsächlich hat sich ein Geschäftsführer nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Übernahme seiner Funktion auch darüber zu unterrichten, ob und in welchem Ausmaß die von ihm nunmehr vertretene GesmbH bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , 2000/15/0119, und das zum insoweit vergleichbaren § 9 Abs. 1 BAO ergangene hg. Erkenntnis vom , 2000/14/0106), weil die Pflicht der GesmbH zur Abgabenentrichtung erst mit deren Abstattung endet. Die GesmbH bleibt verpflichtet, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr oder Einzahlung sie in Rückstand geraten ist, zu erfüllen, und zur Erfüllung dieser Verpflichtung ist der Geschäftsführer der GesmbH verhalten (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom ). Da diese Verpflichtung zur Abgabenentrichtung im Falle einer Zuständigkeitsaufteilung zwischen Geschäftsführern jenen Geschäftsführer trifft, in dessen Zuständigkeitsbereich diese Abgabenangelegenheiten fallen, trifft die Pflicht, sich bei Übernahme der Geschäftsführertätigkeit über die bisherige Abgabenentrichtung und -abfuhr der GesmbH zu unterrichten, den Alleingeschäftsführer oder jeden Geschäftsführer, wenn keine Zuständigkeitsverteilung vereinbart wurde.

Im Falle einer Zuständigkeitsverteilung zwischen den Geschäftsführern trifft diese Pflicht, sich zu informieren, lediglich den mit steuerlichen Belangen betrauten Geschäftsführer. Indem die belangte Behörde dies verkannte, hat sie bereits dadurch den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, dass sie im Unterlassen des Einholens einer derartigen Information über die Entrichtung der vor der Geschäftsführerbestellung des Beschwerdeführers mit fällig gewordenen Abgaben der M. GesmbH eine Pflichtverletzung des Beschwerdeführers angenommen hat.

Es kann daher dahingestellt bleiben, ob im Umstand, dass der Beschwerdeführer keine Gehaltszahlungen von der M. GesmbH empfangen habe, Zweifel an Unregelmäßigkeiten der finanziellen Gebarung im Zusammenhang mit der Abgabenentrichtung hätten aufkommen müssen, wobei die belangte Behörde im Übrigen keinerlei Feststellungen über den Zeitpunkt eines allfälligen Aufkommens solcher Zweifel getroffen hat.

Weiters kann auf sich beruhen, dass in dem von der belangten Behörde herangezogenen Erkennen der Notwendigkeit einer Eigenkapitalzufuhr aus dem vom Beschwerdeführer in der Berufung angeführten Grund "für einen erfolgversprechenden Vertrieb" noch kein Anlass gesehen werden muss, an der Ordnungsmäßigkeit der Gebarung und Abgabenentrichtung zu zweifeln.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am