VwGH vom 26.05.2014, 2012/17/0505
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der Marktgemeinde L, vertreten durch die Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. RU1-BR-1513/002-2012, betreffend Aufschließungsabgabe (mitbeteiligte Partei: J R in S, vertreten durch Mag. Christian Kaiser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 25/30), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Gemeinde hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 und dem Land Niederösterreich in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom erklärte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gemeinde einen Grundstücksteil des im Eigentum des Mitbeteiligten stehenden, in der beschwerdeführenden Gemeinde liegenden Grundstücks Nr. X KG Y gemäß § 11 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 (NÖ BauO 1996) iVm § 23 Abs. 3 leg. cit. zum Bauplatz.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom wurde aufgrund der Bauplatzerklärung eine Ergänzungsabgabe gemäß § 39 Abs. 2 NÖ BauO 1996 in der Höhe von EUR 28.760,80 vorgeschrieben. Die dagegen erhobene Berufung des Mitbeteiligten wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes vom abgewiesen. Der letztgenannte Bescheid wurde von der Niederösterreichischen Landesregierung als Vorstellungsbehörde mit Bescheid vom im ersten Rechtsgang aufgehoben. Im Ergebnis gelangte die Behörde zur Ansicht, dass die Ergänzungsabgabe wegen Anwendung einer unrichtigen Berechnungsmethode zu hoch vorgeschrieben worden sei und sie merkte an, dass richtig eine Aufschließungsabgabe nach § 38 Abs. 1 Z 1 NÖ BauO 1996 vorzuschreiben gewesen wäre. Mit Bescheid vom hob der Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Gemeinde den oben zitierten Bescheid des Bürgermeisters auf und verwies die Angelegenheit an die Abgabenbehörde erster Instanz zurück.
Mit dem im zweiten Rechtsgang ergangenen Abgabenbescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Gemeinde vom wurde dem Mitbeteiligten eine Aufschließungsabgabe in der Höhe von EUR 26.936,47 gemäß § 38 Abs. 1 NÖ BauO 1996 infolge der Bauplatzerklärung vorgeschrieben.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der Gemeindevorstand der beschwerdeführenden Gemeinde mit Bescheid vom als unbegründet ab. In der Begründung wurde darauf verwiesen, dass der Betrag von ATS 109.320,66, den die Rechtsvorgängerin des Mitbeteiligten für den Ausbau eines näher bezeichneten Güterweges als Mehrleistung bezahlt hätte, bereits von der beschwerdeführenden Gemeinde zurückgezahlt worden sei und daher nicht, wie vom Mitbeteiligten vorgebracht, gemäß § 38 Abs. 7 NÖ BauO 1996 von der vorzuschreibenden Aufschließungsabgabe abzuziehen sei.
Gegen diesen abweisenden Bescheid erhob der Mitbeteiligte Vorstellung an die belangte Behörde, in der er unter anderem neuerlich bestritt, dass es zur Rückzahlung gekommen sei, und er die Anrechnung von ATS 109.320,66 auf die vorgeschriebene Aufschließungsangabe begehrte. Mit Schreiben vom forderte die belangte Behörde den Mitbeteiligten auf, Urkunden vorzulegen, um nachzuweisen, dass die behauptete Rückzahlung nicht erfolgt sei und der Betrag deswegen auf die vorzuschreibende Aufschließungsabgabe anzurechnen sei. Mit Eingabe vom legte der Mitbeteiligte Urkunden vor.
