VwGH vom 22.02.2018, Ra 2017/22/0125

VwGH vom 22.02.2018, Ra 2017/22/0125

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision des Bundesministers für Inneres gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom , LVwG-458- 15/2016-R9, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Parteien:

1. V G, 2. S J, und 3. A J, alle vertreten durch Dr. Dieter Klien, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Kapuzinergasse 4; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bregenz)

I. zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit dem Zweitmitbeteiligten der begehrte Aufenthaltstitel gemäß § 47 Abs. 2 NAG erteilt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Der Bund hat der Erst- und dem Drittmitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Begehren der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde auf Ersatz des Schriftsatzaufwandes wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde der Mitbeteiligten gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom Folge gegeben und ausgesprochen, dass den Mitbeteiligten "gemäß § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) der jeweils beantragte Aufenthaltstitel ‚Familienangehöriger' mit einer Gültigkeitsdauer von zwölf Monaten zu erteilen" sei, "wobei die Gültigkeitsdauer der Aufenthaltstitel nicht über die Gültigkeitsdauer der Reisedokumente" der Mitbeteiligten hinausgehen könne. Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine ordentliche Revision nicht zulässig sei.

2 Begründend stellte das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung fest, die Erstmitbeteiligte sei die Mutter der beiden weiteren Mitbeteiligten, die aus ihrer ersten Ehe stammten. Alle Mitbeteiligten seien Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina. Nunmehr sei die Erstmitbeteiligte mit einem österreichischen Staatsangehörigen verheiratet. Aus dieser Ehe entstammten keine gemeinsamen Kinder. Der Ehegatte sei jedoch für vier minderjährige Kinder aus dessen erster Ehe sorgepflichtig. Die leibliche Mutter der vier Kinder des Ehegatten sei zur Zahlung eines Unterhalts von insgesamt EUR 310 monatlich verpflichtet. Weiters beziehe der Ehegatte für seine vier Kinder Familienbeihilfe von monatlich EUR 874. Drei der vier Kinder des Ehegatten seien im Kinderdorf Bregenz untergebracht. Für die Dauer dieser Maßnahmen würden die Unterhaltszahlungen als Kostenersatz von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vereinnahmt. Der Ehegatte erhalte ein Nettoeinkommen von ca. EUR 1.450 monatlich. Die Erstmitbeteiligte habe eine unbefristete Einstellungszusage als Küchenhilfe mit einem monatlichen Bruttolohn von EUR 1.420 vorgelegt. Die monatliche Belastung der gemeinsamen Wohnung betrage EUR 660; zusätzlich würden EUR 50 bis EUR 60 monatlich an Stromkosten anfallen. Der Reisepass der Erstmitbeteiligten weise eine Gültigkeit bis zum auf; die Reisepässe der Zweit- und Drittmitbeteiligten seien bis zum gültig.

3 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht - soweit für den vorliegenden Revisionsfall relevant - aus, aufgrund des Einkommens des Ehegatten der Erstmitbeteiligten und der zu berücksichtigenden Einstellungszusage der Erstmitbeteiligten sowie aufgrund der schon vor Erlassung dieses Erkenntnisses zustehenden Familienbeihilfe für die vier minderjährigen Kinder des Ehegatten der Erstmitbeteiligten (EUR 874 monatlich) und der monatlichen Unterhaltsverpflichtung der leiblichen Mutter dieser vier Kinder (EUR 310) steige das gemeinsame monatliche Einkommen des Ehepaares an, sodass der monatliche Ehegatten-Richtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a ASVG (EUR 1.334,17) und der monatliche Bedarf für insgesamt sechs minderjährige Kinder nach § 293 Abs. 1 letzter Satz ASVG (EUR 137,30 x 6 = EUR 823,80) unter Hinzurechnung der monatlichen Mietbelastungen (EUR 660 inklusive Betriebskosten) und der monatlichen Stromkosten (EUR 50 bis EUR 60) - jedoch einmal abzüglich des Wertes des "Freibetrages" nach § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG (EUR 284,32) - deutlich überschritten werde.

