VwGH 29.11.2011, 2010/10/0018
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | AVG §56; AVG §66 Abs4; PSchOG OÖ 1992 §49 Z4 idF 2009/034; PSchOG OÖ 1992 §50 Z7 idF 2009/034; PSchOG OÖ 1992 §51 Abs2; PSchOG OÖ 1992; VwGG §42 Abs2 Z1; VwGG §63 Abs1; VwRallg; |
RS 1 | Die Berufungsbehörde hat gemäß § 66 Abs. 4 AVG "in der Sache", das heißt in gleicher Weise zu entscheiden wie die Erstbehörde. Sie hat im allgemeinen die im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides geltende Rechtslage anzuwenden, es sei denn, der Gesetzgeber hätte in einer Übergangsbestimmung Gegenteiliges zum Ausdruck gebracht oder es wäre darüber abzusprechen, was zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem bestimmten Zeitraum rechtens war (vgl. E , 2008/10/0046). Aus den Bestimmungen des OÖ PSchOG 1992 ergibt sich, dass die von den Gemeinden zu leistenden Beiträge zum laufenden Schulerhaltungsaufwand des gesetzlichen Schulerhaltes zeitraumbezogene Leistungen sind. In der Frage, ob und in welchem Ausmaß für einen bestimmten Zeitraum (hier Kalenderjahr 2006) ein Anspruch des Schulerhalters auf Schulerhaltungsbeiträge gegenüber den sprengelangehörenden Gemeinden besteht, ist daher darüber abzusprechen, was in dem betreffenden Zeitraum rechtens war. (Hier: Die belBeh hatte das OÖ PSchOG 1992 in der für das Jahr 2006 maßgeblichen Fassung zu Grunde zu legen. Mangels von ihr zu berücksichtigender Änderung der Rechtslage war sie gemäß § 63 Abs. 1 VwGG an die vom VwGH geäußerte Rechtsauffassung gebunden. Bei der authentischen Interpretation muss sich aus dem Gesetz ergeben, dass der Gesetzgeber eine bestimmte Regelung in einem bestimmten Sinn verstanden wissen will. Aus den Bestimmungen der OÖ Pflichtschulorganisationsgesetz-Novelle 2009 ergibt sich nicht, dass der Gesetzgeber mit den Regelungen der §§ 49 Z. 4 und 50 Z. 7 OÖ PSchOG 1992 eine bestimmte Auslegung bestehender Bestimmungen vorgenommen habe. Die belBeh hat eine Berücksichtigung der Mietkosten als Kosten des laufenden Schulerhaltungsaufwandes bei der Festsetzung der Schulerhaltungsbeiträge für das Kalenderjahr 2006 neuerlich in Verkennung der Rechtslage abgelehnt.) |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2010/10/0019
2010/10/0037
2010/10/0021
2010/10/0038
2010/10/0020
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2010/10/0027 E
2010/10/0022 E
2010/10/0013 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Lukasser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerden der Stadtgemeinde Grieskirchen, vertreten durch Dr. Klaus-Dieter Strobach, Dr. Wolfgang Schmidauer und Mag. Renate Aigner, Rechtsanwälte in 4710 Grieskirchen, Stadtplatz 5, gegen die Bescheide der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. BGD-072346/97-2009, Zl. BGD-072346/78-2009, Zl. BGD-072346/82-2009 und Zl. BGD-072346/80-2009, vom , Zl. BGD-072346/91-2009 sowie vom , Zl. BGD-072346/87-2009, jeweils betreffend Schulerhaltungsbeiträge für das Jahr 2006 (mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinde Wendling, 4741 Wendling Nr. 14, 2. Gemeinde Meggenhofen, 4714 Meggenhofen Nr. 50, 3. Marktgemeinde Schlüßlberg, 4707 Schlüßlberg, Marktplatz 1, 4. Marktgemeinde Neumarkt im Hausruckkreis, 4720 Neumarkt, Marktplatz 30, 5. Markgemeinde Natternbach, 4723 Natternbach, Vischerstraße 1 und 6. Marktgemeinde Waizenkirchen, 4730 Waizenkirchen, Marktplatz 3), zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in Höhe von insgesamt EUR 6.638,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Die Mehrbegehren werden abgewiesen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen oben genannten Bescheiden der Oberösterreichischen Landesregierung vom 15., 19. und wurden jeweils Berufungen der beschwerdeführenden Partei gegen die erstbehördlichen Festsetzungen der von den mitbeteiligten Parteien für das Jahr 2006 an die beschwerdeführende Partei zu entrichtenden Schulerhaltungsbeiträge abgewiesen. Dies mit der im Wesentlichen gleichlautenden Begründung, die beschwerdeführende Partei, Schulerhalterin der Polytechnischen Schule und der Hauptschule Grieskirchen, habe zur Lösung des zusätzlichen schulischen Raumbedarfes Schulcontainer gemietet und die Auffassung vertreten, der betreffende Mietaufwand falle unter den laufenden Schulerhaltungsaufwand und könne daher auf die dem Schulsprengel angehörenden Gemeinden umgelegt werden. Diese Auffassung sei jedoch unzutreffend, weil § 49 Z. 4 des Oberösterreichischen Pflichtschulorganisationsgesetzes 1992, LGBl. Nr. 35 in der Fassung LGBl. Nr. 34/2009, "die Mieten, Leasingraten und sonstige wiederkehrende Leistungen für die Bereitstellung der Schulliegenschaften und der Schuleinrichtung" ausdrücklich als zum (nicht umlegbaren) Bau- und Errichtungsaufwand gehörend anführe.
