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VwGH vom 21.06.2018, Ra 2017/22/0155

VwGH vom 21.06.2018, Ra 2017/22/0155

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW-151/080/2820/2017- 9, betreffend Aufenthaltsbewilligung (mitbeteiligte Partei: A T, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hahngasse 25/5), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte, eine kirgisische Staatsangehörige, verfügte zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung "Schüler" gemäß § 63 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) mit einer Gültigkeit bis zum .

2 Mit Bescheid vom wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde, Revisionswerber) den Verlängerungsantrag der Mitbeteiligten vom ab, weil die Mitbeteiligte im letzten Schuljahr - als maßgeblich wurde das Schuljahr 2015/2016 erachtet - den erforderlichen Schulerfolg nicht nachweisen habe können.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom gab das Verwaltungsgericht Wien der dagegen erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten statt und erteilte ihr eine Aufenthaltsbewilligung "Schüler" gemäß § 63 Abs. 1 und 3 NAG für die Dauer von zwölf Monaten (Spruchpunkt I.). In Anwendung des § 20 Abs. 2 NAG stellte das Verwaltungsgericht fest, dass der Aufenthalt der Mitbeteiligten im Bundesgebiet im Zeitraum vom bis zum rechtmäßig war (Spruchpunkt II.). Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt (Spruchpunkt III.).

Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, dass die Mitbeteiligte bis als ordentliche Schülerin des I gemeldet gewesen sei. Im Schuljahr 2015/2016 sei sie in drei Modulen negativ und in zwei Modulen nicht beurteilt worden. Damit habe sie im Sommersemester 2015 und im Wintersemester 2015/2016 weniger als 10 Wochenstunden erfolgreich abgeschlossen und die Ausbildung könne gemäß § 32 Abs. 1 Z 4 des Schulunterrichtsgesetzes für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehrgänge (SchUG-BKV) nicht weitergeführt werden. Von bis habe sie das Kolleg der Handelsakademie für Berufstätige besucht. Seit dem Schuljahr 2016/2017 besuche sie ein näher bezeichnetes Abendkolleg für Berufstätige. Dort habe sie im ersten Semester 20 Wochenstunden und im zweiten Semester 18 Wochenstunden positiv absolviert.

In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Verwaltungsgericht auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach grundsätzlich der Schulerfolg für das dem Antragszeitpunkt vorangegangene, abgeschlossene Schuljahr nachzuweisen sei, jedoch dann, wenn zum Entscheidungszeitpunkt bereits ein weiteres Schuljahr verstrichen sei, die Erbringung eines Erfolgsnachweises für das zuletzt abgelaufene Schuljahr zulässig sei. Ausgehend davon sei das zuletzt abgeschlossene Schuljahr 2016/2017 der Beurteilung zugrunde zu legen. Die Mitbeteiligte erfülle durch positive Noten in Unterrichtsfächern im Ausmaß von mehr als zehn Wochenstunden pro Semester die Voraussetzung für einen weiteren Schulbesuch und somit sei ein Schulerfolg gemäß § 63 Abs. 3 NAG nachgewiesen. Da auch die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen vorlägen, sei eine weitere Aufenthaltsbewilligung zu erteilen gewesen.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision.

5 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen.

6 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht das Schuljahr 2016/2017 als maßgeblich herangezogen, weil dieses Schuljahr noch nicht abgelaufen gewesen sei und Leistungen, die im aktuell laufenden Schuljahr erbracht worden seien, für die Beurteilung nach § 63 Abs. 3 NAG nicht heranzuziehen seien.

Die Revision ist im Hinblick auf dieses Vorbringen zulässig. 7 § 63 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, lautet auszugsweise:

"Schüler

§ 63. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine Aufenthaltsbewilligung für Schüler ausgestellt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

...

(3) Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen dem Besuch einer Schule im Sinne des Abs. 1, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn der Drittstaatsangehörige einen Nachweis über den Schulerfolg und in den Fällen des Abs. 1 Z 5 darüber hinaus über die Aufnahme als ordentlicher Schüler erbringt. Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Schulerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden."

8 § 8 der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV), BGBl. II Nr. 451/2005 in der Fassung BGBl. II Nr. 481/2013, lautet auszugsweise:

"Weitere Urkunden und Nachweise für Aufenthaltsbewilligungen

§ 8. Zusätzlich zu den in § 7 genannten Urkunden und Nachweisen sind dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung weitere Urkunden und Nachweise anzuschließen:

...

6. für eine ‚Aufenthaltsbewilligung - Schüler':

...

c) im Fall eines Verlängerungsantrages ein schriftlicher

Nachweis der Schule oder der nichtschulischen Bildungseinrichtung über den Schulerfolg im vorangegangenen Schuljahr und in den Fällen des § 63 Abs. 1 Z 5 NAG darüber hinaus über die Aufnahme als ordentlicher Schüler;

..."

9 Die §§ 1 und 2 des Schulzeitgesetzes 1985, BGBl. Nr. 77 in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2015, lauten auszugsweise:

"Geltungsbereich

§ 1. Der Abschnitt I gilt für die im Schulorganisationsgesetz, BGBl. Nr. 242/1962, geregelten öffentlichen mittleren Schulen und höheren Schulen, ... Schuljahr

§ 2. (1) Das Schuljahr beginnt in den Bundesländern Burgenland, Niederösterreich und Wien am ersten Montag, in den Bundesländern Kärnten, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg am zweiten Montag im September und dauert bis zum Beginn des nächsten Schuljahres.