In der Folge gab die belangte Behörde der Vorstellung mit dem angefochtenen Bescheid statt und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Gemeinde. Begründend führte die belangte Behörde zur Höhe der zu leistenden Aufschließungsabgabe aus, die Rechtsvorgängerin des Mitbeteiligten habe bis zum August 1995 ATS 527.642,54 an Interessentenbeiträgen zum Ausbau des näher bezeichneten Güterweges an die zuständige Bauabteilung geleistet. Ein Nachweis dafür, dass die beschwerdeführende Gemeinde den durch die Rechtsvorgängerin des Mitbeteiligten zu viel geleisteten Betrag von ATS 109.320,66 bereits zurückgezahlt habe, sei durch die beschwerdeführende Gemeinde (bisher) nicht erbracht worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Mitbeteiligte und die belangte Behörde erstatteten jeweils eine Gegenschrift, in welcher sie beantragten, der Beschwerde nicht Folge zu geben bzw. sie als unbegründet abzuweisen. Die beschwerdeführende Gemeinde erstattete eine Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nichts anders bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren, die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall als Vorstellungsbehörde entschieden. Es ist Aufgabe der Vorstellungsbehörde, den bei ihr bekämpften Bescheid dahingehend zu prüfen, ob durch ihn Rechte des Beschwerdeführers verletzt werden. Der Vorstellungsbehörde kommt aber nicht die Befugnis einer Berufungsbehörde zur reformatorischen Entscheidung zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0118, mwN). Die aufsichtsbehördliche Kontrolle im Vorstellungsverfahren ist daher eine bloß nachprüfende Rechtmäßigkeitskontrolle (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/17/0247). Dies ergibt sich auch aus § 61 Abs. 4 Niederösterreichische Gemeindeordnung 1973, LGBl. Nr. 1000 in der Fassung LGBl. Nr. 1000- 12, wonach die Aufsichtsbehörde den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen hat. Die Vorstellungsbehörde ist demnach nicht befugt, anstelle der zuständigen Gemeindeorgane in der Sache, die Gegenstand des gemeindebehördlichen Verfahrens war, selbst zu entscheiden und etwa den gemeindebehördlichen Bescheid abzuändern (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 98/06/0231).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entfalten Vorstellungsbescheide, mit denen ein letztinstanzlicher Gemeindebescheid aufgehoben wird, sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der für die Aufhebung tragenden Gründe Bindungswirkung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2009/05/0346, und § 61 Abs. 5 Niederösterreichische Gemeindeordnung 1973, LGBl. Nr. 1000 in der Fassung LGBl. Nr. 1000- 12). Diese Bindungswirkung beschränkt sich jedoch auf die ausdrücklich geäußerte Rechtsansicht der Vorstellungsbehörde. Hinweise der Vorstellungsbehörde für das fortgesetzte Verfahren, die über die die Aufhebung tragenden Gründe hinausgehen, entfalten daher keine Bindungswirkung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/05/0231, mwN). Die Bindungswirkung erstreckt sich auf jenes Verfahren, in dem der Vorstellungsbescheid ergangen ist, und ist sowohl von den Gemeindebehörden als auch von der Vorstellungsbehörde und von den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts zu beachten, wobei sich an der Bindung an diese Rechtsauffassung der Vorstellungsbehörde auch durch das Inkrafttreten der Bundesabgabenordnung (BAO) für das landesgesetzliche Abgabenverfahren am nichts geändert hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/17/0327, mwN).
Die Beschwerde führt zusammengefasst aus, die Höhe des durch die Zahlung der Rechtsvorgängerin zum Ausbau des Güterweges auf die Aufschließungsabgabe anzurechnenden Betrages sei strittig. So sei die belangte Behörde fälschlich davon ausgegangen, es müsse zwingend ein Urkundenbeweis für die Rückzahlung des strittigen Betrages erbracht werden und habe die Behörde den Grundsatz der freien Beweiswürdigung missachtet. Dass der maßgebliche Sachverhalt hinsichtlich der Rückzahlung nicht geklärt worden sei, rechtfertige eine Bescheidaufhebung nicht. Überdies sei der beschwerdeführenden Gemeinde kein Parteiengehör zu den vom Mitbeteiligten vorgelegten Urkunden gewährt worden. Die beschwerdeführende Partei hätte sodann die Unrichtigkeit der Berechnung darlegen können und hätte die Behörde im Ergebnis einen anderen Betrag vorgeschrieben. Außerdem sei die Begründung des Bescheides unschlüssig.
