VwGH 06.09.2012, 2010/09/0244
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde 1. der S KG in W, und 2. der Y in K, beide vertreten durch Mag. Ulrike Kargl, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Weißgerberlände 38/20, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservices vom , Zl. 3/08114/337 2821, betreffend Versagung der Zulassung als Schlüsselkraft nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird auf Grund der Beschwerde der erstbeschwerdeführenden Partei wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.
Das Arbeitsmarktservice hat der erstbeschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrages auf Zulassung der Zweitbeschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen der russischen Föderation, als Schlüsselkraft im Unternehmen der erstbeschwerdeführenden Partei gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 5 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen wie folgt begründet (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Mit der Normierung des § 2 Abs. 5 AuslBG wurde aus beschäftigungspolitischen Erwägungen ein Steuermechanismus für den Neuzugang von unselbständigen Erwerbstätigen zum inländischen Arbeitsmarkt geschaffen, der unter strengen Maßstäben hochqualifizierten Arbeitskräften eine Zulassung zu diesem eröffnet.
Um der generellen Bedingung dieser Bestimmung 'einer besonderen, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragten Ausbildung' gerecht zu werden, muss einerseits eine schulische, universitäre oder berufliche Bildung erworben worden sein, die über das normale Maß hinaus als ausgezeichnet zu qualifizieren ist und andererseits gleichzeitig an Personen mit einer solchen eine entsprechende Nachfrage im Inland bestehen.
Dieses Erfordernis ist nur erfüllt, wenn der ausländische Staatsbürger über eine diesbezügliche Ausbildung in einem Bereich verfügt, welche am bundesweiten Arbeitsmarkt nachgefragt ist und nicht durch am inländischen Arbeitsmarkt verfügbare Arbeitskräfte abgedeckt werden kann.
Frau S verfügt durch das ihr von der Immanuel - Kant - Universität am verliehene Diplom Verkehrsmanagementingenieurin im Studienfach Organisation der Beförderung und Management im Verkehrswesen über keine hochqualifizierte Ausbildung im Sinne des § 2 Abs. 5 AuslBG.
Zudem ist eine spezielle Nachfrage an einer Arbeitskraft für den Aufgabenbereich Verkauf und Logistik mit der von Ihnen geforderten Ausbildung und Sprachkenntnis am inländischen Arbeitsmarkt nicht evident.
Für das Vorhandensein spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung muss die Qualifikation des Ausländers auf besonderen Fähigkeiten oder Talenten beruhen, welche für die geplante Beschäftigung ein unbedingtes Erfordernis darstellen.
Frau S besitzt anhand der evidenten Fakten über keine berufliche Praxis und es wurde Ihrerseits auch diesbezüglich kein Nachweis erbracht.
Die Sprachkenntnisse von Frau S können diese Anforderung nicht ersetzen und stellen keine speziellen Kenntnisse und Fertigkeiten im Sinne des § 2 Abs. 5 AuslBG dar, da die Erfüllung dieser Bedingung im Konnex mit einer entsprechender beruflicher Erfahrung stehen muss.
Eine außergewöhnlich hohe Qualifikation von Frau S entsprechend der Normierung des § 2 Abs. 5 AuslBG liegt nach dem evidenten Sachverhalt nicht vor.
Aus den aufgezeigten Fakten treffen sind die Grundbedingungen des § 2 Abs. 5 AuslBG, nämlich das Vorhandensein einer besonderen Ausbildung, nach der am inländischen Arbeitsmarkt eine offenkundige Nachfrage besteht oder der Erwerb spezieller Kenntnisse oder Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung nicht zu.
Somit sind die Voraussetzungen für die Zulassung von Frau S als Schlüsselkraft zum österreichischen Arbeitsmarkt nicht gegeben.
Aufgrund dieses Sachverhaltes erübrigt sich die Prüfung, ob eine der in den Ziffern 1 bis 5 des § 2 Abs. 5 AuslBG genannten zusätzlichen Voraussetzungen durch ihre in Aussicht genommene Beschäftigung, wie von Ihnen ausgeführt, im gegenständlichen Verfahren vorliegt."
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde in einem Senat gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG erwogen:
Die anzuwendenden Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975, in der Fassung BGBl. I Nr. 126/2002, lauten auszugsweise:
"§ 2. ...
...
(5) Als Schlüsselkräfte gelten Ausländer, die über eine besondere, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung oder über spezielle Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung verfügen und für die beabsichtigte Beschäftigung eine monatliche Bruttoentlohnung erhalten, die durchwegs mindestens 60 vH der Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 Abs. 3 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) zuzüglich Sonderzahlungen zu betragen hat. Überdies muss mindestens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
1. die beabsichtigte Beschäftigung hat eine besondere,
über das betriebsbezogene Interesse hinausgehende Bedeutung für
die betroffene Region oder den betroffenen Teilarbeitsmarkt oder
2. die beabsichtigte Beschäftigung trägt zur Schaffung
neuer Arbeitsplätze oder zur Sicherung bestehender Arbeitsplätze
bei oder
3. der Ausländer übt einen maßgeblichen Einfluss auf
die Führung des Betriebes (Führungskraft) aus oder
4. die beabsichtigte Beschäftigung hat einen Transfer
von Investitionskapital nach Österreich zur Folge oder
5. der Ausländer verfügt über einen Abschluss einer
Hochschul- oder Fachhochschulausbildung oder einer sonstigen fachlich besonders anerkannten Ausbildung."
