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VwGH vom 07.11.2012, 2012/18/0024

VwGH vom 07.11.2012, 2012/18/0024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätinnen Mag. Merl und Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des BN, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Universitätsstraße 8/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/359.997/2011, betreffend Entziehung eines Konventionsreisedokumentes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid entzog die belangte Behörde gemäß § 93 Abs. 1 Z 1 iVm § 92 Abs. 1 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), das dem Beschwerdeführer am ausgestellte Konventionsreisedokument.

In ihrer Begründung führte die belangte Behörde aus, ein Konventionsreisedokument sei zu entziehen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Fremde das Dokument benützen wolle, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken.

Bereits am sei der Beschwerdeführer vom Amtsgericht R rechtskräftig zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden, weil er damals drei jugoslawische Staatsangehörige, die in Österreich als Asylwerber aufhältig gewesen seien, in seinem PKW nach Deutschland gebracht habe, obwohl er gewusst habe, dass diese keine Aufenthaltsberechtigung für Deutschland gehabt hätten. Dafür habe er EUR 150,-- erhalten.

Wegen der seit dieser Tat verstrichenen Zeit sei das damalige Verhalten für sich allein nicht geeignet, den Entzug des Reisedokuments zu rechtfertigen. Jedoch sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Amtsgerichts L, welches am in Rechtskraft erwachsen sei, schuldig erkannt worden, drei Staatsangehörigen des Kosovo bei der unerlaubten Einreise nach Deutschland behilflich gewesen zu sein, indem er diese mit seinem PKW von Österreich nach Deutschland gebracht habe. Er sei zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 12 Monaten verurteilt worden.

Da in diesem Urteil nicht festgestellt worden sei, dass er dafür einen Vermögensvorteil lukriert habe, entspreche die Verurteilung nicht der österreichischen Strafbestimmung des § 114 FPG. Ungeachtet dessen sei das Verhalten des Beschwerdeführers trotzdem geeignet, die in § 92 Abs. 1 Z 4 FPG normierte Annahme zu rechtfertigen. Der Beschwerdeführer habe zum wiederholten Mal Fremde unrechtmäßig in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union gebracht, er habe dafür auch einmal einen Vermögensvorteil erhalten. Dies lasse die Gefahr als besonders hoch erscheinen, dass er in Zukunft Schlepperei (im Sinn des FPG) begehen könnte oder an ihr mitwirken wollte.

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Umstände zu seinem Privat- und Familienleben hätten bei der gegenständlichen Entscheidung außer Betracht zu bleiben. Dass der Beschwerdeführer ohne Konventionsreisedokument eine "Arbeitsbewilligung" nicht mehr bekommen könnte, sei im Übrigen mit der geltenden Rechtslage nicht in Übereinstimmung zu bringen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass im gegenständlichen Fall im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides () das FPG in der Fassung des BGBl. I Nr. 112/2011 zur Anwendung kommt.

§ 92 Abs. 1 Z 4, § 93 Abs. 1 Z 1 und § 94 FPG (jeweils samt Überschrift) lauten:

"Versagung eines Fremdenpasses

§ 92. (1) Die Ausstellung, die Erweiterung des

Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses ist zu

versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass

4. der Fremde das Dokument benützen will, um

Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken;

Entziehung eines Fremdenpasses

§ 93. (1) Ein Fremdenpass ist zu entziehen, wenn

1. nachträglich Tatsachen bekannt werden oder

eintreten, welche die Versagung der Ausstellung des Fremdenpasses rechtfertigen würden;

Konventionsreisepässe

§ 94. (1) Konventionsreisepässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des Asylberechtigten zukommt, auf Antrag auszustellen.

(2) Konventionsreisepässe können darüber hinaus Fremden, denen in einem anderen Staat der Status des Asylberechtigten gewährt wurde, auf Antrag ausgestellt werden, wenn sie kein gültiges Reisedokument besitzen und ohne Umgehung der Grenzübertrittskontrolle eingereist sind.

(3) Die Behörde hat bei Ausübung des ihr in Abs. 2 eingeräumten Ermessens einerseits auf die persönlichen Verhältnisse des Antragstellers, andererseits auf sicherheitspolizeiliche Belange sowie auf eine mögliche Beeinträchtigung der Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat Bedacht zu nehmen.

(4) Konventionsreisepässe werden nach dem Muster des Annexes zur Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ausgestellt.

(5) Für die Festsetzung der Gültigkeitsdauer und des Geltungsbereiches von Konventionsreisepässen sowie der Gültigkeitsdauer der Rückkehrberechtigung in Konventionsreisepässen gelten die Bestimmungen des Anhanges der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge; im Übrigen gelten die §§ 88 Abs. 4 sowie 89 bis 93."

Die in § 114 FPG enthaltene Strafbestimmung hinsichtlich

"Schlepperei" sieht Folgendes vor:

"Schlepperei

§ 114. (1) Wer die rechtswidrige Einreise oder Durchreise eines Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Nachbarstaat Österreichs mit dem Vorsatz fördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.

(2) Wer innerhalb der letzten fünf Jahre schon einmal wegen Schlepperei im Sinne des Abs. 1 verurteilt worden ist, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Als eine Verurteilung gilt auch eine solche durch ein ausländisches Gericht in einem den Grundsätzen des Art. 6 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten entsprechenden Verfahren.

