VwGH vom 30.06.2010, 2005/13/0036
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2006/13/0021 E
2006/13/0020 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des Finanzamtes für den 1. und 23. Bezirk in 1031 Wien, Radetzkystraße 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom , Zl. RV/0654- W/04, betreffend Körperschaftsteuer 2000 und 2001 (mitbeteiligte Partei: O GmbH in W, vertreten durch Ernst Young, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1220 Wien, Wagramer Straße 19), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die mitbeteiligte GmbH beantragte in ihrer Berufung gegen die - nach einer Wiederaufnahme der Verfahren infolge einer Betriebsprüfung - an sie ergangenen Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2000 und 2001 die von ihr zuvor nicht geltend gemachte Berücksichtigung der Eigenkapitalzuwachsverzinsung gemäß § 11 EStG 1988 (i.d.F. BGBl. I Nr. 106/1999) und brachte dazu vor, die erstmalige außerbilanzmäßige Geltendmachung der Verzinsung sei nicht an die Voraussetzungen für eine Bilanzänderung gebunden.
Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor und führte dazu aus, die mitbeteiligte Partei habe ihr Wahlrecht verwirkt. Ihr Antrag "wäre unter analoger Anwendung der zu prüfenden Voraussetzungen einer Bilanzänderung
... abzuweisen, weil er nicht wirtschaftlich begründet ist,
sondern nur der Steuerminimierung dient".
Die belangte Behörde folgte dem Standpunkt der mitbeteiligten Partei und berücksichtigte die in der Berufung geltend gemachten Betriebsausgaben aus dem Titel der Eigenkapitalzuwachsverzinsung.
Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsbeschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde und Erstattung von Gegenschriften durch die mitbeteiligte Partei und die belangte Behörde erwogen hat:
Das beschwerdeführende Finanzamt macht geltend, das "Ansinnen" der mitbeteiligten Partei "auf nachträgliche Absetzung" der Eigenkapitalzuwachsverzinsung als Betriebsausgabe erfülle den Tatbestand der Bilanzänderung gemäß § 4 Abs. 2 EStG 1988. Der in § 11 EStG 1988 wie auch in anderen Normen verwendete Ausdruck "außerbilanzmäßig" lasse nicht auf die "völlige Bedeutungslosigkeit" der gegenständlichen Eigenkapitalzuwachsverzinsung für Bilanzierung und ordnungsgemäße Buchführung schließen. Hiezu wird in der Beschwerde auf der Grundlage allgemein gehaltener Ausführungen über handelsrechtliche und steuerrechtliche Bilanzierungsvorschriften weiter dargelegt, selbstverständlich sei der Eigenkapitalzuwachs wie auch die Steuerersparnis durch Inanspruchnahme der Eigenkapitalzuwachsverzinsung im Ergebnis auch in der Handelsbilanz anzusetzen, ebenso wohl auch die auf diese Zinsen entfallende Körperschaftsteuer. Somit unterliege aber "die Handelsbilanz zweifelsfrei den Folgen auch einer nachträglichen Inanspruchnahme dieser Förderungsmaßnahme". Als Bilanzänderung definiere sich der Ersatz eines gewählten zulässigen Bilanzansatzes durch einen anderen, ebenfalls zulässigen Bilanzansatz. Da es sich bei der Eigenkapitalzuwachsverzinsung um ein Wahlrecht handle, sei "auch der Verzicht auf dieses (und somit de facto ein Ansatz mit einem Betrag von Null) ein zulässiger Bilanzansatz". Durch das Einreichen der Steuererklärung habe der Steuerpflichtige seine Entscheidung getroffen. Wolle der Bilanzierende eine nachträgliche Berücksichtigung der Eigenkapitalzuwachserzinsung als Betriebsausgabe erreichen, so sei "nach Ansicht des Finanzamtes zweifellos der Tatbestand einer Bilanzänderung (in analoger Anwendung der Voraussetzungen) erfüllt", weshalb die angefochtene Entscheidung auf fehlerhafter Gesetzesauslegung beruhe.
Daran anschließend wird in der Beschwerde auf Judikatur und Schrifttum zu der nach Ansicht des beschwerdeführenden Finanzamtes vergleichbaren Investitionsrücklage gemäß § 9 EStG 1988 in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 818/1993 eingegangen. Schließlich wird noch ausgeführt, die von der belangten Behörde unterstellte "beliebige Editierbarkeit einer Steuererklärung" nach deren Abgabe bzw. nach Wiederaufnahme eines Verfahrens sei "hinterfragenswert". Die Beschwerde stützt sich in diesem Zusammenhang auf Ausführungen in den Einkommensteuerrichtlinien 2000 und abermals auf Judikatur zur Investitionsrücklage. Was das von der belangten Behörde ins Treffen geführte Fehlen eines Neuerungsverbotes anlange, so habe die Abgabenbehörde "unbedingt zu berücksichtigende Umstände auch im Nachhinein zu prüfen und zu würdigen, nicht jedoch Wahlrechte".
Mit diesen Ausführungen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung auf. Soweit auf Judikatur und Schrifttum zur Investitionsrücklage gemäß § 9 EStG 1988 in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 818/1993 Bezug genommen wird, ist dem beschwerdeführenden Finanzamt zu erwidern, dass im vorliegenden Fall eine Vorschrift anzuwenden war, die dem den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelnden Steuerpflichtigen ausdrücklich die Möglichkeit einräumte, die (fiktive) Betriebsausgabe "auch außerbilanzmäßig" abzuziehen. Eine vergleichbare Anordnung enthielt § 9 EStG 1988 in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 818/1993, wie die Gegenschriften zutreffend hervorheben, nicht. Warum der Gesetzgeber einerseits eine solche Anordnung treffen, es andererseits aber seinem Willen entsprechen sollte, Änderungen in Bezug auf die von ihm als "außerbilanziell" bezeichnete Disposition als "Änderungen der Bilanz" an die in § 4 Abs. 2 EStG 1988 für Änderungen der zuletzt genannten Art vorgesehenen Bedingungen zu knüpfen, geht aus der Beschwerde nicht hervor. Wenn es in der Beschwerde heißt, diese Voraussetzungen seien "analog" anzuwenden, dann wird damit - im Widerspruch zur wiederholten Behauptung, der "Tatbestand" einer Bilanzänderung sei "erfüllt" - zugestanden, dass das Gesetz eine Anwendung auf den "außerbilanziellen" Abzug als Betriebsausgabe nicht vorsieht. Weshalb dies eine planwidrige, durch Analogie zu schließende Lücke sein soll, wird nicht nachvollziehbar dargelegt. Schließlich wird auch mit der in der Beschwerde getroffenen Unterscheidung zwischen "unbedingt zu berücksichtigenden Umständen" und "Wahlrechten" im Zusammenhang mit der Frage eines Neuerungsverbotes nicht begründet, weshalb die fiktive Betriebsausgabe gemäß § 11 Abs. 1 EStG 1988 i.d.F. BGBl. I Nr. 106/1999 in Bezug auf die zeitliche Zulässigkeit ihrer Geltendmachung anders zu behandeln sein sollte als Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 (vgl. zu diesen etwa Ritz , BAO3, Tz 25 zu § 115).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am