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VwGH vom 24.03.2011, 2010/09/0210

VwGH vom 24.03.2011, 2010/09/0210

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Strohmayer und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde der V, vertreten durch Dr. Paul Georg Appiano, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bösendorferstraße 7, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , betreffend Bestätigung gemäß § 3 Abs. 8 AuslBG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag der am geborenen Beschwerdeführerin, einer bulgarischen Staatsangehörigen, auf Ausstellung einer Bestätigung gemäß § 3 Abs. 8 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), dass sie vom Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgenommen sei, abgewiesen.

Die wesentliche Begründung des angefochtenen Bescheides lautet:

"Ihre Argumente zeigen keinen Tatbestand auf, der die Ausstellung einer Bestätigung gemäß § 3 Abs. 8 AuslBG rechtfertigt.

Die sich auf die seinerzeitige Rechtslage des VwGH beziehende Judikatur kann keinen anderen Beurteilungsmaßstab begründen.

Gemäß § 1 Abs. 1 lit m AuslBG sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes unter anderem auf drittstaatsangehörige Kinder österreichischer Staatsbürger nicht anzuwenden, sofern das Kind zur Niederlassung nach dem NAG berechtigt ist.

Gemäß der Bestimmung des § 2 Abs. 11 AuslBG, die mit in Kraft getreten ist, sind für Kinder die jeweiligen Altersgrenzen gemäß § 2 Abs. 1 Ziff 9 und Abs. 4 Ziff 1 NAG heranzuziehen.

§ 2 Abs. 1 Ziff 9 NAG umfasst ausschließlich minderjährige Kinder und nach § 2 Abs. 4 Ziff 1 NAG ist die Minderjährigkeit nach den Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) zu beurteilen.

In Österreich sind nach dem ABGB Kinder mit Vollendung des 18. Lebensjahres volljährig und danach nicht mehr als minderjährig zu qualifizieren.

Da Sie bereits im 27. Lebensjahr stehen, sind Sie zumindest seit nicht unter dem Begriff 'Kind' im Sinne des § 1 Abs. 2 lit m und § 2 Abs. 11 AuslBG zu subsumieren.

Das Faktum, demnach Kinder österreichischer Staatsbürger gegenüber solchen von EWR-Bürgern durch das AuslBG schlechter gestellt werden, kann keinen anderen Beurteilungsmaßstab begründen sowie keine Berücksichtigung finden.

Die Behörde ist ausschließlich befugt, ihre Entscheidung anhand der geltenden Gesetzeslage zu treffen.

Zudem sieht der Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur eine Differenzierung zwischen Angehörigen von EU-Bürgern und Österreichern als gerechtfertigt an.

Auf Kinder österreichischer Staatsbürger ist explizit die Normierung des § 1 Abs. 2 lit m AuslBG anzuwenden.

Es gibt auf Grund der Sachverhaltslage keinen Hinweis, dass Ihre Mutter einen Freizügigkeitssachverhalt in Anspruch genommen hat, die eine rechtliche Beurteilung nach § 1 Abs. 2 lit 1 AuslBG nach sich ziehen könnte.

Inwieweit Ihre Mutter, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, Ihnen Unterhalt leistet, kommt somit hinsichtlich Ihres Anbringens keine Relevanz nach vorzitierter Bestimmung zu.

Mit Ihren Ausführungen zur Unionsbürgerrichtlinie können Sie nichts gewinnen, da das von Ihnen zitierte Erkenntnis des VwGH lediglich allgemein den Kindesbegriff abhandelt.

Ihre Bezugnahme auf die Verordnung EWG 1612/68 kann aufgrund der geltenden Gesetzeslage zu keiner gegenteiligen Entscheidung führen.