(3) Wer die Tat nach Abs. 1


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1.
gewerbsmäßig (§ 70 StGB),
2.
in Bezug auf eine größere Zahl von Fremden, oder
3.
auf eine Art und Weise, durch die der Fremde, insbesondere während der Beförderung, längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wird,
begeht, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

(4) Wer die Tat nach Abs. 1 als Mitglied einer kriminellen Vereinigung oder auf eine Art und Weise begeht, dass dabei das Leben des Fremden, auf den sich die strafbare Handlung bezieht, gefährdet wird, ist vom Gericht mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

(5) Fremde, deren rechtswidrige Einreise oder Durchreise durch die Tat gefördert wird, sind nicht als Beteiligte (§ 12 StGB) zu bestrafen. Mit ihrer Zurück- oder Abschiebung darf zugewartet werden, wenn und solange dies erforderlich ist, um sie zum Sachverhalt zu vernehmen.

(6) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind bei Gefahr im Verzug ermächtigt, Gegenstände, die der Täter mit sich führt, oder zur Tatbegehung verwendete Beförderungsmittel oder Behältnisse zur Sicherung der Abschöpfung der Bereicherung (§ 20 StGB), des Verfalls (§ 20b StGB) oder der Einziehung (§ 26 StGB) vorläufig sicherzustellen. Die Ladung des Beförderungsmittels kann dem Zulassungsbesitzer oder seinem Beauftragten ausgefolgt werden. Von den getroffenen Maßnahmen ist das Gericht unverzüglich zu verständigen."

Der Beschwerdeführer bestreitet, dass von ihm eine für die Entziehung des Konventionsreisedokumentes maßgebliche Gefahr ausginge. In diesem Zusammenhang legt der Beschwerdeführer der belangten Behörde Ermittlungsmängel zur Last. Er bringt dazu vor, die belangte Behörde habe weder den den Beschwerdeführer betreffenden Strafakt eingeholt noch den Beschwerdeführer vernommen. Zu Letzterem ist festzuhalten, dass im Verwaltungsverfahren vor der belangten Behörde kein Anspruch auf mündliche Anhörung besteht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0286, mwN). Der Beschwerdeführer hatte zudem im Verwaltungsverfahren ausreichend Gelegenheit, sich im Rahmen der von ihm abgegebenen Stellungnahmen und der Berufung Gehör zu verschaffen. Hinsichtlich der unterbliebenen Einholung des Strafaktes zeigt die Beschwerde nicht auf, zu welchen ergänzenden oder anderen Feststellungen die belangte Behörde hätte kommen können. Es wird sohin die Relevanz des behaupteten, darauf bezugnehmenden Verfahrensfehlers für den Verfahrensausgang nicht aufgezeigt.

Der Beschwerdeführer bestreitet allerdings auch die Richtigkeit der von der belangten Behörde vorgenommenen Beurteilung nach § 94 Abs. 5 letzter Satz iVm § 93 Abs. 1 Z 1 und § 92 Abs. 1 Z 4 FPG.

Er verweist darauf, dass die gegen ihn ergangene Verurteilung schon lange zurückliege. Damit spricht der Beschwerdeführer offenkundig die im Jahr 2003 gegen ihn ergangene Verurteilung an. Dazu hat die belangte Behörde aber ohnedies festgehalten, dass das damalige Fehlverhalten für sich allein die Entziehung des Reisedokumentes nicht gerechtfertigt hätte. Erst unter Einbeziehung des vom Beschwerdeführer in weiterer Folge gezeigten Verhaltens gelangte sie im Rahmen der Gesamtbetrachtung zum Ergebnis, der in § 92 Abs. 1 Z 4 FPG enthaltene Tatbestand sei erfüllt. Soweit der Beschwerdeführer auf Erwägungen des Strafgerichtes zur Strafbemessung hinweist, ist ihm zu entgegnen, dass - wie er den Beschwerdeausführungen zufolge selbst erkannt hat - die Beurteilung hier von der Fremdenpolizeibehörde aus fremdenpolizeilichen Gesichtspunkten vorzunehmen ist.

Wenn der Beschwerdeführer vorbringt, strafbare Handlungen seien "niemals gänzlich auszuschließen" genügt der Hinweis, dass die belangte Behörde in nicht rechtswidriger Weise bei der Prognosebeurteilung das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers einer Würdigung unterzogen hat.

Wie die belangte Behörde schließlich richtig erkannt hat, ist im Zusammenhang mit der Entziehung von Konventionsreisedokumenten auf persönliche oder wirtschaftliche Interessen des Betroffenen nicht Rücksicht zu nehmen. Auf allfällige berufliche Einschränkungen, weil es dem Beschwerdeführer nicht möglich sei, im Rahmen seiner Berufstätigkeit ins Ausland zu fahren, kommt es daher hier nicht an. Schließlich ist der Beschwerdeführer aber auch noch darauf hinzuweisen, dass ein Konventionsreisedokument zur Darlegung der Flüchtlingseigenschaft bzw. zur legalen Arbeitsaufnahme in Österreich nicht erforderlich ist (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0504, mwN).

Auf dem Boden des festgestellten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers kann somit ungeachtet dessen, dass anhand der zuletzt gegen ihn in Deutschland ergangenen Verurteilung nicht auch - bezogen auf die für die in Deutschland begangene Straftat notwendigen Tatbestandselemente - alle in § 114 Abs. 1 FPG enthaltenen Voraussetzungen bejaht hätten werden können (allerdings entsprechen die behördlichen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer bei seinen Taten überhaupt keinen Vermögensvorteil erhalten hätte, nicht der Aktenlage, weil im in den Verwaltungsakten erliegenden Urteil des Amtsgerichtes L nur davon gesprochen wird, dass der Beschwerdeführer "offenbar zumindest keine größeren Geldbeträge" erhalten habe), in Würdigung seines Gesamtfehlverhaltens nicht als rechtswidrig angesehen werden.

Die Beschwerde war sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am