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VwGH 16.01.2018, Ra 2017/22/0162

VwGH 16.01.2018, Ra 2017/22/0162

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Die Behebung und Zurückverweisung haben sowohl nach Abs. 3 als auch nach Abs. 4 des § 28 VwGVG 2014 nicht durch Erkenntnis, sondern mit Beschluss zu erfolgen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2017/22/0066 E RS 1
Normen
RS 2
Legt das VwG nicht dar, in welcher Weise der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht feststeht oder allenfalls erforderliche Ergänzungen nicht vom VwG selbst vorzunehmen wären (vgl. etwa ), so ist nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung nach § 28 Abs. 2 VwGVG 2014 nicht erfüllt sind, weswegen die auf § 28 Abs. 3 VwGVG 2014 gestützte angefochtene Entscheidung eine nachvollziehbare Begründung vermissen lässt.
Normen
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
RS 3
Eine Aktenwidrigkeit stellt für sich genommen keine Ermittlungslücke dar, die eine Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 rechtfertigen würde.
Normen
B-VG Art130;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwRallg;
RS 4
Der Umstand, dass das VwG (offenbar) die rechtliche Beurteilung durch die Behörde nicht teilt, ermächtigt nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2017/22/0066 E RS 5
Normen
NAG 2005 §20 Abs2;
NAG 2005 §64 Abs3;
NAGDV 2005 §8 Z7 litb;
UniversitätsG 2002 §75 Abs6;
VwRallg;
RS 5
Gegen ein Akzeptieren des Studienerfolgs im aktuell laufenden Jahr und ein damit verbundenes Hinwegsehen über den fehlenden Studienerfolg im zuletzt abgelaufenen Studienjahr spricht - neben dem Wortlaut des § 8 Z 7 lit. b NAGDV 2005 - auch, dass mit jedem Verlängerungsantrag und somit (grundsätzlich) jährlich der Studienerfolg für das jeweils vorausgegangene Studienjahr nachzuweisen ist (vgl. E , Ro 2015/22/0095).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2015/22/0004 B RS 2
Normen
RS 6
Eine unterbliebene Berücksichtigung der im mittlerweile abgelaufenen Studienjahr abgeschlossenen Prüfungen kann für sich allein im Verfahren betreffend Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gemäß § 64 Abs. 1 und 3 NAG 2005 eine Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 nicht rechtfertigen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW- 151/011/9508/2017-3, betreffend Aufenthaltsbewilligung (mitbeteiligte Partei: O U in W, vertreten durch Mag. Wolfgang Moser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wächtergasse 1/11), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (belangte Behörde) vom wurde der Antrag des Mitbeteiligten, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung "Studierender" gemäß § 64 Abs. 1 und 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.

Die belangte Behörde hielt fest, dass der Mitbeteiligte seit über eine Aufenthaltsbewilligung "Studierender" verfüge, zuletzt verlängert bis zum . Sie verwies auf die vorliegende "Bestätigung über positiv absolvierte Prüfungen" vom und den Bescheid über eine Anerkennung von Prüfungen vom . Zwar seien die in der Bestätigung aufscheinenden Prüfungen im zuletzt abgeschlossenen Studienjahr (2015/2016) anerkannt worden, sie seien jedoch nicht im maßgeblichen Studienjahr absolviert und "bereits in den letzten Verlängerungsverfahren zum Nachweis eines Studienerfolges herangezogen" worden. Für das zuletzt abgeschlossene Studienjahr könne der Mitbeteiligte lediglich zwei näher bezeichnete Prüfungen im Ausmaß von insgesamt 11 ECTS bzw. 4 Semesterstunden nachweisen. Die vom Mitbeteiligten in seiner Stellungnahme vom aufgelisteten Prüfungen fielen alle in das aktuelle Studienjahr 2016/2017. Die Voraussetzung für eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gemäß § 64 Abs. 3 NAG, nämlich den geforderten Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr nachzuweisen, sei somit nicht erfüllt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom gab das Verwaltungsgericht Wien der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG statt, behob den angefochtenen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurück. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

