VwGH vom 10.08.2005, 2005/13/0082
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Keidel LL.M., über die Beschwerde der D GmbH in W, vertreten durch Dr. Franz Bixner, Rechtsanwalt in 1120 Wien, Meidlinger Hauptstraße 1, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/0478-W/02, betreffend Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens für das Jahr 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeschrift und der ihr angeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides kann Folgendes entnommen werden:
Die beschwerdeführende Gesellschaft betreibt ein Unternehmen, in dessen Rahmen sie auch steuerfreie Ausfuhrumsätze tätigt. Auf Grund eines mit dem unterzeichneten Prüfungs- und Nachschauauftrages betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1993 bis 1995 wurde das Unternehmen der beschwerdeführenden Gesellschaft einer abgabenbehördlichen Prüfung unterzogen, in deren Verlauf hervorkam, dass die beschwerdeführende Gesellschaft für verschiedene ihrer Geschäftsfälle keine Ausfuhrnachweise vorweisen konnte. Das Finanzamt erließ daraufhin Wiederaufnahmebescheide betreffend Umsatzsteuer der Jahre 1993 bis 1995 und Umsatzsteuerbescheide für diese Jahre, in welchen dem Umstand des Fehlens von Ausfuhrnachweisen Rechnung getragen wurde. Gegen alle diese Bescheide berief die beschwerdeführende Gesellschaft und legte mit ihrer Berufung auch verschiedene Ausfuhrnachweise bei. Der Abweisung ihrer - nunmehr allein streitgegenständlichen - Berufung gegen den Bescheid über die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens 1995 durch Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes trat die beschwerdeführende Gesellschaft in ihrem Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz mit dem Vorbringen entgegen, dass zum Zeitpunkt der Zustellung des endgültigen Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 1995 am dem Finanzamt angesichts des vorangegangenen Prüfungsbeginns bereits alle für die Erlassung des Umsatzsteuerbescheides erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestanden seien, sodass es am Vorliegen einer neu hervorgekommenen Tatsache fehle, welche die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens 1995 hätte rechtfertigen können, weil das Finanzamt bei richtiger rechtlicher Würdigung der ihm vorgelegten Unterlagen schon zum Zeitpunkt der Erlassung des Umsatzsteuerbescheides vom zu der im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft als unbegründet ab. Der Begründung des angefochtenen Bescheides kann entnommen werden, dass die belangte Behörde den Bekundungen der Prüferin in deren - in der mündlichen Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde wiedergegebenen - Stellungnahme Glauben schenkte, dass sie mit der abgabenbehördlichen Prüfung am begonnen und diese Prüfung am fortgesetzt habe. An diesen beiden Tagen habe sich die Prüferin zunächst einen Überblick über das Unternehmen verschafft und sich gewiss noch nicht mit Ausfuhrnachweisen beschäftigt. Das Problem der Ausfuhrnachweise sei erst bei der Betriebsbesichtigung zur Sprache gekommen, welche am bei der geprüften Gesellschaft stattgefunden habe. Da sich der Beginn der Prüfung am auch daraus ergebe, dass der steuerliche Vertreter der beschwerdeführenden Gesellschaft den Prüfungsauftrag mit diesem Tag unterzeichnet habe, erscheine es als plausibel, dass sich die Prüferin nach eineinhalb Tagen Prüfungstätigkeit noch kein verlässliches Bild von den Besteuerungsgrundlagen habe machen können. Dass der Abgabenbehörde zum Zeitpunkt der Erlassung des seinerzeitigen Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 1995 am der für die Festsetzung von Umsatzsteuer für das Jahr 1995 rechtserhebliche Sachverhalt ausreichend vollständig bekannt gewesen sei, treffe demnach nicht zu. Von entsprechender Offenlegung durch die beschwerdeführende Gesellschaft könne angesichts des Umstandes, dass sie Umsätze ohne Vorliegen der dafür statuierten Voraussetzungen als steuerfrei behandelt habe, keine Rede sein. Die Übergabe eines "Konglomerats" von zu prüfenden Buchhaltungsunterlagen an die Prüferin zu Prüfungsbeginn könne nicht als Offenlegung gewertet werden. Der Prüferin zu Beginn der Prüfung den Umstand des Fehlens von Ausfuhrnachweisen offen zu legen und ihre eine detaillierte Aufstellung jener Ausfuhrgeschäfte zu übergeben, für welche die Ausfuhrnachweise gefehlt hätten, wäre der beschwerdeführenden Gesellschaft frei gestanden. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass Ausfuhrnachweise auch erst nachträglich im Berufungsverfahren hinsichtlich der Sachbescheide vorgelegt worden seien. Ob das Finanzamt am Unterlassen der gebotenen Sachverhaltsprüfung vor der seinerzeitigen Bescheiderlassung ein Verschulden treffe, sei nach ständiger Rechtsprechung rechtlich nicht relevant.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Verfahrens von Amts wegen nach dieser Gesetzesstelle nur dann ausgeschlossen, wenn der Abgabenbehörde in dem wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt war, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der im wiederaufzunehmenden Verfahren nunmehr erlassenen Entscheidung hätte gelangen können, ohne dass ein behördliches Verschulden am Unterbleiben einer Feststellung der maßgeblichen Tatsachen im seinerzeitigen Verfahren die amtswegige Wiederaufnahme ausschließen würde (siehe etwa die hg. Erkenntnisse vom , 2001/14/0007, vom , 98/13/0026, und vom , 95/15/0108). Dass ein abgabenbehördlicher Prüfer bei gehöriger Aufmerksamkeit mit Hilfe der ihm bereits vorliegenden Urkunden unter allfälliger Heranziehung der Mitwirkung des Abgabepflichtigen die maßgeblichen Tatsachen bereits hätte feststellen können, steht der späteren Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 303 Abs. 4 BAO nicht entgegen, hat der Verwaltungsgerichtshof in den genannten Erkenntnissen dargelegt.
Vor dem Hintergrund dieser, der beschwerdeführenden Gesellschaft ihrem Vorbringen nach ohnehin bekannten Rechtsprechung ist eine Rechtswidrigkeit der Bestätigung des erstinstanzlichen Wiederaufnahmebescheides durch die belangte Behörde nicht zu erkennen. Dass der Prüferin jene einzelnen Geschäftsvorfälle des Jahres 1995, für welche es an Ausfuhrnachweisen fehlte, zu dem eineinhalb Tage nach Prüfungsbeginn gelegenen Zeitpunkt der Erlassung des mit dem Wiederaufnahmebescheid beseitigten Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 1995 noch nicht alle bekannt waren, ist eine Feststellung des angefochtenen Bescheides, die auf einer Beweiswürdigung beruht, die schlüssig ist und von der beschwerdeführenden Gesellschaft auch gar nicht bekämpft wird. Dass sich die augenscheinlich verfrühte Erlassung des seinerzeitigen Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 1995 bei sachgerechter und vernünftiger Vorgangsweise durch die Abgabenbehörde erster Instanz hätte vermeiden lassen, ist nach der dargestellten Rechtslage für die Rechtmäßigkeit des bekämpften Wiederaufnahmebescheides ohne rechtliche Bedeutung.
Da der Inhalt der Beschwerde somit schon erkennen ließ, dass die von der beschwerdeführenden Gesellschaft gerügte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am