Aufgrund der aufgezeigten Feststellungen erfüllen Sie nicht die Bedingung zur Ausstellung einer Bestätigung gemäß § 3 Abs. 8 AuslBG."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die hier maßgeblichen Stellen des § 1 AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 idF. BGBl I Nr. 78/2007, dessen § 2 idF. BGBl. I Nr. 135/2009, dessen § 3 idF. BGBl. I Nr. 99/2009 und dessen § 32a idF. BGBl. I Nr. 91/2009, lauten:

"§ 1. (1) …

(2) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind nicht anzuwenden auf

l) Freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, deren drittstaatsangehörige Ehegatten und Kinder (einschließlich Adoptiv- und Stiefkinder), die noch nicht 21 Jahre alt sind oder denen der EWR-Bürger oder der Ehegatte Unterhalt gewährt, sowie drittstaatsangehörige Eltern des EWR-Bürgers und seines Ehegatten, denen der EWR-Bürger oder der Ehegatte Unterhalt gewährt, sofern sie zur Niederlassung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 berechtigt sind;

§ 2 (1)…

(11) Für Kinder sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, die jeweiligen Altersgrenzen gemäß § 2 Abs. 1 Z 9 und Abs. 4 NAG und § 52 Z 2 NAG heranzuziehen.

§ 3 (1)…

(8) Familienangehörigen gemäß § 1 Abs. 2 lit. l und m ist auf deren Antrag von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eine Bestätigung auszustellen, dass sie vom Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgenommen sind.

§ 32a (1) § 1 Abs. 2 lit. l und m gilt - mit Ausnahme der Staatsangehörigen der Republik Malta und der Republik Zypern - nicht für Staatsangehörige jener Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die am aufgrund des Vertrages über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (Beitrittsvertrag), Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 236 vom , Seite 17 und Nr. C 227 E vom , der Europäischen Union beigetreten sind, es sei denn, sie sind Ehegatten, Kinder, Eltern oder Schwiegereltern eines freizügigkeitsberechtigten Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), der bereits vor In-Kraft-Treten des Beitrittsvertrages dem EWR angehörte, oder sie sind Ehegatten oder Kinder eines österreichischen Staatsbürgers oder eines Staatsangehörigen eines anderen EWR-Mitgliedstaates, der sein Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch nimmt.

(10) Die Abs. 1 bis 9 sind auf Staatsangehörige der Republik Bulgarien und Rumäniens und auf Arbeitgeber mit Betriebssitz in diesen Staaten ab dem jeweiligen Beitritt dieser Staaten zur Europäischen Union sinngemäß anzuwenden. Die Wartefrist von 18 Monaten gemäß Abs. 3 entfällt zwei Jahre nach dem jeweiligen Beitritt."

Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, ihre Mutter sei österreichische Staatsbürgerin, weshalb "im Ergebnis bei rechtsrichtiger Anwendung des § 32a Abs. 1 AuslBG davon auszugehen" sei, "dass die Ausnahmebestimmungen des § 1 Abs. 2 lit. l und m AuslBG sehr wohl anzuwenden" seien.

Nach den Feststellungen der belangten Behörde gibt es auf Grund der "Sachverhaltslage" keinen Hinweis darauf, dass die Mutter der Beschwerdeführerin ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen hätte. Auch die Beschwerde enthält kein diesbezügliches Vorbringen.

Mit der Nov. BGBl. I Nr. 78/2007 wurde in § 2 Abs. 11 AuslBG eine Definition der Altersgrenzen für Kinder durch Verweis auf § 2 Abs. 1 Z. 9 und Abs. 4 NAG und § 52 Z. 2 NAG gezogen.

Da im gegenständlichen Fall kein Hinweis darauf besteht, dass die Mutter der Beschwerdeführerin von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, kommt § 1 Abs. 2 lit. m AuslBG zur Anwendung. Für den darin enthaltenen Begriff "Kinder" und deren Altersgrenze gilt das über § 2 Abs. 11 AuslBG und § 2 Abs. 4 NAG verwiesene ABGB (gemäß § 33a AuslBG in der jeweils geltenden Fassung). Minderjährig sind nach § 21 Abs. 2 ABGB alle Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

Da die Beschwerdeführerin bereits 1984 geboren wurde, ist sie kein Kind im Sinne dieser Bestimmungen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.

Wien, am