VwGH vom 18.06.2013, 2012/18/0005
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Eder, Mag. Feiel und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des FB in R, vertreten durch die Anzböck Brait Rechtsanwälte GmbH in 3430 Tulln, Stiegengasse 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-11-0308, betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gestützt auf §§ 9, 52, 53, 55 und 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) gegen den Beschwerdeführer, einen tunesischen Staatsangehörigen, eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einreiseverbot.
Begründend führte die belangte Behörde, die selbst nicht ausdrücklich Feststellungen traf, aber ihrer Entscheidung erkennbar die im bekämpften Bescheid wiedergegebenen Feststellungen der Behörde erster Instanz zugrunde legte, aus, der Beschwerdeführer sei seit in Österreich wohnhaft. In der Zeit von bis sei er mit einer slowakischen Staatsangehörigen verheiratet gewesen. Infolgedessen sei ihm eine Daueraufenthaltskarte ausgestellt worden. Anfang 2011 habe er der Behörde erster Instanz die Änderung seines Familienstandes bekannt gegeben und am den Scheidungsbeschluss vorgelegt. Im Zeitpunkt der Ehescheidung habe die Ehe noch keine drei Jahre bestanden.
Rechtlich folgerte die belangte Behörde, der Beschwerdeführer sei, weil er seit nicht mehr mit der slowakischen Staatsangehörigen verheiratet sei, kein Familienangehöriger einer EWR-Bürgerin mehr und somit auch nicht mehr als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG anzusehen. Es seien daher auch seine Rechte als Familienangehöriger einer EWR-Bürgerin untergegangen. Gemäß § 54 Abs. 6 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) hätte er zur Wahrung seines Aufenthaltsrechtes den Umstand der Ehescheidung unverzüglich bekannt geben müssen, was er aber nicht getan habe. Gemäß § 54 Abs. 5 Z 1 NAG wäre sein Aufenthaltsrecht nach der Scheidung allerdings ohnedies nur erhalten geblieben, wenn die Ehe mindestens drei Jahre bestanden hätte. Durch die Ausstellung der Daueraufenthaltskarte sei dem Beschwerdeführer von der (Niederlassungs )Behörde kein Aufenthaltsrecht eingeräumt worden. Sie habe nur die Dokumentation eines "allenfalls" zum Erteilungszeitpunkt auf Grund unionsrechtlicher Bestimmungen vorhandenen Aufenthaltsrechtes vorgenommen.
Somit sei der in der Berufung angezogene § 66 FPG nicht anwendbar. Weder gehe es im vorliegenden Fall um eine Ausweisung, noch sei der Beschwerdeführer als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen.
Es sei sohin für die gegenständliche Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot der Umstand wesentlich, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, weil ihm seit der Ehescheidung kein Aufenthaltsrecht mehr zukomme.
Im Weiteren legte die belangte Behörde noch dar, dass die nach der Ehescheidung ausgeübte unselbständige Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers als "Greenkeeper" ihrer Ansicht nach nicht den Vorschriften des Ausländerbeschäftigungsgesetzes entsprochen habe und infolgedessen auch die Erlassung eines Einreiseverbotes gerechtfertigt sei.
Sodann tätigte die belangte Behörde Ausführungen zur Beurteilung nach § 61 FPG und gelangte auch im Rahmen der dabei vorzunehmenden Interessenabwägung zur Zulässigkeit der gegenständlichen Maßnahmen.
Schließlich ging die belangte Behörde noch davon aus, es seien keine Gründe dafür zu finden, nicht mit der vom Gesetzgeber vorgesehenen Mindestdauer des Einreiseverbotes das Auslangen finden zu können. Die Befristung mit 18 Monate entspreche jenem Zeitraum, innerhalb dessen bei Gesamtbetrachtung der vorliegenden Umstände ein positiver Gesinnungswandel des Beschwerdeführers erwartet werden könne.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Zunächst ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall (im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides durch die am erfolgte Zustellung an die Behörde erster Instanz) das FPG und das NAG jeweils idF des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 (FrÄG 2011, BGBl. I Nr. 38) zur Anwendung kommen.
