VwGH vom 29.05.2015, 2012/17/0524

VwGH vom 29.05.2015, 2012/17/0524

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

2012/17/0525

2012/17/0527

2012/17/0526

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Senatspräsident Dr. Köhler und Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer als Richter und Richterin, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Fries, über die Beschwerde

1.) der F AG (2012/17/0524) und 2.) des Mag. H M (2012/17/0527) sowie 3.) der F AG (2012/17/0525) und 4.) des Dr. M S 2012/17/0526), alle in Wien und alle vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten in 1010 Wien, Parkring 2, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenats Wien zu 1.) und 2.) vom , UVS-06/FM/46/7979/2011 und zu 3.) und 4.) vom , UVS-06/FM/46/7980/2011, betreffend Übertretung des Börsegesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden, soweit sie sich auf Spruchpunkt II. des jeweiligen erstinstanzlichen Bescheides beziehen, und hinsichtlich des Kostenausspruches wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der erstbeschwerdeführenden und der zweitbeschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.546,40 sowie der drittbeschwerdeführenden und der viertbeschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.546,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit den beiden angefochtenen Bescheiden vom entschied die belangte Behörde zum einen über die Berufung der erstbeschwerdeführenden Partei und des Zweitbeschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom betreffend zwei Übertretungen des Börsegesetzes 1989 (in der Folge: BörseG) (UVS-06/FM/46/7979/2011) und zum anderen über die Berufung der drittbeschwerdeführenden Partei (gleichzeitig im Hinblick auf die Bekämpfung des zuvor genannten Berufungsbescheids erstbeschwerdeführende Partei) und des Viertbeschwerdeführers ebenfalls gegen ein Straferkenntnis der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom betreffend zwei Übertretungen des BörseG (UVS-06/FM/46/7980/2011).

Der Zweit- und der Viertbeschwerdeführer waren mit dem jeweiligen erstinstanzlichen Straferkenntnis in Spruchpunkt I. gemäß § 9 Abs 1 VStG einer Übertretung des § 48d Abs 3 BörseG, BGBl Nr 555/1989, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 136/2008, in Verbindung mit § 48 Abs 1 Z 2 BörseG, BGBl Nr 555/1989, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 37/2010, und in Spruchpunkt II. einer Übertretung des § 82 Abs 5 Z 2 und 3 BörseG, BGBl Nr 555/1989, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 22/2009, in Verbindung mit § 6 Abs 3 Emittenten-Compliance-Verordnung 2007, (in der Folge: ECV 2007), BGBl II Nr 213/2007, in Verbindung mit § 48 Abs 1 Z 6 BörseG, BGBl Nr 555/1989, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 37/2010, für schuldig erkannt und über sie Geldstrafen in der Höhe von (zu I.) EUR 1.000,-- und (zu II.) EUR 3.000,-- verhängt worden.

Gemäß § 9 Abs 7 VStG wurde in beiden Bescheiden ausgesprochen, dass die erstbeschwerdeführende (bzw. drittbeschwerdeführende) Partei (die F Holding AG) für die Geldstrafen hafte. Der besseren Lesbarkeit wegen wird in der Folge diese zur Haftung herangezogene juristische Person stets als erstbeschwerdeführende Partei bezeichnet.

Mit den angefochtenen Bescheiden hob die belangte Behörde den jeweiligen Spruchpunkt I. auf und stellte das Strafverfahren diesbezüglich ein. Hinsichtlich Spruchpunkt II. bestätigte die belangte Behörde in der Sache die Schuldsprüche mit der Maßgabe einer Änderung des Tatzeitraums und einiger Änderungen in der Tatumschreibung. Als Übertretungsnorm wurde angegeben: "§ 82 Abs 5 Z 2 iVm § 48 Abs 1 Z 6 BörseG; BGBl Nr 555/1989 idF BGBl I Nr 37/2010".

Die verhängte Strafe wurde auf EUR 1.200,--, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 14 Stunden herabgesetzt. Als Strafsanktionsnorm wurde angegeben: "§ 48 Abs 1 zweiter Strafsatz iVm § 48 Abs 1 Z 6 BörseG, BGBl Nr 555/1989 idF BGBl I Nr 37/2010."

Begründend führte die belangte Behörde in beiden Bescheiden nach Wiedergabe des jeweiligen erstinstanzlichen Bescheides und des Verfahrensablaufs im Verfahren vor der belangten Behörde weitgehend übereinstimmend zunächst zu Spruchpunkt I. aus, es sei vom jeweiligen Berufungswerber (dem Zweitbeschwerdeführer und dem Viertbeschwerdeführer) in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt worden, dass die Betriebsräte PM und T in ihrer Eigenschaft als Belegschaftsvertreter im Aufsichtsrat der Erstbeschwerdeführerin im Rahmen eines von Dr. W gehaltenen Vortrages über die Compliance-Verordnung 2007 belehrt worden seien und dabei auch ein besonderer Schwerpunkt auf die einzuhaltenden Verwaltungsvorschriften und die bei Verstößen zu erwartenden Sanktionen gelegt worden sei. Es sei somit, wenn auch nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form, dafür Sorge getragen gewesen, dass die genannten Mitglieder des Betriebsrats in ihrer Eigenschaft als Personen, die Zugang zu Insider-Informationen gehabt hätten, die aus dieser Stellung erwachsenden Rechte und Pflichten gekannt hätten und sich auch der Sanktionen bewusst gewesen seien, die ihnen im Fall einer missbräuchlichen oder nicht ordnungsgemäßen Verbreitung von Insider-Informationen gedroht hätten. Das gegenständliche tatbildliche Verhalten des jeweiligen Beschuldigten (des Zweit- und des Viertbeschwerdeführers), das darin gelegen sei, dass sie nicht noch zusätzlich für ein ausdrückliches schriftliches Anerkenntnis und eine ausdrückliche schriftliche Erklärung der Betriebsräte nach § 48d Abs 3 letzter Satz BörseG Sorge getragen hätten, bleibe deutlich hinter dem in der gesetzlichen Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurück. Es seien somit die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 Abs 1 VStG vorgelegen und von der Verhängung einer Strafe abzusehen gewesen.