Die gegen diese Bescheide an den Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerden wurden, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom , B 829/09 ua, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten und hier zu den Zlen. 2010/10/0018 bis 0021, 0037 und 0038 protokolliert. Die belangte Behörde legte die Akten der Verwaltungsverfahren vor und erstattete Gegenschriften, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragte. Die mitbeteiligten Parteien beteiligten sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die vorliegenden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden. Er hat sodann erwogen:
Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsbehörden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln verpflichtet, unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Bei der Erlassung des Ersatzbescheides sind die Verwaltungsbehörden somit an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden, es sei denn, es hätte sich zwischenzeitlich die Sach- oder Rechtslage geändert (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/10/0117, und die dort zit. Vorjudikatur).
Der angefochtenen Bescheide ergingen - nach Aufhebung der im ersten Rechtsgang erlassenen Berufungsentscheidungen wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes durch die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/10/0098, vom , Zlen. 2008/10/0267 ua., und vom , Zlen. 2008/10/0254 ua. - jeweils im fortgesetzten Verfahren. Die damals belangte Behörde habe - so die Entscheidungsgründe der aufhebenden hg. Erkenntnisse - die Rechtslage verkannt, weil sie die in Rede stehenden Mietkosten nicht als Kosten des laufenden Schulsachaufwandes anerkannt habe.
In den nunmehr angefochtenen Ersatzbescheiden verweist die belangte Behörde auf die zwischenzeitig erfolgte Änderung des Oö Pflichtschulorganisationsgesetzes 1992 (Oö. POG 1992) durch die Oö Pflichtschulorganisationsgesetz-Novelle 2009, LGBl. Nr. 34/2009. Mit dieser Novelle wurde dem den Bau- und Einrichtungsaufwand regelnden § 49 Oö POG 1992, eine Z. 4 angefügt, nach der "die Mieten, Leasingraten und sonstige wiederkehrende Leistungen für die Bereitstellung der Schulliegenschaften und der Schulerrichtung" zum Bau- und Errichtungsaufwand gehören. Weiters wurde der den laufenden Schulerhaltungsaufwand regelnde § 50 Oö POG 1992 dahin geändert, dass der Z. 7, wonach Mieten für Schulliegenschaften grundsätzlich zum laufenden Schulerhaltungsaufwand zählen, die Wortfolge "und mit Ausnahme der Aufwendungen im Sinn des § 49 Z. 4, die zur Abdeckung eines Schulraumbedarfs samt der erforderlichen Einrichtung dienen", angefügt wurde. Diese Bestimmungen traten mit in Kraft (vgl. Art. 2 Z. 4 der Oö POG-Novelle 2009).
Auf dem Boden der solcherart geänderten Rechtslage seien - so die belangte Behörde - die der beschwerdeführenden Partei aus der Anmietung von Schulcontainern erwachsenen Kosten nicht dem laufenden Schulerhaltungsaufwand, sondern dem Bau- und Einrichtungsaufwand zuzuordnen.
Die beschwerdeführende Partei hält dagegen, die Oö POG-Novelle 2009 sei auf die vorliegenden Beschwerdefälle nicht anwendbar.
Bereits dieses Vorbringen führt die Beschwerden im Ergebnis zum Erfolg:
Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. zum Beispiel das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/10/0046, und die dort zitierte Vorjudikatur) hat die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG "in der Sache", das heißt in gleicher Weise zu entscheiden wie die Erstbehörde. Sie hat im allgemeinen die im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides geltende Rechtslage anzuwenden, es sei denn, der Gesetzgeber hätte in einer Übergangsbestimmung Gegenteiliges zum Ausdruck gebracht oder es wäre darüber abzusprechen, was zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem bestimmten Zeitraum rechtens war.