Der Beschwerdeführer verweist - wie bereits im Verwaltungsverfahren - auf § 55 NAG. Dies führt die Beschwerde zum Erfolg.
§ 2 Abs. 4 Z 11, § 31 Abs. 1 Z 2, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 1
und § 66 FPG (jeweils samt Überschrift) lauten:
" Begriffsbestimmungen
§ 2. (1) ...
(4) Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist
1. ...
11. begünstigter Drittstaatsangehöriger: der Ehegatte,
eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten
oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer
Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das
ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende
Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen
haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des
21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt
tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des
Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender
Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern
dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich
aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem
sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder
ihm nachzieht;
12. ..."
" Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im
Bundesgebiet
§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
...
2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung
oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;
..."
" Rückkehrentscheidung
§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen ist, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Berufung gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 66 Abs. 4 AVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Berufungsentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.
(2) ..."
" Einreiseverbot
§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung wird ein Einreiseverbot unter Einem erlassen. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.
(2) ..."
" Ausweisung
§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat die Behörde insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.
(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(4) § 59 Abs. 1 gilt sinngemäß."
§ 9 Abs. 1 und Abs. 2, § 54 Abs. 1, Abs. 5 Z 1, Abs. 6 und Abs. 7 sowie § 55 NAG (jeweils samt Überschrift) haben folgenden Wortlaut:
" Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts
§ 9. (1) Zur Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate werden auf Antrag ausgestellt:
1. eine 'Anmeldebescheinigung' (§ 53) für EWR-Bürger, die sich länger als drei Monate in Österreich aufhalten, und
2. eine 'Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-
Bürgers' (§ 54) für Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind.
(2) Zur Dokumentation des unionsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts werden auf Antrag ausgestellt:
1. eine 'Bescheinigung des Daueraufenthalts' (§ 53a) für EWR-Bürger, die das Daueraufenthaltsrecht erworben haben, und
2. eine 'Daueraufenthaltskarte' (§ 54a) für Drittstaatsangehörige, die Angehörige eines EWR-Bürgers sind und das Recht auf Daueraufenthalt erworben haben.
(3) ..."
" Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers
§ 54. (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.
(2) ...
(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen
Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder
Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft
erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger
geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 und 2 erfüllen und
1. die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen
Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre
bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;
2. ...
...
(6) Der Angehörige hat diese Umstände, wie insbesondere den Tod oder Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers, die Scheidung der Ehe oder die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben.
(7) Liegt eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30), eine Zwangsehe oder Zwangspartnerschaft (§ 30a) oder eine Vortäuschung eines Abstammungsverhältnisses oder einer familiären Beziehung zu einem unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger vor, ist ein Antrag gemäß Abs. 1 zurückzuweisen und die Zurückweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Antragsteller nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt."
" Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate
§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.
(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass die zuständige Fremdenpolizeibehörde hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Die zuständige Fremdenpolizeibehörde ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7.
(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 66 FPG), hat die Fremdenpolizeibehörde dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.
(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel 'Rot-Weiß-Rot - Karte plus' quotenfrei zu erteilen.
(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."
Dem Beschwerdeführer wurde (den Verwaltungsakten zufolge am von der Bezirkshauptmannschaft B) auf Grund seiner Ehe mit einer slowakischen Staatsangehörigen (die nach der Aktenlage ab mit dem Beschwerdeführer in Österreich gelebt und hier ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hat) gemäß § 54 Abs. 1 NAG (idF vor der am in Kraft getretenen Novellierung mit BGBl. I Nr. 122/2009) eine Daueraufenthaltskarte mit Gültigkeit bis ausgestellt.
Es trifft zwar ausgehend von § 9 NAG zu, dass es sich bei der Ausstellung (u.a.) einer Daueraufenthaltskarte an sich bloß um eine Dokumentation eines Aufenthaltsrechtes handelt, das bereits auf Grund unionsrechtlicher Vorschriften (und in Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben auch nach den Bestimmungen des NAG von Gesetzes wegen) besteht.