Das Verwaltungsgericht verwies (unter Hinweis auf konkret bezeichnete Teile des Verwaltungsaktes) auf die vom Mitbeteiligten vorgelegten Unterlagen, konkret einen Nachweis über Prüfungen im Umfang von 44 ECTS, eine detaillierte Auflistung dieser Prüfungsnachweise sowie den Bescheid über die Anerkennung abgelegter Prüfungen der Universität Wien. Der Landeshauptmann habe sich jedoch im angefochtenen Bescheid "nicht vertiefend mit den vorgelegten Unterlagen auseinandergesetzt", sondern lediglich festgestellt, dass diese Prüfungsergebnisse bereits im achten Verlängerungsantrag berücksichtigt worden seien. Damit liege jedoch eine Aktenwidrigkeit vor, zumal die achte Verlängerung am bewilligt worden sei und die zitierten Unterlagen nach diesem Datum im Zuge der nunmehrigen neunten Einreichung vorgelegt worden und auch späteren Datums seien. Abschließend wurde wie folgt ausgeführt:

"Damit liegen jedoch die Voraussetzungen für die Zurückverweisung vor, zumal entgegen der Parteienanträge deren vorgelegten Urkunden und Nachweisen nicht Rechnung getragen wurde."

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde.

4 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen.

5 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht sei von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG abgewichen.

6 Die Revision ist im Hinblick auf dieses Vorbringen zulässig und auch berechtigt.

7 Vorauszuschicken ist zunächst, dass die Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nicht durch Erkenntnis, sondern mit Beschluss zu erfolgen hat.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Ro 2014/03/0063, ausgesprochen, dass die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 VwGVG und somit eine Aufhebung und Zurückverweisung erst dann in Betracht kommt, wenn die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG, die eine Pflicht des Verwaltungsgerichtes zur Entscheidung in der Sache selbst nach sich ziehen, nicht vorliegen. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis festgehalten, dass das Verwaltungsgericht nachvollziehbar zu begründen hat, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt.

9 Dass die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung nach § 28 Abs. 2 VwGVG vorliegend nicht erfüllt sind, lässt sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht ersichtlich. Es wird nicht dargelegt, in welcher Weise der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht feststeht oder allenfalls erforderliche Ergänzungen nicht vom Verwaltungsgericht selbst vorzunehmen wären (vgl. etwa ). Das angefochtene Erkenntnis lässt somit eine nachvollziehbare Begründung vermissen.

10 Auch eine - vorliegend vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführte - Aktenwidrigkeit stellt für sich genommen keine Ermittlungslücke dar, die eine Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG rechtfertigen würde. Darüber hinaus ist eine derartige Aktenwidrigkeit für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht ersichtlich, weil die belangte Behörde auf die vom Mitbeteiligten vorgelegten Unterlagen ohnehin Bezug genommen hat, aber die darin nachgewiesenen Prüfungen - zum einen mit der Begründung, sie beträfen das aktuelle, noch nicht abgeschlossene Studienjahr 2016/2017, zum anderen deswegen, weil die Prüfungen zwar im maßgeblichen Studienjahr anerkannt, aber früher absolviert und bereits bei vergangenen Verlängerungsverfahren berücksichtigt worden seien - nicht als für den Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr maßgeblich angesehen hat. Sollte das Verwaltungsgericht mit seiner Rüge zum Ausdruck bringen wollen, dass es diese rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde nicht teilt, würde auch dies eine Behebung und Zurückverweisung nicht rechtfertigen.

11 Soweit der Mitbeteiligte in seiner Revisionsbeantwortung darauf verweist, dass mittlerweile das Studienjahr 2016/2017 abgelaufen sei, genügt zum einen der Hinweis darauf, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses das Studienjahr 2016/2017 noch nicht abgeschlossen war (siehe diesbezüglich , Rn. 10, mwN). Zum anderen könnte auch eine unterbliebene Berücksichtigung der vom Mitbeteiligten ins Treffen geführten, im Studienjahr 2016/2017 abgeschlossenen Prüfungen für sich allein eine Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nicht rechtfertigen.

12 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich somit als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut
des Gesetzes VwRallg3/2/1
Ermessen VwRallg8
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017220162.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAE-76170