Die Beschwerdeführerinnen halten den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde verkannt habe, dass die Zweitbeschwerdeführerin die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 AuslBG für eine Schlüsselkraft erfülle, insbesondere im Hinblick darauf, dass sie über eine besondere, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragte Ausbildung, sie weise den Abschluss einer Hochschulausbildung auf. Die belangte Behörde habe keinerlei erkennbare Erhebungen hinsichtlich der geltend gemachten Voraussetzungen getätigt.
Mit der Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.
Nach § 2 Abs. 5 AuslBG muss neben einem der in den Z. 1 bis 5 des zweiten Satzes dieser Vorschrift genannten - besonderen - Kriterien zumindest eine der im Einleitungssatz dieser Bestimmung alternativ genannten Voraussetzungen einer "besonderen, am inländischen Arbeitsmarkt nachgefragten Ausbildung" oder "spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung" vorliegen, um die Voraussetzungen der Zulassung eines Ausländers als "Schlüsselkraft" zu bewirken (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/09/0180).
Im vorliegenden Fall sah die belangte Behörde die Voraussetzung des Einleitungssatzes des § 2 Abs. 5 AuslBG "spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten mit entsprechender beruflicher Erfahrung" deswegen nicht erfüllt, weil nach Auffassung der belangten Behörde die Qualifikation der Ausländerin auf besonderen Fähigkeiten oder Talenten beruhen müsse, welche für die geplante Beschäftigung ein unbedingtes Erfordernis darstellten. Die zweitbeschwerdeführende Partei besitze "anhand der evidenten Fakten über keine berufliche Praxis" und es sei ihrerseits auch diesbezüglich kein Nachweis erbracht worden.
Die belangte Behörde hat sich mit ihrer Feststellung, die zweitbeschwerdeführende Partei besitze keinerlei berufliche Praxis, vom Vorbringen in der Berufung entfernt, in welcher insbesondere auch ausgeführt ist, die zweitbeschwerdeführende Partei verfüge über eine "jahrelange Arbeitserfahrung bei einem Wurstwarenhersteller in Kaliningrad" und über einen "gesamten Kundenstock". Bei diesem Vorbringen wäre die belangte Behörde im Fall von Zweifeln der Richtigkeit dieser Angaben gehalten gewesen, der Berufungswerberin gemäß § 45 Abs. 3 AVG Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Präzisierung oder zur Erstattung eines Nachweises einer vom Einleitungssatz des § 2 Abs. 5 AuslBG geforderten beruflichen Erfahrung aufzufordern. Dies hat die belangte Behörde jedoch unterlassen, weshalb die Feststellung der belangten Behörde, die Zweitbeschwerdeführerin verfüge über keinerlei Erfahrung, in einem mangelhaften Verfahren zustande gekommen ist. Dieser Verfahrensmangel wird in der Beschwerde, die nähere Angaben über den beruflichen Werdegang der Zweitbeschwerdeführerin enthält, konkretisiert.
Mit der Frage des Vorliegens eine der in den Ziffern 1 bis 5 des § 2 Abs. 5 AuslBG genannten Voraussetzungen hat sich die belangte Behörde gar nicht mehr befasst. Dazu wäre sie jedoch bei dieser Sachlage insbesondere angesichts des Vorbringens, dass die zweitbeschwerdeführende Partei den Studiengang "Organisation der Beförderungen unter Management in Verkehrswesen (Kraftverkehr)" an der russischen staatlichen Immanuel - Kant - Universität lt. Norm von fünf Jahren abgeschlossen habe, vor dem Hintergrund des § 2 Abs. 5 Z 5 AuslBG gehalten gewesen.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid auf Grund der Beschwerde der erstbeschwerdeführenden Partei sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben.
Die Beschwerde der zweitbeschwerdeführenden Partei war jedoch zurückzuweisen, weil die Zweitbeschwerdeführerin keine Berufung erhoben und damit entgegen Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG den Instanzenzug nicht erschöpft hat (§ 34 Abs. 1 VwGG).
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008. Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AuslBG §2 Abs5 idF 2002/I/126; AuslBG §2 Abs5 Z5 idF 2002/I/126; AVG §45 Abs3; B-VG Art131 Abs1 Z1; VwGG §34 Abs1; VwGG §42 Abs2 Z3; |
Schlagworte | Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetze |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2012:2010090244.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAE-76185