Zu Spruchpunkt II. führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des § 82 Abs 5 BörseG aus, die erstbeschwerdeführende Partei mit Sitz in 1090 Wien sei Emittentin von Aktien, die zum Amtlichen Handel an der Wiener Börse zugelassen seien. Der Zweitbeschwerdeführer sei seit Vorstand der erstbeschwerdeführenden Partei, im Bescheid gegenüber dem Viertbeschwerdeführer wurde festgehalten, dass dieser seit Vorstand der erstbeschwerdeführenden Partei gewesen sei.

Während des gesamten Tatzeitraums (hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers vom bis , hinsichtlich des Viertbeschwerdeführers vom bis ) seien die beiden ständigen Vertraulichkeitsbereiche "H" und "V" eingerichtet gewesen. Dem Vertraulichkeitsbereich "H" hätten neben Mitgliedern des Vorstands und des Aufsichtsrats des Unternehmens, den Mitgliedern der Konzernvertretung und der Betriebsräte der F Gruppe, auch Mitglieder der Geschäftsführung und Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat von einigen Tochtergesellschaften des Unternehmens angehört. Daneben hätten diesem Vertraulichkeitsbereich auch die Abschlussprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte, IT- und PR-Berater des Unternehmens angehört. Dem ständigen Vertraulichkeitsbereich "V" hätten die Geschäftsführer und Mitarbeiter der V Beteiligungsgesellschaft mbH angehört.

Explizite Regelungen für die Weitergabe von Insider-Informationen im Sinne des § 82 Abs 5 Z 2 BörseG hätten sich für den Tatzeitraum in der Compliance-Richtlinie der erstbeschwerdeführenden Partei, Fassung , gefunden. In Z 5.1 Abs 3 der Compliance-Richtlinie sei ausschließlich die Weitergabe von Insider-Informationen an einen vorübergehenden (projektbezogenen) Vertraulichkeitsbereich geregelt gewesen. In Z 5.2 der Compliance-Richtlinie sei wiederum nur die Weitergabe von Insider-Informationen an unternehmensfremde Personen außerhalb des Vertraulichkeitsbereichs geregelt gewesen. Regelungen betreffend die Weitergabe von Insider-Informationen zwischen zwei oder mehr ständigen Vertraulichkeitsbereichen hätten gefehlt.

Beim Vertraulichkeitsbereich "V" hätte es sich um einen ständigen Vertraulichkeitsbereich gehandelt und nicht bloß um einen vorübergehenden (projektbezogenen). Die Anwendung der Z 5.1 der Compliance-Richtlinie für die Weitergabe von Insider-Informationen aus dem ständigen Vertraulichkeitsbereich "H" in den ständigen Vertraulichkeitsbereich "V" (und umgekehrt) scheide daher aus. Auch Z 5.2 sei hiefür nicht in Betracht gekommen, sei doch darin nur die Weitergabe von Insider-Informationen an unternehmensfremde Personen außerhalb eines Vertraulichkeitsbereiches geregelt. Dass es - abgesehen von der Compliance-Richtlinie - andere unternehmensinterne Richtlinien für die Weitergabe von Insiderinformationen gegeben hätte, sei im gesamten Verfahren nicht vorgebracht worden.

Es hätte somit entgegen der gesetzlichen Vorgabe des § 82 Abs 5 Z 2 BörseG in der erstbeschwerdeführenden Partei keine internen Richtlinien für die Informationsweitergabe zwischen den Vertraulichkeitsbereichen "H" und "V" gegeben. Der objektive Tatbestand einer Übertretung der zitierten Vorschrift sei somit vorgelegen.

Dass im Tatzeitraum tatsächlich Insider-Informationen vom Vertraulichkeitsbereich "H" in den Vertraulichkeitsbereich "V" oder umgekehrt gelangt wären, habe auf Grund der Aktenlage nicht festgestellt werden können und sei auch vom Vertreter der FMA in der mündlichen Verhandlung eingeräumt worden, dass bis dato tatsächlich keine Insider-Informationen zwischen den beiden Vertraulichkeitsbereichen weitergegeben worden seien. Aus diesem Grund habe der im erstinstanzlichen Bescheid erhobene Teil des Tatvorwurfs, in der Praxis seien keine Meldungen und Aufzeichnungen an bzw durch den Compliance-Verantwortlichen erfolgt und von Seiten des Emittenten keine Überwachungshandlungen gesetzt worden, zu entfallen gehabt.