Der Gesetzgeber hat allerdings darüber hinaus in § 31 Abs. 1 Z 2 FPG ausdrücklich festgelegt, dass sich ein Fremder rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, wenn er (u.a.) auf Grund einer Dokumentation des Aufenthaltsrechts nach dem NAG zur Niederlassung oder zum Aufenthalt berechtigt ist.
Anhand der Bestimmungen des NAG ergibt sich ferner, dass bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, welches eine (Dauer )Aufenthaltskarte dokumentieren soll, nicht automatisch auch der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet beendet ist.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber in § 54 Abs. 6 NAG eine Verpflichtung des Fremden vorsieht, jene Umstände, die dazu führen (können), dass das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht mehr besteht, der Niederlassungsbehörde zu melden. Eine solche Meldung hat der Beschwerdeführer erstattet (den Feststellungen im angefochtenen Bescheid zufolge:
Anfang 2011; in den vorgelegten Verwaltungsakten erliegt ein von Mitarbeitern der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld angefertigtes Gedächtnisprotokoll, demzufolge der Beschwerdeführer und seine ehemalige Ehefrau im "Winter 2010/2011" bei der "ha. Fremdenpolizei" vorgesprochen und bekanntgegeben hätten, nicht mehr verheiratet zu sein; des Weiteren befindet sich in den Verwaltungsakten eine an die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld gerichtete Eingabe des Beschwerdeführers vom , die - neben einem Feststellungsbegehren und einem ausdrücklich auf § 55 Abs. 5 NAG gestützten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" - der Sache nach auch eine Mitteilung im Sinn des § 54 Abs. 6 NAG enthält).
Aus Anlass einer Meldung nach § 54 Abs. 6 NAG kann die Niederlassungsbehörde gemäß § 55 Abs. 2 NAG den Fortbestand der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht überprüfen. Sollte sie dabei zum Ergebnis kommen, dass die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat sie die in § 55 Abs. 3 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte zu setzen. Demnach hat die Niederlassungsbehörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass die zuständige Fremdenpolizeibehörde hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wird. Die zuständige Fremdenpolizeibehörde ist (von der Niederlassungsbehörde) unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt lediglich im - fallbezogen nicht relevanten - Fall des § 54 Abs. 7 NAG nicht. Unterbleibt eine "Aufenthaltsbeendigung (§ 66 FPG)" hat dies die Fremdenpolizeibehörde gemäß § 55 Abs. 4 NAG der Niederlassungsbehörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.
Daraus ist nun abzuleiten, dass ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig bleibt. Von einem solchen Verständnis gehen auch die Erläuterungen der Regierungsvorlage zur mit BGBl. I Nr. 122/2009 erfolgten (inhaltlich auch nach der Rechtslage nach dem FrÄG 2011 beibehaltenen) Änderung des § 55 NAG aus (330 BlgNR 24. GP 53), in denen (auszugsweise) wie folgt ausgeführt wurde:
"(...)
Abs. 3 übernimmt den Regelungsinhalt des bisherigen Abs. 1. Dieses Verfahren ist auch im Fall, dass eine Prüfung gemäß Abs. 2 ergibt, dass die Ausstellungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt werden, anzuwenden.
Der bisherige Abs. 2 erhält die Absatzbezeichnung Abs. 4 und wird terminologisch angepasst. Weiters wird der Verweis auf die Aufenthaltsbeendigung nach dem FPG richtiggestellt.
Der neue Abs. 5 stellt das erforderliche Anschlussstück zur Regelung des § 54 Abs. 3 bis 5 für den Fall, dass die dortigen Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts nicht erfüllt werden, dar. Liegen die Voraussetzungen für eine Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts nicht vor, unterbleibt allerdings eine Aufenthaltsbeendigung, ist eine 'Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt' auszustellen. Damit erfolgt eine Überleitung in die Regelungen für Drittstaatsangehörige ohne Bezug zu einem gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger. Da in diesem Fall keine Ausweisung der Angehörigen erfolgt, liegt auch keine Beschränkung im Sinne der Art. 27 ff Freizügigkeitsrichtlinie vor. § 55 stellt die Kernbestimmung zur Umsetzung von Art. 35 Freizügigkeitsrichtlinie, insbesondere zur Bekämpfung von Rechtsmissbrauch, dar. Ohne diese Bestimmung würden die Betroffenen rechtsmissbräuchlich weiterhin ihr gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht behalten, auch wenn die Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorliegen."