4 Die ordentliche Revision sei unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen gewesen sei.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Bundesministers für Inneres. Die Mitbeteiligten erstatteten eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision samt Kostenersatz beantragten. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine "Gegenschrift", in der sie mitteilte, dass sie die Rechtsmeinung des Revisionswerbers vollinhaltlich teile und den Ersatz des Schriftsatzaufwandes als obsiegende Partei beantrage.

6 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit gemäß § 28 Abs. 3 VwGG vor, dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes mangle es an hinreichender Bestimmtheit, weil mit der Verwendung der Wortfolge "mit einer Gültigkeitsdauer von zwölf Monaten zu erteilen, wobei die Gültigkeitsdauer der Aufenthaltstitel nicht über die Gültigkeitsdauer der Reisedokumente der (Mitbeteiligten) hinausgehen kann" zur Folge habe, dass das Verwaltungsgericht die Geltungsdauer der Aufenthaltstitel tatsächlich nicht festgelegt habe, sondern der Behörde überlasse. Weiters habe das Verwaltungsgericht übersehen, dass der Zweitmitbeteiligte am volljährig geworden sei und daher zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung nicht mehr als Familienangehöriger gemäß § 47 Abs. 2 NAG anzusehen sei. Zur Unterhaltsberechnung führte die Revision aus, dass das Verwaltungsgericht nicht nur die monatliche Unterhaltsleistung der leiblichen Mutter der vier Kinder des Ehegatten der Erstmitbeteiligten in voller Höhe dem nach dem NAG maßgeblichen Familieneinkommen der Erstmitbeteiligten und ihrer beiden Söhne angerechnet habe, obwohl sich schon aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes ergebe, dass diese Zahlungen von der Bezirkshauptmannschaft für die Unterbringung von drei der Kinder im Kinderdorf Bregenz vereinnahmt würden, sondern auch die gesamte Familienbeihilfe in der Höhe von EUR 874, die der Ehemann für seine vier minderjährigen Kinder erhalte. Dies widerspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. gebe es dazu keine Rechtsprechung.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

8 Zur Bestimmtheit des Spruches hat der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom , Ra 2016/22/0068, 0069, zusammengefasst ausgeführt:

9 Gemäß § 59 Abs. 1 AVG, der nach § 17 VwGVG im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten sinngemäß anzuwenden ist, hat der Spruch (eines Erkenntnisses) die in Verhandlung stehende Angelegenheit in möglichst gedrängter deutlicher Fassung zu erledigen. Die Entscheidung muss dem Gebot der hinreichenden Bestimmtheit entsprechen. Wie der Verwaltungsgerichtshof vor allem im Zusammenhang mit der Dauer bzw. dem Zeitraum eines Anspruchs oder einer Pflicht wiederholt hervorgehoben hat (vgl. bis 0014; , Ra 2014/22/0116 bis 0117; , Ra 2015/22/0001), ist (unter anderem) darüber im Spruch eindeutig bestimmbar abzusprechen. Das Gebot der ausreichenden Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit des Spruchs ist auch bei der Erteilung eines Aufenthaltstitels bei sonstiger Rechtswidrigkeit der Entscheidung zu beachten (vgl. ). Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Spruchs dürfen aber nicht überspannt werden. So darf etwa neben dem in erster Linie maßgeblichen Wortlaut des Spruchs auch die Begründung der Entscheidung als Auslegungshilfe herangezogen werden, wenn der Spruch als individuelle Norm einer Auslegung bedarf. Dabei genügt es, wenn sich aus der Einbeziehung der Begründung in die Auslegung des Spruchs der Inhalt der Entscheidung mit ausreichender Deutlichkeit ergibt (vgl. ). Nicht zuletzt hängen die Anforderungen an das Maß der Bestimmtheit stets von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. , mwN).

10 Soweit die Revision vorbringt, dass das Verwaltungsgericht die Geltungsdauer der Aufenthaltstitel nicht festgelegt habe, ist ihr zunächst entgegenzuhalten, dass aufgrund der konstitutiven Wirkung der Entscheidung die Aufenthaltstitel ab Erlassung (hier mit Zustellung) des Erkenntnisses gelten (vgl. , und ).