Der Tatvorwurf sei daher auf das Fehlen interner Richtlinien einzuschränken gewesen.

Zum Vorbringen in den Berufungen, die V sei kein Unternehmensteil der erstbeschwerdeführenden Partei, sondern eine eigene Gesellschaft, deren Aufgabe darin bestehe, Mehrheitsanteile an einer Gesellschaft zu halten, die wiederum Mehrheitsanteile an der erstbeschwerdeführenden Partei halte, sodass bei objektiver Auslegung der Compliance-Richtlinie deren Z 5.2 auch die Weitergabe von Insider-Informationen an den Vertraulichkeitsbereich "V" erfasst habe, verwies die belangte Behörde auf die Ausführungen des Zeugen K. Dieser habe dargelegt, der Vertraulichkeitsbereich "V" sei eingerichtet worden, weil die Überlegung im Raum gestanden sei, in der "V" einen Mitarbeiter mit der Aufgabe "Mergers and Acquisitions" zu beauftragen und es dabei zu einem Fluss von Insider-Informationen zwischen den Vertraulichkeitsbereichen hätte kommen können. Da eine solche Position dann in der V nicht eingerichtet worden sei, sei es bis dato auch zu keinem Transfer von Insider-Informationen gekommen. Wäre es allerdings dazu gekommen, so wäre aus der Sicht des Zeugen, der immerhin im Tatzeitraum die Position eines Compliance-Beauftragten in der erstbeschwerdeführenden Partei innegehabt habe, Z 5.1 und nicht - wie vom Berufungswerber behauptet - Z 5.2 der Compliance-Richtlinie anwendbar gewesen.

Die solcherart unterschiedliche Auslegung der Compliance-Richtlinie durch den Zweit- bzw den Viertbeschwerdeführer und den Zeugen zeige deutlich, dass es entsprechend dem erhobenen Tatvorwurf an entsprechenden Richtlinien für die Weitergabe von Insider-Informationen zwischen zwei oder mehreren ständigen Vertraulichkeitsbereichen gefehlt habe und dieses Fehlen im Ernstfall zu Unsicherheiten und Unklarheiten im Umgang mit Insider-Informationen geführt hätte. Genau dem solle § 82 Abs 5 Z 2 BörseG vorbeugen.

Zumal dem Akteninhalt nur die von der Behörde erster Instanz zu Recht als unzureichend gerügten Vorgaben der Compliance-Richtlinie der erstbeschwerdeführenden Partei in der ab geltenden Fassung zu entnehmen seien, habe die Richtigkeit des Tatvorwurfs für den davor liegenden Zeitraum nicht überprüft werden können und sei daher der angelastete Tatzeitraum hinsichtlich des Viertbeschwerdeführers einzuschränken gewesen. Die belangte Behörde setzte sich sodann in beiden Bescheiden mit der subjektiven Tatseite auseinander und verneinte die Glaubhaftmachung, dass die Beschwerdeführer an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden im Sinne des § 5 Abs 1 VStG treffe.

Es sei daher von schuldhaftem Verhalten in der Form der Fahrlässigkeit auszugehen gewesen. Nach der Begründung der Strafbemessung resümierte die belangte Behörde in beiden Bescheiden, dass somit spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

1.2. Gegen diese beiden Bescheide, soweit mit ihnen über die Berufungen gegen Spruchpunkt II der erstinstanzlichen Bescheide abgesprochen wird, richten sich die vorliegenden Beschwerden, und zwar gegen den Bescheid zur GZ UVS-06/FM/46/7979/2011 jene der erstbeschwerdeführenden Partei und des Zweitbeschwerdeführers (protokolliert zu 2012/17/0524 und 2012/17/0527) bzw gegen den Bescheid zur GZ UVS-06/FM/46/7980/2011 der erstbeschwerdeführenden Partei und des Viertbeschwerdeführers (protokolliert zu 2012/17/0525 und 2012/17/0526) jeweils wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

1.3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und die Abweisung der Beschwerden unter Zuspruch der Kosten für den Vorlageaufwand beantragt.

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 79 Abs 11 VwGG in der Fassung BGBl I Nr 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

2.2. § 48 Abs 1 Z 6 sowie § 82 Abs 5 und 6 BörseG, BGBl Nr 555/1989 in der Fassung BGBl I Nr 37/2010 (§ 48 Abs 1 Z 6) bzw BGBl I Nr 22/2009 (§ 82 Abs 5 und 6), lauteten:

" § 48. (1) Wer

...

6. als Emittent seine Verpflichtung zur Veröffentlichung, Übermittlung oder Mitteilung gemäß den §§ 75a und 82 bis 89 nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt oder seine Verpflichtungen gemäß § 82 Abs. 5 verletzt,

...

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist hinsichtlich der Z 1 mit einer Geldstrafe bis zu 50 000 Euro und hinsichtlich der Z 2 bis 8 mit einer Geldstrafe bis zu 30 000 Euro zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet."

" § 82. ...