Demnach soll es einem Drittstaatsangehörigen möglich sein, trotz des Wegfalles der Voraussetzungen für ein aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht während seines Aufenthalts im Inland auf einen für seinen künftigen Aufenthaltszweck passenden Aufenthaltstitel "umzusteigen", ohne dass dies zur Folge hätte, dass während dieses Verfahrens sein Aufenthalt unrechtmäßig wäre. Dass der Aufenthalt allein schon wegen des Vorhandenseins einer (noch gültigen) Dokumentation als rechtmäßig anzusehen ist, bringen die zitierten Erläuterungen insofern deutlich zum Ausdruck als sie davon ausgehen, dass ohne die der Niederlassungsbehörde eingeräumte Überprüfungsmöglichkeit die Gefahr bestünde, Fremde könnten "weiterhin ihr gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht behalten, auch wenn die Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorliegen".
War der Beschwerdeführer aber auf Grund einer für ihn nach dem NAG ausgestellten Dokumentation rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig (vgl. dazu schon Pkt. 6.3. der Begründung des zur früheren, aber ähnlich gelagerten Rechtslage des FPG und NAG ergangenen hg. Erkenntnisses vom , Zl. 2007/21/0011), stellt sich die Erlassung einer auf § 52 Abs. 1 FPG gestützten Rückkehrentscheidung und eines damit nach § 53 FPG verbundenen Einreiseverbotes als nicht zulässig dar. Zudem geht aus § 55 Abs. 4 NAG infolge des darin enthaltenen - wie den zitierten Erläuterungen zu entnehmen ist: bewusst gesetzten - Verweises klar hervor, dass in den davon erfassten Konstellationen die Frage der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung anhand des § 66 FPG zu prüfen ist. Diesfalls kommt es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG nicht an. Ebenso wenig ist für das zu wählende Verfahren - was die belangte Behörde offenbar vor Augen hat - maßgeblich, zu welchem Zeitpunkt die Meldung nach § 54 Abs. 6 NAG erstattet wurde.
Zur Vermeidung von Missverständnissen sei hier im Hinblick auf die Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift aber noch festgehalten, dass § 55 Abs. 3 NAG hinsichtlich der Einleitung eines aufenthaltsbeendenden Verfahrens nicht nur auf das Fehlen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes aus Gründen der Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit Bezug nimmt, sondern auch auf das Fehlen des Aufenthaltsrechts, weil die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder 54 Abs. 2 NAG nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen.
Auf diese Bestimmung des § 55 Abs. 3 NAG nimmt auch der - die Ausweisung regelnde - § 66 FPG Bezug, der somit insoweit auch jenen Fall erfassen soll, in dem - wie hier - geprüft werden soll, ob für den Drittstaatsangehörigen, der über eine (Dauer )Aufenthaltskarte verfügt, die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht, also auch begünstigter Drittstaatsangehöriger zu sein, nicht mehr vorliegen. Ein solches Verfahren nach § 66 FPG einzuleiten ist - was hier der Vollständigkeit halber zu ergänzen ist - aber auch der Fremdenpolizeibehörde aus Eigenem - also auch ohne Vorliegen einer darauf abzielenden Mitteilung der Niederlassungsbehörde - nach den Bestimmungen des FPG nicht verwehrt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/22/0330).
Da der angefochtene Bescheid, mit dem gegen den Beschwerdeführer entgegen der dargestellten Rechtslage eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot erlassen wurde, nach dem oben Gesagten mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet ist, war er schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das übrige Beschwerdevorbringen hätte eingegangen werden müssen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Das auf die Erstattung von Umsatzsteuer abzielende Mehrbegehren war abzuweisen, weil diese im für den Ersatz von Schriftsatzaufwand in der genannten Verordnung festgelegten Pauschalsatz bereits enthalten ist.
Wien, am