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VwGH vom 30.05.2011, 2010/09/0231

VwGH vom 30.05.2011, 2010/09/0231

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Henk, über die Beschwerde des FK in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom , Zl. 63/10-DOK/10, betreffend Suspendierung nach dem BDG 1979 (weitere Parteien: Bundeskanzler, Bundesministerin für Finanzen), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Beamter in einem öffentlichrechtlichen Dienstverhältnis in Verwendung bei der Telekom Austria AG.

Mit dem Bescheid der Behörde erster Instanz vom wurde der Beschwerdeführer gemäß § 112 Abs. 3 BDG 1979 mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert und als Folge gemäß § 112 Abs. 4 BDG 1979 sein Monatsbezug unter Ausschluss der Kinderzulage auf zwei Drittel für die Dauer der Suspendierung gekürzt.

Die Behörde erster Instanz führte zum Sachverhalt im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei Bediensteter der A1 Telekom Austria AG/Telekom Austria Personalmanagement GmbH und derzeit dienstfreigestelltes Mitglied eines Personalvertretungsorgans (Zentralausschuss A1 Telekom Austria AG). Bei einer im Auftrag der Staatsanwaltschaft (StA) Wien im Juli 2010 beim Unternehmensberater und Lobbyisten Dr. PH durchgeführten Hausdurchsuchung sei u.a. eine vom Beschwerdeführer gegenüber der Firma V AG ausgestellte Honorarnote iHv EUR 30.000,--

inkl. 20% USt sichergestellt worden. Diese Honorarnote sei vom Beschwerdeführer für angebliche Beratungstätigkeit in sozialrechtlichen Fragen des Telekom-Bereiches in der Zeit von Juli 2008 bis September 2008 ausgestellt worden. Darüber sei in diversen Medien (insb. im "Falter" vom ) ausführlich berichtet worden.

Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Dienstbehörde am habe der Beschwerdeführer angegeben, von der Firma V AG bzw. von Herrn Dr. PH im Jahre 2007 zweimal je EUR 24.000,-- inkl. USt und im Jahre 2008 dreimal je EUR 30.000,-- inkl. USt, also insgesamt EUR 138.000,-- inkl. USt, erhalten zu haben. Die Verantwortung, diese Geldbeträge zu Recht für gegenüber Herrn Dr. PH geleistete Beratungstätigkeit bezogen zu haben, sei einerseits wegen deren Höhe, andererseits mangels Beweisen für die tatsächliche Durchführung von Beratungen unglaubwürdig. Des Weiteren werde gegen den Beschwerdeführer in dieser Angelegenheit (lt. Mitteilung der StA Wien vom , AZ 614 St 3/10m-1) wegen §§ 12, dritter Fall, 153 Abs. 1 und 2, 2. Fall, StGB ermittelt. Gemäß §§ 1 Abs. 2, 48 Abs. 1 Z 1 StPO sei der Beschwerdeführer somit Beschuldigter in einem Strafverfahren. Er stehe nicht nur im Verdacht, gegen strafgesetzliche Bestimmungen verstoßen, sondern auch die ihm gemäß § 43 Abs. 2 BDG obliegende Dienstpflicht schuldhaft verletzt zu haben. Aus diesen Gründen sei der Beschwerdeführer mit Bescheid des Personalamtes beim Vorstand der Telekom Austria AG vom (zugestellt durch Hinterlegung am ) gemäß § 112 Abs. 1 BDG mit sofortiger Wirksamkeit vorläufig vom Dienst suspendiert worden. Mit Schreiben vom habe der Zentralausschuss A1 Telekom Austria AG gemäß § 70 Abs. 1 PBVG 1996 Zustimmung zur Ergreifung dienstrechtlicher Maßnahmen erteilt.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, welche die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid abwies. Sie ging vom gleichen Sachverhalt aus wie die Behörde erster Instanz.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 112 BDG 1979 (Abs. 1 bis 3 und 5 in der Fassung BGBl. Nr. 137/1983, Abs. 4 Satz 1 in der Fassung BGBl. Nr. 237/1987 und des Strukturanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 297/1995 (Ersetzung des Wortes "Haushaltszulage" durch "Kinderzulage") und Abs. 6 in der Fassung der BDG-Novelle 1989, BGBl. Nr. 346) lautet auszugsweise:

"Suspendierung

§ 112. (1) Wird über den Beamten die Untersuchungshaft verhängt oder würden durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet, so hat die Dienstbehörde die vorläufige Suspendierung zu verfügen.