(5) Jeder Emittent hat zur Hintanhaltung von Insidergeschäften

1. seine Dienstnehmer und sonst für ihn tätigen Personen über das Verbot des Mißbrauchs von Insiderinformationen (§ 48a) zu unterrichten,

2. interne Richtlinien für die Informationsweitergabe im Unternehmen zu erlassen und deren Einhaltung zu überwachen und

3. geeignete organisatorische Maßnahmen zur Verhinderung einer mißbräuchlichen Verwendung oder Weitergabe von Insiderinformationen zu treffen.

(6) Die FMA hat den von der Europäischen Kommission gemäß Art. 27 Abs. 2 der RL 2004/109/EG erlassenen Komitologiebestimmungen entsprechend durch Verordnung festzulegen, unter welchen technischen Voraussetzungen ein gemäß Abs. 4 veröffentlichter Jahresfinanzbericht einschließlich des Bestätigungsvermerks öffentlich zugänglich bleiben muss. Weiters ist sie ermächtigt, durch Verordnung Grundsätze für die Informationsweitergabe im Unternehmen gemäß Abs. 5 Z 2 sowie für organisatorische Maßnahmen gemäß Z 3 zu regeln. Diese Grundsätze haben unter Beachtung der §§ 11 bis 18 WAG der Möglichkeit der Entstehung von Sachverhalten gemäß § 48b entgegenzuwirken und zur Nachvollziehbarkeit solcher Sachverhalte beizutragen."

Die Verordnung der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) über Grundsätze für die Informationsweitergabe im Unternehmen sowie betreffend organisatorische Maßnahmen zur Vermeidung von Insiderinformationsmissbrauch für Emittenten (Emittenten-Compliance-Verordnung 2007 - ECV 2007), BGBl II Nr 213/2007, lautete auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§ 3. Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

...

3. 'Vertraulichkeitsbereiche' sind sowohl ständige als auch vorübergehend (projektbezogen) eingerichtete Unternehmensbereiche, in denen Personen regelmäßig oder anlassbezogen Zugang zu Insider-Informationen haben. Als ständige Vertraulichkeitsbereiche gelten insbesondere:

Aufsichtsrat, Geschäftsleitung, Zentralbetriebsrat, die Gesamtheit der im Unternehmen des Emittenten gewählten Betriebsräte, sofern nicht ein Zentralbetriebsrat besteht, sowie die für Controlling, Finanzen, Rechnungswesen und Kommunikation zuständigen Unternehmensbereiche.

4. 'Personen aus Vertraulichkeitsbereichen' sind Personen, die in einem Dienstverhältnis zum Emittenten stehen und organisatorisch oder funktionell einem Vertraulichkeitsbereich zur Dienstverrichtung zugeordnet sind, sowie Mitglieder der Geschäftsleitung und des Aufsichtsrates. Als Personen aus Vertraulichkeitsbereichen gelten weiters sonst für den Emittenten tätige natürliche Personen, juristische Personen, Personenhandelsgesellschaften, Eingetragene Erwerbsgesellschaften und Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigungen, die regelmäßig oder anlassbezogen Zugang zu Insider-Informationen haben.

2. Abschnitt

Grundsätze für die Informationsweitergabe im Unternehmen Vertraulichkeitsbereiche

§ 4. (1) Jeder Emittent hat die in seinem Unternehmen bestehenden ständigen Vertraulichkeitsbereiche nach den in § 3 Z 3 erster Satz festgelegten Kriterien zu ermitteln und in der Compliance-Richtlinie (§ 12) festzuhalten. Änderungen in der strukturellen Zusammensetzung der ständigen Vertraulichkeitsbereiche sind den Mitgliedern der Geschäftsleitung und den Arbeitnehmern des Emittenten in geeigneter Weise zur Kenntnis zu bringen.

(2) Emittenten, die ausschließlich eine Holdingfunktion ausüben, steht es frei, das gesamte Unternehmen des Emittenten - ungeachtet des Bestehens verschiedener Unternehmensbereiche (§ 3 Z 3 erster Satz) - als einen einzigen Vertraulichkeitsbereich zu definieren, sofern die Größe des Unternehmens die Einrichtung verschiedener Vertraulichkeitsbereiche als untunlich erscheinen lässt und die Möglichkeit der Überprüfung durch den Compliance-Verantwortlichen (§ 13) keinerlei Einschränkung erfährt.

(3) Der Emittent hat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Z 3 erster Satz vorübergehende (projektbezogene) Vertraulichkeitsbereiche auf geeignete Weise einzurichten sowie den Beginn, das Ende und die Bezeichnung des Vertraulichkeitsbereiches und die darin ausgeübte Tätigkeit schriftlich festzuhalten und dem Compliance-Verantwortlichen zur Kenntnis zu bringen.

(4) Vertraulichkeitsbereiche sind von anderen Unternehmensbereichen durch geeignete organisatorische Maßnahmen zur Verhinderung einer missbräuchlichen Verwendung oder Weitergabe von Insider-Informationen abzugrenzen. Als geeignete organisatorische Maßnahmen sind insbesondere ein Versperren von Behältern und Schränken, eine räumliche Trennung, Zutrittsbeschränkungen, personelle Unvereinbarkeitsbestimmungen oder EDV-Zugriffsbeschränkungen anzusehen.