11 Es ergeben sich im Zusammenhang mit der Begründung keine Zweifel, dass das Verwaltungsgericht mit der von ihm gewählten Formulierung die Aufenthaltstitel nicht konstitutiv erteilt hätte.

12 Zur Befristung der Aufenthaltstitel hat das Verwaltungsgericht im Spruch festgelegt, dass diese "mit einer Gültigkeitsdauer von zwölf Monaten zu erteilen" seien, "wobei die Gültigkeitsdauer der Aufenthaltstitel nicht über die Gültigkeitsdauer der Reisedokumente der (Mitbeteiligten) hinausgehen" könne. In der Begründung des Erkenntnisses stellte das Verwaltungsgericht fest, dass der Reisepass der Erstmitbeteiligten bis und die Reisepässe der Zweit- und Drittmitbeteiligten bis zum gültig sind. Ausgehend davon, dass in § 20 Abs. 1 NAG - worauf sich das Verwaltungsgericht ausdrücklich bezieht - befristete Aufenthaltstitel für die Dauer von zwölf Monaten zu erteilen sind, es sei denn das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf, ergibt sich unstrittig die jeweilige Gültigkeitsdauer der erteilten Aufenthaltstitel (zwölf Monate betreffend die Erstmitbeteiligte und jeweils bis zum betreffend den Zweit- und den Drittmitbeteiligten). Diesbezügliche Zweifel bringt die Revision auch nicht vor. Im vorliegenden Revisionsfall ist entgegen der Auffassung des Revisionswerbers keine vom Verwaltungsgerichtshof als Abweichung von der Rechtsprechung aufzugreifende unzureichende Bestimmtheit des angefochtenen Erkenntnisses ersichtlich.

13 Zur Unterhaltsberechnung des Verwaltungsgerichtes ist

Folgendes auszuführen:

14 § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 NAG lauten:

"§ 11. (...)

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen

Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

(...)

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15), ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

(...)"

15 § 252 und § 293 ASVG lauten auszugsweise:

"§ 252. (1) Als Kinder gelten bis zum vollendeten

18. Lebensjahr:

1. die Kinder und die Wahlkinder der versicherten Person;

(...)

(2) Die Kindeseigenschaft besteht auch nach der Vollendung

des 18. Lebensjahres, wenn und solange das Kind

2. sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die

seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens bis zur

Vollendung des 27. Lebensjahres; die Kindeseigenschaft von

Kindern, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992

genannte Einrichtung besuchen, verlängert sich nur dann, wenn für sie

a) entweder Familienbeihilfe nach dem

Familienlastenausgleichsgesetz 1967 bezogen wird oder

b) zwar keine Familienbeihilfe bezogen wird, sie jedoch ein

ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 311/1992 betreiben;

3. als Teilnehmer/in des Freiwilligen Sozialjahres, des Freiwilligen Umweltschutzjahres, des Gedenkdienstes oder des Friedens- und Sozialdienstes im Ausland tätig ist, längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres;

4. seit der Vollendung des 18. Lebensjahres oder seit dem Ablauf des in Z 1 oder des in Z 2 genannten Zeitraumes infolge Krankheit oder Gebrechens erwerbsunfähig ist.

(3) Die Kindeseigenschaft nach Abs. 2 Z 3, die wegen Ausübung einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit weggefallen ist, lebt mit Beendigung dieser Erwerbstätigkeit wieder auf, wenn Erwerbsunfähigkeit infolge Krankheit oder Gebrechens weiterhin vorliegt.

293. (1) Der Richtsatz beträgt unbeschadet des Abs. 2

a) für Pensionsberechtigte aus eigener Pensionsversicherung,

aa) wenn sie mit dem Ehegatten (der Ehegattin) oder dem/der

eingetragenen PartnerIn im gemeinsamen Haushalt leben (Anm.: gemäß

BGBl. II Nr. 391/2016 für das Kalenderjahr 2017: 1 334,17 EUR) 1

120,00 EUR,

(...)

Der Richtsatz nach lit. a erhöht sich um 120,96 EUR (Anm.:

für 2017: 137,30 EUR) für jedes Kind (§ 252), dessen Nettoeinkommen den Richtsatz für einfach verwaiste Kinder bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres nicht erreicht.