Nun ergibt sich aus den Bestimmungen des Oö POG 1992, dass die von den beteiligten Gemeinden zu leistenden Beiträge zum laufenden Schulerhaltungsaufwand des gesetzlichen Schulerhaltes zeitraumbezogene Leistungen sind: Sie sind gemäß § 51 Abs. 2 Oö POG 1992 in der Weise zu berechnen, dass der nicht durch Zuwendungen von anderer Seite oder durch sonstige mit dem Schulbetrieb zusammenhängende Einnahmen gedeckte laufende Schulerhaltungsaufwand des vorausgegangenen Kalenderjahres durch die Gesamtzahl der Schüler dieser Schule zu teilen ist (Kopfquote). Die Kopfquote ist mit der Zahl der im eingeschulten Gebiet der jeweiligen beteiligten Gemeinde wohnenden und diese Schule rechtmäßig besuchenden Schüler zu vervielfachen. Stichtag für die Ermittlung der Schülerzahlen ist jeweils der 15. Oktober des vorausgegangenen Kalenderjahres.
In der Frage, ob und in welchem Ausmaß für einen bestimmten Zeitraum - in den vorliegenden Fällen für das Kalenderjahr 2006 - ein Anspruch des Schulerhalters auf Schulerhaltungsbeiträge gegenüber den sprengelangehörenden Gemeinden besteht, ist daher darüber abzusprechen, was in dem betreffenden Zeitraum rechtens war. Die belangte Behörde hatte daher in den vorliegenden Beschwerdefällen ihrer Entscheidung das Oö POG 1992 in der für das Kalenderjahr 2006 maßgeblichen Fassung und nicht in der Fassung der erst mit in Kraft getretenen Oö POG-Novelle 2009 zu Grunde zu legen. Mangels von ihr zu berücksichtigender Änderung der Rechtslage war sie gemäß § 63 Abs. 1 VwGG an die vom Verwaltungsgerichtshof in den erwähnten Erkenntnissen geäußerte Rechtsauffassung gebunden.
Soweit die belangte Behörde in den jeweiligen Gegenschriften vorbringt, mit den Bestimmungen der §§ 49 Z. 4 und 50 Z. 7 Oö Pflichtschulorganisationsgesetz 1992 habe der Gesetzgeber "authentisch" festgelegt, in welchem Sinn er die Regelungen betreffend den Bau- und Errichtungsaufwand und den laufenden Schulerhaltungsaufwand verstanden wissen wolle und es müsse diese Interpretation in allen noch nicht rechtskräftig entschiedenen Fällen Platz greifen, ist darauf hinzuweisen, dass sich bei der so genannten authentischen Interpretation aus dem Gesetz ergeben muss, dass der Gesetzgeber eine bestimmte Regelung in einem bestimmten Sinn verstanden wissen will. Aus den Bestimmungen der OÖ Pflichtschulorganisationsgesetz-Novelle 2009 ergibt sich aber keineswegs, dass der Gesetzgeber mit den Regelungen der §§ 49 Z. 4 und 50 Z. 7 OÖ POG 1992 eine bestimmte Auslegung bestehender Bestimmungen vorgenommen habe. Vielmehr ist hier normiert, dass ab dem Inkrafttreten der Novelle Mieten, Leasingraten und sonstige wiederkehrende Leistungen für die Bereitstellung der Schulliegenschaften und der Schuleinrichtung zu den Kosten des Bau- und Einrichtungsaufwandes zu zählen sind und daher auf die beteiligten Gemeinden nicht mehr umgelegt werden dürfen. Gleichzeitig wurde hinsichtlich dieser Kosten eine Ausnahme von der Regelung geschaffen, wonach Mietaufwendungen für Schulliegenschaften grundsätzlich Kosten des laufenden Schulerhaltungsaufwandes darstellen.
Die belangte Behörde hat eine Berücksichtigung der in Rede stehenden Mietkosten als Kosten des laufenden Schulerhaltungsaufwandes bei der Festsetzung der Schulerhaltungsbeiträge für das Kalenderjahr 2006 neuerlich in Verkennung der Rechtslage abgelehnt. Die angefochtenen Bescheide waren daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden musste.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 f VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. Nr. 455/2008. Soweit von der beschwerdeführenden Partei der Ersatz der Eingabengebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG begehrt wurde, waren diese Anträge abzuweisen, weil die beschwerdeführende Partei als Gebietskörperschaft von der Entrichtung dieser Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 Z. 3 VwGG befreit war.
Wien, am
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Normen | AVG §56; AVG §66 Abs4; PSchOG OÖ 1992 §49 Z4 idF 2009/034; PSchOG OÖ 1992 §50 Z7 idF 2009/034; PSchOG OÖ 1992 §51 Abs2; PSchOG OÖ 1992; VwGG §42 Abs2 Z1; VwGG §63 Abs1; VwRallg; |
Schlagworte | Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Allgemein authentische Interpretation VwRallg3/1 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Besondere Rechtsgebiete |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:2010100018.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAE-76234