(5) Der Emittent hat sicherzustellen, dass Personen aus Vertraulichkeitsbereichen (§ 3 Z 4) die aus den Rechts- und Verwaltungsvorschriften erwachsenden Pflichten schriftlich anerkennen und schriftlich erklären, sich der Sanktionen bewusst zu sein, die bei einer missbräuchlichen Verwendung oder einer nicht ordnungsgemäßen Verbreitung von Insider-Informationen verhängt werden.

Umgang mit Insider-Informationen

§ 5. (1) Der Emittent hat geeignete Anweisungen zu erteilen, damit innerhalb eines Vertraulichkeitsbereiches Insider-Informationen nur jenen Personen zur Kenntnis gelangen, die mit der Bearbeitung dieser Informationen auf Grund ihrer Tätigkeit befasst sind. Dabei ist die Anzahl der mit Insider-Informationen befassten Personen möglichst gering zu halten.

(2) Der Emittent hat geeignete Anweisungen zu erteilen, damit alle im Unternehmen erstmals bekannt gewordenen und als solche erkannten Insider-Informationen unverzüglich dem Compliance-Verantwortlichen gemeldet werden.

(3) Schriftstücke und externe Datenträger, insbesondere Disketten und CD-ROM, die Insider-Informationen beinhalten, sind derart aufzubewahren, dass sie jenen Personen nicht zugänglich sind, die mit der Bearbeitung dieser Insider-Informationen, der Schriftstücke oder der externen Datenträger nicht auf Grund ihrer Tätigkeit befasst sind.

(4) Elektronisch gespeicherte Daten einschließlich elektronischer Post, die Insider-Informationen beinhalten, sind derart zu sichern, dass sie jenen Personen nicht zugänglich sind, die mit der Bearbeitung dieser Insider-Informationen oder Daten nicht auf Grund ihrer Tätigkeit befasst sind.

Weitergabe von Insider-Informationen

§ 6. (1) Der Emittent hat sicherzustellen, dass Insider-Informationen auch im internen Geschäftsverkehr gegenüber anderen Unternehmensbereichen streng vertraulich behandelt werden und einen Vertraulichkeitsbereich nur unter den in Abs. 2 und 3 vorgesehenen Bedingungen verlassen.

(2) Insider-Informationen dürfen aus einem Vertraulichkeitsbereich in einen anderen Unternehmensbereich nur dann weitergegeben werden, wenn dies zu Unternehmenszwecken erforderlich ist. Eine solche Informationsweitergabe hat sich auf den unbedingt erforderlichen Umfang zu beschränken.

(3) Sobald eine Insider-Information aus einem Vertraulichkeitsbereich weitergegeben wurde, ist der Compliance-Verantwortliche unverzüglich zu informieren. Dieser hat den Informationsinhalt, den Namen der meldenden Person, den Zeitpunkt des Erhalts der Meldung und der Weitergabe der Information sowie die Namen jener Personen aufzuzeichnen, die bereits Kenntnis von der Insider-Information besitzen oder Kenntnis erlangen sollen.

(4) Die Pflicht gemäß Abs. 3 zur unverzüglichen Information an den Compliance-Verantwortlichen gilt nicht, sofern die Weitergabe einer Insider-Information im Rahmen bestehender institutionalisierter und vordefinierter Informationsabläufe erfolgt. Der Emittent hat diese institutionalisierten und vordefinierten Informationsabläufe sowie deren allfällige Änderungen schriftlich zu dokumentieren und dem Compliance-Verantwortlichen zur Kenntnis zu bringen.

Compliance-Richtlinie

§ 12. (1) Jeder Emittent ist verpflichtet, in seinem Unternehmen eine interne Compliance-Richtlinie zu erlassen und den Mitgliedern des Aufsichtsrates, den Mitgliedern der Geschäftsleitung, den Arbeitnehmern und den sonst für den Emittenten tätigen Personen nach § 3 Z 4 zweiter Satz zur Kenntnis zu bringen.

(2) Die Compliance-Richtlinie hat insbesondere zu enthalten:

1. Die im Unternehmen des Emittenten bestehenden ständigen Vertraulichkeitsbereiche nach § 4 Abs. 1;

2. die Umsetzung der Pflichten zum Umgang mit Insider-Informationen (§ 5) im Unternehmen des Emittenten;

3. die bei der Weitergabe von Insider-Informationen zu beachtenden Vorschriften (§§ 6 und 7);

4. die Länge der Sperrfristen vor der geplanten Veröffentlichung der (vorläufigen) Quartals- und Jahreszahlen sowie die sich aus § 8 in Verbindung mit § 9 ergebenden Handelsverbote;


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5.
die Übermittlung von Directors' Dealings-Meldungen nach § 10;
6.
einen Hinweis auf das nach § 11 vom Compliance-Verantwortlichen geführte Insider-Verzeichnis einschließlich der darin enthaltenen Angaben;
7.
Befugnisse und Aufgabenbereich des Compliance-Verantwortlichen sowie dessen Stellung im Unternehmen;
8.
mögliche zivilrechtliche oder dienstrechtliche Konsequenzen im Falle von Verstößen gegen die Compliance-Richtlinie.

(3) Der Emittent hat der FMA ein Exemplar der Compliance-Richtlinie in geeigneter Weise zu übermitteln und die FMA über Änderungen der Compliance-Richtlinie unverzüglich in Kenntnis zu setzen."