(2) An die Stelle der Richtsätze und der Richtsatzerhöhung gemäß Abs. 1 treten ab 1. Jänner eines jeden Jahres, erstmals ab , die unter Bedachtnahme auf § 108 Abs. 6 mit dem Anpassungsfaktor (§ 108f) vervielfachten Beträge.

(...)"

16 Aus der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht von einem zur ausreichenden Sicherung des Lebensunterhalts erforderlichen monatlichen Familieneinkommen von insgesamt EUR 2.583,65 bzw. EUR 2.593,65 ausgegangen ist (1.334,17 Ehegatten-Richtsatz, je EUR 137,30 für sechs Kinder, EUR 710 bzw. 720 an Wohnungskosten, abzüglich des Wertes der freien Station von EUR 284,32).

17 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der zusammenführende Ehemann der Erstmitbeteiligten über ein Nettoeinkommen von monatlich ca. EUR 1.450 verfügt. Weiters berücksichtigte das Verwaltungsgericht eine Einstellungszusage der Erstmitbeteiligten über einen monatlichen Bruttoverdienst von EUR 1.420 als Küchenhilfe. Diese Feststellungen blieben vom Revisionswerber unbestritten. Der aus diesen Feststellungen gezogene Schluss des Verwaltungsgerichts, dass die "ASVG-Richtsätze" auch unter Nichtberücksichtigung der Unterhaltszahlungen der leiblichen Mutter der vier Kinder an den Ehemann der Erstmitbeteiligten überschritten wären, kann somit nicht als rechtswidrig erkannt werden. Vor diesem Hintergrund legt die Revision auch mit dem Vorbringen, wonach das Verwaltungsgericht darüber hinaus in rechtswidriger Weise die Familienbeihilfe in Höhe von EUR 874 monatlich dem Familieneinkommen zugerechnet habe, keine grundsätzliche Rechtsfrage dar.

18 Allerdings macht die Revision zutreffend geltend, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass der Zweitmitbeteiligte am volljährig geworden und daher zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung nicht mehr als Familienangehöriger gemäß § 47 Abs. 2 NAG anzusehen sei, und erweist sich insoweit als zulässig und berechtigt.

19 Die Mitbeteiligten begehrten die Erteilung von Erstaufenthaltstiteln zur Familienzusammenführung mit dem Ehemann der Erstmitbeteiligten.

20 Gemäß § 47 Abs. 2 NAG ist Drittstaatsangehörigen, die Familienangehörige von Zusammenführenden sind, ein Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen. Als Familienangehöriger gilt gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 NAG ua. ein minderjähriges (lediges) Kind.

21 Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung in der Regel an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten (vgl. , mwN).

22 Zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes war der Zweitmitbeteiligte jedoch bereits volljährig, sodass die Voraussetzungen für die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels gemäß § 47 Abs. 2 NAG nicht vorlagen (vgl. ). Soweit die Mitbeteiligten in ihrer Revisionsbeantwortung darauf hinweisen, dass der Begriff "Familienangehöriger" von der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG abzukoppeln und zu erweitern sei, weil dies im gegenständlichen Fall aus verfassungsrechtlichen Gründen zur Erzielung eines dem Art. 8 EMRK entsprechenden Ergebnisses erforderlich wäre, ist auszuführen, dass vom Verwaltungsgericht entsprechende Feststellungen nicht getroffen wurden und keine Beurteilung nach Art. 8 EMRK vorgenommen wurde.

23 Das angefochtene Erkenntnis war daher, soweit dem Zweitmitbeteiligten der begehrte Aufenthaltstitel gemäß § 47 Abs. 2 NAG erteilt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

24 Hinsichtlich der Erteilung der beantragten Titel an die Erst- und den Drittmitbeteiligten wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, sodass die Revision im Übrigen gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen war.

25 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 und § 47 Abs. 3 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Für einen Zuspruch von Kosten an die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde besteht im vorliegenden Fall keine gesetzliche Grundlage.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017220125.L00
Schlagworte:
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Spruch und Begründung Inhalt des Spruches Diverses Besondere Rechtsgebiete Spruch Diverses Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3

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