Gemäß § 38 Abs. 7 Z 1 NÖ Bauordnung 1996 sind frühere Leistungen für den Ausbau der Fahrbahn, des Gehsteiges, der Oberflächenentwässerung und der Beleuchtung einer an den Bauplatz grenzenden Straße auf die Aufschließungsabgabe anzurechnen, wenn sie als Geldleistung auf Grund einer Vereinbarung erbracht wurden. Als für die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tragenden Grund nahm die belangte Behörde an, dass der Nachweis nicht erbracht worden sei, dass die beschwerdeführende Gemeinde an die Rechtsvorgängerin des Mitbeteiligten den gegenständlichen Betrag zurückbezahlt hätte. Aus diesem Grund sei dem Mitbeteiligten eine zu hohe Aufschließungsabgabe vorgeschrieben worden. Nach den Ausführungen zur Bindungswirkung beschränkt sich diese im hier angefochtenen Bescheid bloß auf die Rechtsansicht, dass die beschwerdeführende Partei die (Rück)Zahlung des hier noch strittigen Betrages (und nicht der Mitbeteiligte das Unterbleiben einer solchen) nachzuweisen gehabt hätte. Dem kann der Verwaltungsgerichtshof nicht entgegentreten, zumal der Mitbeteiligte diesbezüglich ein Vorbringen erstattet hat. Zutreffend hat die belangte Behörde auch die Ansicht vertreten, dass die bloße Feststellung der erfolgten Zahlung im vor ihr bekämpften Bescheid ohne Begründung (und ohne aus dem Akt erkennbarer Grundlage) einen Begründungsmangel bildet, der zur Aufhebung des vor der belangten Behörde bekämpften Bescheides führen musste, ohne dass diese zu einer allfälligen Ergänzung des Beweisverfahrens verhalten war. Die von der belangten Behörde vorgenommenen Berechnungen dienen einerseits der Darstellung der Relevanz des Verfahrensmangels und sind andererseits bloß als Hinweise der Vorstellungsbehörde für das fortgesetzte Verfahren zu qualifizieren, die über die die Aufhebung tragenden Gründe hinausgehen und daher keine Bindungswirkung entfalten (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis vom ). Sohin geht das Vorbringen der beschwerdeführenden Gemeinde, wonach der angefochtene Bescheid materiell rechtswidrig sei, weil er ihr keinen Raum für allfällige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens lasse, ins Leere. Eine "unbedingte Verpflichtung, die Vorschreibung der Aufschließungsabgabe auf EUR 13.684,81 zu reduzieren" trifft die entscheidende Behörde mangels diesbezüglicher Bindungswirkung im fortgesetzten Verfahren daher nicht.
Entgegen der Beschwerdeauffassung ist die durch die belangte Behörde vorgenommene Begründung auch nicht als unschlüssig zu qualifizieren. Denn aus der Auffassung im angefochtenen Bescheid, dass eine Gesamtleistung von ATS 787.194,00 - von der die Berufung ausging - nicht nachvollziehbar sei, lässt sich nicht schließen, dass die belangte Behörde dadurch im Umkehrschluss für die Berechnung der Aufschließungsabgabe von einem geleisteten Gesamtbetrag von ATS 418.321,88 auszugehen und daraus folgend die erfolgte Rückzahlung des strittigen Betrages zu unterstellen gehabt hätte. Auch stützte die belangte Behörde ihre Begründung nicht darauf, dass die in den Urkunden aufscheinenden "Asphaltierungsarbeiten" mit den gegenständlich wesentlichen Geldleistungen in Verbindung zu bringen seien. Da die belangte Behörde von einer Anrechenbarkeit dieser Leistungen ohnedies nicht ausging, ist auf das Vorbringen zu diesem Problemfeld hinsichtlich der hier strittigen Höhe der Aufschließungsabgabe nicht weiter einzugehen.
Die belangte Behörde hat auf Grund des vorliegenden Sachverhalts somit im Ergebnis zu Recht der Vorstellung des Mitbeteiligten Folge gegeben, den Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die beschwerdeführende Gemeinde zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der (auf "Altfälle" gemäß § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, weiter anzuwendenden) VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am