2.3. Die angefochtenen Bescheide beruhen hinsichtlich der Entscheidung betreffend Spruchpunkt II. der erstinstanzlichen Bescheide auf der Auffassung, die Compliance-Richtlinie der erstbeschwerdeführenden Partei habe keine Regelung betreffend die Weitergabe von Insider-Informationen zwischen den beiden eingerichteten Vertraulichkeitsbereichen "H" und "V" enthalten.

In den Beschwerden wird dieser Auffassung entgegengehalten, eine explizite Regelung für die Weitergabe von Insider-Informationen zwischen diesen Vertraulichkeitsbereichen sei nicht erforderlich gewesen.

Aus der Definition der Begriffe "Vertraulichkeitsbereiche" und "Personen aus Vertraulichkeitsbereichen" in § 3 ECV 2007 ergebe sich, dass diese auf den von der Gesellschaft in der Compliance-Richtlinie genannten ständigen Vertraulichkeitsbereich "V" keine Anwendung finden könnten. Es könne sich zunächst schon nach gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen bei den mittelbaren Aktionären einer Aktiengesellschaft nicht um einen Unternehmensbereich handeln. Zudem könne nicht von Personen aus Vertraulichkeitsbereichen gesprochen werden, weil die Organmitglieder und Mitarbeiter einer Konzernmutter (der V Beteiligungsges mbH) nicht als Beschäftigte des Emittenten gälten und für diesen auch nicht tätig würden. Die Einrichtung des Vertraulichkeitsbereichs "V" sei lediglich zur Sicherheit erfolgt, falls es einmal im Rahmen der Konzernlenkungsfunktion zu einem bestimmungsgemäßen Zugang von Geschäftsführern und Mitarbeitern zu Insider-Informationen hätte kommen können. Da es sich beim Vertraulichkeitsbereich "V" um keinen Vertraulichkeitsbereich im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des BörseG und der ECV 2007 gehandelt habe, sei es zur Erfüllung der Verpflichtung gemäß § 82 Abs 5 Z 2 BörseG auch nicht erforderlich gewesen, in der Compliance-Richtlinie ausdrückliche Regelungen für den Fall der Weitergabe von Insider-Informationen an den Vertraulichkeitsbereich "V" vorzusehen.

2.4. Zu diesem Vorbringen ist darauf hinzuweisen, dass gemäß § 3 Z 4 ECV 2007 zu den "Personen aus Vertraulichkeitsbereichen" auch "sonst für den Emittenten tätige natürliche Personen, juristische Personen, Personenhandelsgesellschaften, Eingetragene Erwerbsgesellschaften und Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigungen, die regelmäßig oder anlassbezogen Zugang zu compliance-relevanten Informationen haben" zählen.

Der Versuch des Ausschlusses des tatsächlich eingerichteten Vertraulichkeitsbereiches "V" aus dem Begriff des Vertraulichkeitsbereiches im Sinne des § 3 Z 3 ECV 2007 durch eine Wortinterpretation der ECV 2007 geht daher ins Leere. Schon aus der Bezugnahme der ECV 2007 auf die Einrichtung mehrerer Vertraulichkeitsbereiche in einer Holding ergibt sich, dass Vertraulichkeitsbereiche nicht nur innerhalb ein und derselben juristischen Person einzurichten sind. Auch aus den in der Beschwerde angegebenen Belegstellen wie zB Hausmaninger/Ketzer, Die neue Emittenten-Compliance-Verordnung, ÖBA 2002, 218, ergibt sich für den Standpunkt der Beschwerden nichts. Hausmaninger/Ketzer weisen aaO unter anderem darauf hin, dass Vertraulichkeitsbereiche auch über den eigentlichen Unternehmensbereich hinausstrahlen, wenn die Unternehmensaktivität die Einschaltung von externen Beratern wie zB Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern usw erfordere und diese im Rahmen ihrer Tätigkeit für den Emittenten Kenntnis von Insider-Informationen erlangten. Auch auf die Regelung für Holdings wird aaO hingewiesen. Für die Auffassung, dass es sich "bei den mittelbaren Aktionären einer Aktiengesellschaft nicht um einen Unternehmensbereich handeln" könne, lassen sich die Ausführungen von Hausmaninger/Ketzer nicht heranziehen.

Da die beiden Vertraulichkeitsbereiche eingerichtet waren, waren auch die hiefür geltenden Regelungen anwendbar. Darauf, ob die Einrichtung erforderlich war, kommt es dabei - bei Beurteilung der Frage eines allfälligen Verstoßes gegen die bestehenden Regelungen - nicht an.

Auch aus dem Vorbringen, dass es faktisch zu keinem Zeitpunkt zur Übermittlung von Insider-Informationen an Mitglieder des Vertraulichkeitsbereiches "V" gekommen sei, weil Dr. L und Dr. W als Aufsichtsratsmitglieder auch dem Vertraulichkeitsbereich "H" angehört hätten und andere Personen des Vertraulichkeitsbereiches "V" keine derartigen Informationen erhalten hätten, ist für den Beschwerdestandpunkt nichts zu gewinnen.

