VwGH vom 28.02.2013, 2010/10/0001
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde des A K in Innsbruck, vertreten durch Mag. Nikolaus Weiser, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Hamerlingplatz 7/14, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom , Zl. Va-459- 31346/1/98, betreffend Hilfe zum Lebensunterhalt, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchpunktes 1. (Gewährung einer monatlichen Unterstützung für Hilfe zum Lebensunterhalt in der Höhe von EUR 70,90) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am bei der belangten Behörde einen "Antrag auf Gewährung eine Maßnahme nach dem Tiroler Rehabilitationsgesetz", wobei er im verwendeten Antragsformular die Rubrik "§ 13 - Hilfe zum Lebensunterhalt" ankreuzte und in der Rubrik "Konkret beantragte Maßnahme (bei §§7, 8, 9,10,11 bzw. 14 bitte angeben)" das Wort "Bekleidungsgeld" anführte.
Gemäß Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Tiroler Rehabilitationsgesetz iVm §§ 1 und 6 des Tiroler Grundsicherungsgesetzes (TGSG) sowie "den Bestimmungen der Tiroler Grundsicherungsverordnung (TGSV)" für den Zeitraum vom bis eine monatliche Unterstützung für Hilfe zum Lebensunterhalt in der Höhe von EUR 70,90 gewährt.
Eine Begründung - so die belangte Behörde - könne gemäß § 58 Abs. 2 AVG entfallen, weil dem Antrag vollinhaltlich stattgegeben worden sei.
Gegen Spruchpunkt 1. dieses Bescheides richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:
Die Beschwerde bringt ua. vor, die Annahme der belangten Behörde, dass die gewährte Unterstützung in der Höhe von EUR 70,90 dem Antrag des Beschwerdeführers vollinhaltlich Rechnung trage, sei verfehlt, da der Antrag nicht auf die Zuerkennung eines ziffernmäßig bestimmten Betrages gerichtet gewesen sei. Die belangte Behörde habe es verabsäumt, den Standpunkt der Partei vorab zu ermitteln. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die belangte die gewährte Unterstützungsleistung berechnet habe. Es sei eine im Vergleich zu - näher bezeichneten - vorangegangen Bescheiden erheblich geringere Leistung zuerkannt worden, obwohl sich der zu Grunde liegende Sachverhalt nicht wesentlich verändert habe.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg:
Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird.
Im Beschwerdefall lag die Voraussetzung für ein Absehen von der Begründung nicht vor, weil der erwähnte - ohne betragliche Konkretisierung "Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 13 Tiroler Rehabilitationsgesetz" begehrende - Antrag vom als Begehren auf Zuerkennung der nach den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers nach Maßgabe der darauf anzuwendenden gesetzlichen Vorschriften gebührenden Hilfe zum Lebensunterhalt zu deuten war; es kann daher nicht davon gesprochen werden, dass die Behörde diesem Antrag mit der Gewährung einer Unterstützung in der Höhe von EUR 70,90 monatlich im Sinne des § 58 Abs. 2 AVG "vollinhaltlich Rechnung getragen" hätte.
Die belangte Behörde wäre vielmehr zur Begründung des angefochtenen Bescheides verpflichtet gewesen und hätte hiebei im Sinne des § 60 AVG insbesondere Feststellungen zu den konkreten, anspruchsbegründenden Lebensumständen des Beschwerdeführers zu treffen und die Berechnungsgrundlagen (unter Darlegung der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen bzw. der angewendeten Regelungen der TGSV) offenzulegen gehabt (vgl. dazu etwa das den Beschwerdeführer betreffende hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/10/0344).
Infolge Fehlens einer Begründung ist der Verwaltungsgerichtshof gehindert, den angefochtenen Bescheid (im Umfang seines in Beschwerde gezogenen Spruchpunktes 1.) auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Auf die umfänglichen Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde kann diesbezüglich nicht Bedacht genommen werden, weil Ausführungen in der Gegenschrift dem angefochtenen Bescheid anhaftende Begründungsmängel nicht zu sanieren vermögen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/10/0016, mwN).
Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit wesentlichen Verfahrensmängeln behaftet, sodass er im erwähnten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Für das fortgesetzte Verfahren wird hinsichtlich der in Beschwerde und Gegenschrift erörterten Rechtsfrage, ob auf den Beschwerdeführer der Richtsatz gemäß § 5 Abs. 1 lit. a Z. 4 TGSV Anwendung finde bzw. ob die Bestimmungen des FLAG der Berücksichtigung der Familienbeihilfe bei der Bemessung der Hilfe zum Lebensunterhalt entgegenstehen, auf die diesbezüglichen Ausführungen im zitierten hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/10/0344, verwiesen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
IAAAE-76194