(2) Gegen die vorläufige Suspendierung ist kein Rechtsmittel zulässig.

(3) Jede vorläufige Suspendierung ist unverzüglich der Disziplinarkommission mitzuteilen, die über die Suspendierung zu entscheiden hat. Die vorläufige Suspendierung endet spätestens mit dem Tag dieser Entscheidung. Ist jedoch ein Disziplinarverfahren bei der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) bereits anhängig, so hat diese bei Vorliegen der im Abs. 1 genannten Voraussetzungen die Suspendierung zu verfügen.

(4) Jede durch Beschluss der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission) verfügte Suspendierung hat die Kürzung des Monatsbezuges des Beamten - unter Ausschluss der Kinderzulage -

auf zwei Drittel für die Dauer der Suspendierung zur Folge. ...

(5) Die Suspendierung endet spätestens mit dem rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens. Fallen die Umstände, die für die Suspendierung des Beamten maßgebend gewesen sind, vorher weg, so ist die Suspendierung von der Disziplinarkommission (Disziplinaroberkommission), bei der das Disziplinarverfahren anhängig ist, unverzüglich aufzuheben.

(6) Die Berufung gegen die Suspendierung oder gegen eine Entscheidung über die Verminderung (Aufhebung) der Bezugskürzung hat keine aufschiebende Wirkung. Über die Berufung hat die Disziplinaroberkommission ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber binnen zwei Monaten ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden."

§ 153 StGB, BGBl. Nr. 60/1974 idF BGBl. I Nr. 136/2004, lautet:

"Untreue

§ 153. (1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Wer durch die Tat einen 3 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer einen 50 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Suspendierung ihrem Wesen nach eine sichernde Maßnahme, die bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zwingend zu treffen ist. Sie stellt keine endgültige Lösung dar. Es braucht daher nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Diese Aufgabe kommt vielmehr erst den Disziplinarbehörden im Disziplinarverfahren zu. Es genügt demnach, wenn gegen den Beschuldigten ein Verdacht besteht. Dies ist dann der Fall, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ein Verdacht kann immer nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der abschließenden Entscheidung über die angemessene Disziplinarstrafe des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende, vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen. Die Suspendierung eines Beamten gehört demnach in die Reihe jener vorläufigen Maßnahmen, die in zahlreichen Verfahrensgesetzen vorgesehen sind, um einen Zustand vorübergehend zu ordnen, der endgültig erst auf Grund des in der Regel einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das allgemeine Wohl - abzuwehren und zu verhindern. Im Hinblick auf diese Funktion der Suspendierung können an die in der Begründung eines die Suspendierung verfügenden Bescheides darzulegenden Tatsachen, die den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung begründen, keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Ähnlich wie beim Einleitungsbeschluss (an den ebenfalls Rechtsfolgen geknüpft sind) muss das dem Beamten im Suspendierungsbescheid zur Last gelegte Verhalten, das im Verdachtsbereich als Dienstpflichtverletzung erachtet wurde, nur in groben Umrissen beschrieben werden. Die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, das heißt in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden. In der Begründung des Suspendierungsbescheides ist aber darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer die Suspendierung rechtfertigenden Dienstpflichtverletzung ergibt. Auf Grund dieser Funktion der Suspendierung und ihres Zusammenhanges mit dem Disziplinarverfahren ist etwa eine Suspendierung unzulässig, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Verfügung offenkundig die Voraussetzungen für die Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen. Auch reichen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bloße Gerüchte und vage Vermutungen für eine Suspendierung nicht aus. Vielmehr müssen greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung von ausreichender Schwere sowohl in Richtung auf die objektive wie auf die subjektive Tatseite gegeben sein (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/09/0055, mit ausführlichen weiteren Nachweisen).