Abgesehen davon, dass nicht verständlich ist, weshalb der Umstand, dass die genannten Personen beiden Vertraulichkeitsbereichen angehört hätten, ausschließen sollte, dass es zur Weitergabe von Informationen aus dem einen an den anderen Vertraulichkeitsbereich hätte kommen können, kann es nicht maßgebend sein, ob es faktisch zu einer Übermittlung von Insider-Informationen gekommen ist. Der Tatbestand setzt einen derartigen Erfolg nicht voraus. Der von der belangten Behörde erhobene Tatvorwurf geht dahin, dass keine ausreichende Regelung der Weitergabe der Informationen zwischen den Vertraulichkeitsbereichen bestanden habe. Dieser Tatbestand ist auch erfüllt, wenn es de facto zu keiner Weitergabe von Informationen gekommen ist.

Die Beschwerden wenden sich weiters gegen die von der belangten Behörde ergänzend herangezogene Argumentation betreffend den Widerspruch zwischen den Aussagen des Zweit- und des Viertbeschwerdeführers und des Zeugen K hinsichtlich der Frage, unter welche der Regelungen der Compliance-Richtlinie der erstbeschwerdeführenden Partei eine allfällige Informationsweitergabe an den Vertraulichkeitsbereich "V" hätte fallen können. Auch wenn den Beschwerden einzuräumen ist, dass ein "Irrtum des Zeugen" vorliegen könnte, würde eine ex post als möglich erscheinende Interpretation der Compliance-Richtlinie dahingehend, dass eine derartige Informationsweitergabe entweder von Punkt 5.1 oder von Punkt 5.2 erfasst gewesen wäre, nichts daran ändern, dass keine ausdrückliche Vorschrift bestand, die für die beteiligten Personen eine in diesem Fall eindeutig anwendbare Anordnung enthielt. Wie sich aus den Vorschriften des zweiten Abschnitts der ECV 2007 ergibt, enthält die ECV 2007 eine Reihe von Verpflichtungen der "Personen aus Vertraulichkeitsbereichen" im Sinne des § 3 Z 4 ECV 2007, sodass nicht nur für die Compliance-Verantwortlichen oder die Leitungsorgane des Emittenten der Inhalt der Compliance-Richtlinie (allenfalls im Wege einer diffizilen Auslegungsoperation) klar sein muss.

Die belangte Behörde konnte daher zu Recht davon ausgehen, dass der objektive Tatbestand der Übertretung des § 82 Abs 5 Z 2 BörseG 1989 in der genannten Fassung in Verbindung mit § 48 Abs 1 Z 6 BörseG 1989 erfüllt war.

2.5. Zutreffend wird in den Beschwerden jedoch darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde zu Unrecht die Heranziehung eines Kapitalmarktexperten einer namhaften österreichischen Rechtsanwaltskanzlei nicht als eine das Verschulden des Zweit- und des Viertbeschwerdeführers ausschließende Einholung einer qualifizierten Rechtsauskunft gewertet hat.

Der Zweitbeschwerdeführer und der Viertbeschwerdeführer haben schon in ihren Berufungen unter dem Gesichtspunkt mangelnden Verschuldens geltend gemacht, dass sich der Vorstand der Gesellschaft zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Umsetzung der Vorschriften des BörseG und der ECV 2007 einer namhaften österreichischen Rechtsanwaltskanzlei bedient habe.

Die belangte Behörde hat in den angefochtenen Bescheiden der Rechtfertigung des Zweitbeschwerdeführers und des Viertbeschwerdeführers entgegen gehalten, dass es angesichts der Komplexität des Zusammenspiels zwischen der V und der erstbeschwerdeführenden Partei der Sachkenntnisse der in der erstbeschwerdeführenden Partei verankerten Entscheidungsträger bedurft hätte, um den gesetzeskonformen Umgang mit Insider-Informationen zu gewährleisten und eine diesbezüglich inhaltlich richtige sowie vollständige Compliance-Richtlinie zu erstellen.

Der Zweitbeschwerdeführer und der Viertbeschwerdeführer haben sich mit ihrem Vorbringen auf das Vorliegen eines schuldausschließenden Rechtsirrtums im Sinn der hg Rechtsprechung berufen, geht es doch letztlich um die Bestimmung des genauen Inhalts des Gebots, "interne Richtlinien für die Informationsweitergabe im Unternehmen zu erlassen" und die daraus im Einzelfall abzuleitenden Erfordernisse (vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit einer solchen Bestimmung unter dem Gesichtspunkt der ausreichenden Determinierung zu der vergleichbaren Regelung des § 35 Abs 1 WAG 2007 betreffend die Erstellung von Leitlinien für den Umgang mit Interessenskonflikten Slg 19.771 und zu den Konsequenzen dieses Erkenntnisses Zahradnik/Zosis Zur Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe im WAG 2007 - Entscheidungsbesprechung zu , ÖBA 2014, 84).

Nach der Rechtsprechung entschuldigt gemäß § 5 Abs 2 VStG die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Die Unkenntnis des Gesetzes, wie auch eine irrige Gesetzesauslegung, müssen somit unverschuldet sein (, , 2008/09/0086, , 2010/03/0179, , 2013/11/0110, , 2013/10/0203).