(2) Das Schuljahr besteht aus dem Unterrichtsjahr (Z 1) und den Hauptferien (Z 2).

1. Das Unterrichtsjahr umfaßt

a) das erste Semester, welches mit dem Schuljahr beginnt

und mit dem Anfang der Semesterferien endet;

b) die Semesterferien in der Dauer einer Woche, welche in

den Bundesländern Niederösterreich und Wien am ersten Montag im Februar, in den Bundesländern Burgenland, Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg am zweiten Montag im Februar und in den Bundesländern Oberösterreich und Steiermark am dritten Montag im Februar beginnen;

c) das zweite Semester, welches an dem den Semesterferien

folgenden Montag beginnt und mit dem Beginn der Hauptferien endet;

für die letzte Stufe von Schulen, in welchen Reife-, Diplom-, Befähigungs- oder Abschlußprüfungen vorgesehen sind, endet das zweite Semester mit dem Tag vor dem Beginn der Klausurprüfung.

2. Die Hauptferien beginnen in den Bundesländern

Burgenland, Niederösterreich und Wien an dem Samstag, der frühestens auf den 28. Juni und spätestens auf den 4. Juli fällt, in den Bundesländern Kärnten, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg an dem Samstag, der frühestens auf den 5. Juli und spätestens auf den 11. Juli fällt; sie enden mit dem Beginn des nächsten Schuljahres.

..."

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat zu dem der Beurteilung des Schulerfolgs zugrunde zu legenden Schuljahr zum Ausdruck gebracht, dass dann, wenn auf Grund der Dauer des Verlängerungsverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Verlängerungsantrag bereits ein weiteres Schuljahr (über das vor dem Gültigkeitsende des bestehenden Aufenthaltstitels liegende Schuljahr hinaus) verstrichen ist, auch die Erbringung eines Erfolgsnachweises durch den Antragsteller bzw. die Einforderung eines solchen durch die Behörde für das zuletzt abgelaufene Schuljahr zulässig ist (vgl. dazu ).

11 Der Begriff des Schuljahres ist in § 2 Schulzeitgesetz definiert. Handelsakademien für Berufstätige und Kollegs sind Sonderformen der Handelsakademien und zählen somit zu den berufsbildenden höheren Schulen. Sie fallen daher in den Anwendungsbereich des Schulorganisationsgesetzes (siehe dessen § 67 lit. b und § 75 Abs. 1) und des Schulzeitgesetzes. Feststellungen dahingehend, dass es sich bei den von der Mitbeteiligten besuchten Schulformen ungeachtet ihrer Bezeichnung nicht um in den Anwendungsbereich des Schulorganisationsgesetzes fallende Schulen handle, hat das Verwaltungsgericht nicht getroffen. Ausgehend davon hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht das Schuljahr 2016/2017 als das zuletzt abgeschlossene Schuljahr bezeichnet, weil dieses Schuljahr nach der oben angeführten Definition bis zum Beginn des nächsten Schuljahres, der auf den ersten Montag im September fällt, dauert und somit zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt noch nicht abgeschlossen war.

12 Der Umstand, dass vorliegend bereits das zweite Semester beendet war, vermag zu keiner anderen Beurteilung zu führen:

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat im zitierten Erkenntnis 2013/22/0050 festgehalten, dass sich (näher dargestellte) Ausführungen zum maßgeblichen Studienjahr im Hinblick auf die insoweit gleichartige Rechtslage auf die Frage, welches Schuljahr als maßgeblich anzusehen ist, übertragen lassen. Im Zusammenhang mit Anträgen auf Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung "Studierender" nach § 64 Abs. 3 NAG hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass ein allfälliger Studienerfolg in einem noch laufenden Studienjahr der Beurteilung des Vorliegens eines hinreichenden Studienerfolgs nicht zugrunde gelegt werden kann (; , Ro 2015/22/0004; , 2010/22/0127). Im zitierten Erkenntnis Ro 2015/22/0004 hat der Verwaltungsgerichtshof gegen ein Akzeptieren des Studienerfolgs im aktuell laufenden Jahr und ein damit allenfalls verbundenes Hinwegsehen über den fehlenden Studienerfolg im zuletzt abgelaufenen Studienjahr - neben dem Wortlaut des § 8 Z 7 lit. b NAG-DV - ins Treffen geführt, dass mit jedem Verlängerungsantrag und somit (grundsätzlich) jährlich der Studienerfolg für das jeweils vorausgegangene Studienjahr nachzuweisen sei (siehe dazu auch ). Dieser Grundsatz des jährlich zu erbringenden Erfolgsnachweises wird - im Hinblick auf das Abstellen auf das vorangegangene Studienjahr in § 8 Z 7 lit. b NAG-DV - nur durchbrochen, wenn zwischenzeitig ein weiteres Studienjahr vollendet bzw. verstrichen ist.

14 Ausgehend davon ist auch im Anwendungsbereich des § 63 Abs. 3 NAG in Verbindung mit § 8 Z 6 lit. c NAG-DV nur dann nicht auf das dem Gültigkeitsende des vorbestehenden Aufenthaltstitels vorangehende Schuljahr abzustellen, wenn ein weiteres Schuljahr (zur Gänze) verstrichen und somit abgelaufen ist. Dies ist vorliegend hinsichtlich des vom Verwaltungsgericht der Beurteilung zugrunde gelegten Schuljahres 2016/2017 - ungeachtet des Umstandes, dass auch das zweite Semester bereits beendet war - nicht der Fall.

15 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017220155.L00
Schlagworte:
Besondere Rechtsgebiete

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