Der Vorwurf, der Beschwerdeführer stehe im Verdacht, Beitragstäter bei einer Untreue gemäß § 153 StGB mit einem den Betrag von EUR 50.000,-- übersteigenden Schaden zu sein, ist durch die in der Sachverhaltsfeststellung genannten Erhebungen der Staatsanwaltschaft Wien und deren Mitteilung vom , dass gegen den Beschwerdeführer wegen §§ 12, dritter Fall, 153 Abs. 1 und 2, zweiter Fall StGB ermittelt werde, sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers vom ausreichend erhärtet. Die Rechtfertigungsversuche des Beschwerdeführers (bei seiner Einvernahme am , in der Berufung und nicht zuletzt auch in der Beschwerde) überzeugen nicht, weil er als Erklärung für die erhaltenen Geldbeträge in beträchtlicher Höhe keine konkreten, beleg-, nachvollzieh- und überprüfbaren "Leistungen" nennt. Bei Empfang von Geldleistungen in Höhe von insgesamt EUR 138.000,-- widerspricht es dem allgemeinen Verständnis, hierüber keine konkreten Aufzeichnungen zu führen. Es ist dabei belanglos, ob die von der belangten Behörde zur Behauptung des Beschwerdeführers, ein Bruttostundensatz von EUR 200,-- sei für "Beratungsleistungen" adäquat, angestellte Berechnung zur Angemessenheit eines solchen Stundensatzes schlüssig ist oder nicht, solange vom Beschwerdeführer nicht klar und belegt vorgebracht ist, zu welchen konkreten Tagen welche Leistungen erbracht worden seien.

Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die Behörde stütze ihren Verdacht nicht (auch) auf eigene Erhebungen, geht schon deshalb ins Leere, weil - wie dargestellt - die Einvernahme vom wesentlich zur Erhärtung des gegenständlichen Verdachts beitrug.

Beim Verdacht der Begehung einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 aufgrund einer Tat gemäß § 153 Abs. 2 StGB ist auch dann, wenn die Untreue im "Privatbereich" des Beschwerdeführers begangen wurde, von einem besonderen Dienstbezug auszugehen, weil Untreue eines Beamten in gegenständlichem Ausmaß das Ansehen des Amtes, die Erhaltung des Vertrauens der Allgemeinheit und die dienstlichen Interessen zu gefährden imstande ist. Es ist dabei gleichgültig, ob das Verhalten des Verdächtigten in der Öffentlichkeit bekannt geworden ist oder nicht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/09/0088).

Es ist auch nicht rechtswidrig, dass die belangte Behörde angesichts der in § 153 Abs. 2 zweiter Fall StGB vorgesehenen Strafdrohung (Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren) im Hinblick auf § 27 Abs. 1 und/oder Z. 2 StGB (Amtsverlust als Folge einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr) die Dienstpflichtverletzung, in deren Verdacht der Beschwerdeführer steht, als gravierend angesehen hat.

Schon deshalb ist die vorliegend ausgesprochene Suspendierung nicht als rechtswidrig zu erkennen, weshalb es dahinstehen kann, ob gegen den Beschwerdeführer noch zusätzliche Verdachtsmomente in Richtung der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen (wie sie die belangte Behörde in einer Art "obiter dictum" im Hinblick auf die Verjährungsbestimmungen des § 94 BDG 1979 angesprochen hat, so etwa die Geschenkannahme iSd § 59 BDG 1979 oder die Nichtmeldung einer erwerbsmäßigen Nebenbeschäftigung iSd § 56 BDG 1979) vorliegen oder nicht. Es erübrigt sich daher auch, auf die Ausführungen des Beschwerdeführers zu diesen weiteren allfälligen Dienstpflichtverletzungen einzugehen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am