Es bedarf bei der Einhaltung der einem am Wirtschaftsleben Teilnehmenden obliegenden Sorgfaltspflicht im Zweifelsfall einer Objektivierung durch geeignete Erkundigungen. Die entsprechenden Erkundigungen können nicht nur bei den Behörden, sondern auch bei einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung berechtigten Person eingeholt werden (, und , 2011/17/0073). Hat die Partei (zB von einem Rechtsanwalt) eine falsche Auskunft erhalten, so liegt ein schuldausschließender Irrtum dann nicht vor, wenn sie Zweifel an der Richtigkeit der Auskunft hätte haben müssen (vgl , oder , 2011/17/0073).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung somit Erkundigungen bei einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung berechtigten Person grundsätzlich als ausreichend zur Erfüllung der an den Teilnehmer im Wirtschaftsleben zu stellenden Sorgfaltsanforderungen erachtet, soweit nicht begründete Zweifel an der erteilten Auskunft bestehen mussten bzw die Auskunft die Annahme der Gesetzeskonformität für den konkreten Sachverhalt nicht begründen konnte (vgl etwa , oder das bereits genannte Erkenntnis vom , 2013/10/0203).

Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar weiters das Vorliegen eines schuldausschließenden Rechtsirrtums in Fällen, in denen bewusst eine Konstruktion gewählt wurde, mit der die rechtlichen Möglichkeiten bis zum Äußersten ausgereizt werden sollen, verneint, wenn keine Auskunft der zuständigen Behörde eingeholt worden war, da in derartigen Fällen eine besondere Sorgfalt hinsichtlich der Erkundigung über die Rechtslage an den Tag zu legen sei (vgl , oder , 2011/17/0073); ein derartiger Sachverhalt liegt in den Beschwerdefällen jedoch nicht vor. Es wurden keine organisatorischen Lösungen gewählt, um die im Beschwerdefall angewendeten Regelungen des BörseG oder der ECV 2007 aufs Äußerte auszureizen (vgl etwa ) oder gar zu umgehen, und auch die in Rede stehende Regelung der Compliance-Richtlinie des Unternehmens nicht so gestaltet, dass sie den mit dem Gesetz verfolgten Zweck grundsätzlich nicht erfüllen könnte (in den Beschwerden wird auch zutreffend darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde keine tatsächliche Weitergabe von Informationen zwischen den beiden Vertraulichkeitsbereichen festgestellt hat).

Die Argumentation der belangten Behörde übersieht insbesondere, dass auch die von ihr ins Treffen geführte Komplexität nicht eine rechtliche Beurteilung einer in Aussicht genommenen Regelung erübrigt. Die Erforderlichkeit entsprechender Kenntnisse der Unternehmenszusammenhänge bei der Beurteilung der Rechtskonformität der Compliance-Richtlinie schließt nicht aus, dass eine auf Grund der Angaben der "im Unternehmen verankerten Entscheidungsträger" erfolgende rechtliche Beurteilung gegebenenfalls einen schuldausschließenden Rechtsirrtum gemäß § 5 Abs 2 VStG begründen könnte. Die Argumentation der belangten Behörde würde dazu führen, dass stets dann, wenn für eine rechtliche Beurteilung die Kenntnis unternehmensinterner Abläufe erforderlich wäre, die dargestellte Rechtsprechung zur Erfüllung der erforderlichen Sorgfalt durch die verantwortlichen Unternehmensorgane durch die Einholung von Rechtsauskünften nicht anwendbar wäre. Sie ist daher nicht geeignet, die Schlussfolgerung, es sei das mangelnde Verschulden nicht erwiesen worden, zu tragen.

Dass der auch von der belangten Behörde angenommenen Rechtsauskunft ungenügende sachverhaltsmäßige Grundlagen zu Grunde gelegen wären, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Sie hat nicht festgestellt, dass dem für die rechtliche Beurteilung herangezogenen Rechtsanwalt etwa die für die Beurteilung erforderlichen Informationen nicht erteilt worden wären bzw. dass der Rechtsanwalt die Beurteilung auf dem Boden einer ungenügenden Sachverhaltsdarstellung oder etwa nur abstrakt an Hand einer allgemeinen Anfrage durch die Gesellschaftsorgane erteilt hätte (vgl in gleichem Sinne für die Einholung einer Auskunft durch die zuständige Behörde ).

Ebensowenig wurde der Inhalt der Rechtsauskunft festgestellt, sodass nicht beurteilt werden kann, ob beim Zweit- und Viertbeschwerdeführer ein anzulastender Sorgfaltsverstoß vorliegen könnte.

2.6. Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage verkannt, wenn sie die Glaubhaftmachung des mangelnden Verschuldens durch den Zweit- und den Viertbeschwerdeführer verneint hat.

Beide angefochtenen Bescheide waren daher, soweit sie sich auf Spruchpunkt II. des jeweiligen erstinstanzlichen Bescheides beziehen, gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben. Damit erweist sich auch der jeweilige Kostenausspruch gemäß § 64 Abs 2 VStG der angefochtenen Bescheide als rechtswidrig, sodass auch diese gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben waren.

2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGB II Nr 518/2013 in der Fassung BGBl II Nr 8/2014, insbesondere § 53 Abs 2 VwGG.

Wien, am