VwGH vom 14.12.2010, 2010/09/0193

VwGH vom 14.12.2010, 2010/09/0193

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der F Ges.m.b.H. in S, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle Oberösterreich des Arbeitsmarktservice vom , Zl. LGSOÖ/Abt.1/08114/73/2010, betreffend Beschäftigungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag der beschwerdeführenden GmbH auf Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung für den bei ihr beschäftigten TI (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof), einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 4 Abs. 3 Z. 7 und § 4 Abs. 6 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Asylverfahren des TI seit dem rechtskräftig negativ abgeschlossen sei. TI verfüge über kein anderes Aufenthaltsrecht nach dem § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG, die Voraussetzungen nach dieser Bestimmung seien daher nicht erfüllt. TI sei bisher auch kein Niederlassungsrecht aus humanitären Gründen erteilt worden. Der Beschwerdeführerin sei das Ergebnis der Beweisaufnahme mit Schreiben vom zur Kenntnis gebracht worden, sie habe dazu keine Stellungnahme abgegeben. Die mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, BGBl. II Nr. 383/2009, für Oberösterreich festgelegte Landeshöchstzahl von 28.500 sei überschritten, auf diese Zahl zählten nach der mit Stichtag Ende Mai veröffentlichten Statistik des Arbeitsmarktservice zuletzt 37.500 Ausländer. Der Ausländer TI gehöre keiner der in § 4 Abs. 6 AuslBG angeführten Personengruppen an.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, BGBl. Nr. 218/1975 idF BGBl. I Nr. 120/2009, lauten:

"Beschäftigungsbewilligung

Voraussetzungen

§ 4. …

...

(3) Die Beschäftigungsbewilligung darf weiters nur erteilt werden, wenn

1. …

...

7. der Ausländer über ein Aufenthaltsrecht nach dem

NAG oder dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, verfügt, das die Ausübung einer Beschäftigung nicht ausschließt, oder seit drei Monaten zum Asylverfahren zugelassen ist und über einen faktischen Abschiebeschutz oder ein Aufenthaltsrecht nach §§ 12 oder 13 AsylG 2005 verfügt oder gemäß § 46a FPG geduldet ist und zuletzt gemäß § 1 Abs. 2 lit. a vom Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes ausgenommen war oder auf Grund einer Verordnung gemäß § 76 NAG zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist oder Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genießt;

(6) Nach Überschreitung festgelegter Landeshöchstzahlen gemäß

§ 13 dürfen weitere Beschäftigungsbewilligungen nur dann erteilt

werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 bis 3 vorliegen und

1. der Regionalbeirat die Erteilung der

Beschäftigungsbewilligung einhellig befürwortet oder

2. die Beschäftigung des Ausländers im Hinblick auf

seine fortgeschrittene Integration geboten erscheint oder

3. die Beschäftigung im Rahmen eines Kontingents gemäß

§ 5 ausgeübt werden soll oder

4. der Ausländer die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5

erfüllt oder

4a. der Ausländer Ehegatte oder unverheiratetes

minderjähriges Kind (einschließlich Stief- und Adoptivkind) eines

auf Dauer rechtmäßig niedergelassenen und beschäftigten Ausländers

ist oder

5. die Beschäftigung auf Grund einer

zwischenstaatlichen Vereinbarung ausgeübt werden soll oder

6. der Ausländer einer Personengruppe angehört, die

auch nach Überziehung der Bundeshöchstzahl zu einer Beschäftigung zugelassen werden darf (§ 12a Abs. 2).

…"

Die Ausschöpfung der vom Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz festgesetzten Landeshöchstzahl wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.

Die beschwerdeführende GmbH hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil der türkische Staatsangehörige TI bereits seit dem durchgehend in ihrem Unternehmen gearbeitet habe, und hier langjährig aufhältig sei. Er falle daher "vollinhaltlich in den Anwendungsbereich des Art. 8 ARB Nr. 1/80" und habe freien Zugang zum Arbeitsmarkt, seine Beschäftigung sei unabhängig davon, ob sein Aufenthalt derzeit geregelt sei oder nicht, als "ordnungsgemäß iSd Art. 6 ARB Nr. 1/80 anzusehen". Es bestehe auch eine fortgeschrittene Integration des TI.

Mit ihrem auf § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG zu beziehenden Beschwerdegrund zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil sie nicht dargelegt hat, auf Grund welcher konkreter Umstände eine fortgeschrittene Integration des TI, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet auf einem asylrechtlichen vorläufigem Aufenthaltsrecht beruhte, anzunehmen gewesen wäre.

In seinem Erkenntnis vom , Zl. 2006/09/0176, hat der Verwaltungsgerichtshof zu § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG nämlich dargelegt:

"Zu dem Begriff der 'fortgeschrittenen Integration' hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt Stellung genommen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2003/09/0127, vom , Zl. 2004/09/0117, vom , Zl. 2005/09/0100, vom , Zl. 2005/09/0136, sowie zuletzt vom , Zl. 2006/09/0129) und in allen diesen Fällen das Vorliegen einer 'fortgeschrittenen Integration' im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG verneint. Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof in diesen Fällen zusammengefasst ausgeführt, dass die betroffenen Ausländer noch nicht ausreichend lange und dauerhaft in Österreich niedergelassen gewesen und dass auch keine konkreten privaten oder familiären Beziehungen von ausreichender Intensität vorgelegen seien, um eine 'fortgeschrittene Integration' im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG annehmen zu können.

Für die Ermittlung jenes Ausmaßes an Integration und jener Intensität privater und familiärer Beziehungen, bei welchen ein Ausländer als 'fortgeschritten integriert' anzusehen ist, nennen die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum 'Fremdenrechtspaket 2005' 1172 BlgNr 21. GP, S. 45 als Beispiel (Arg.: 'insbesondere') Ausländer, die 'schon längere Zeit im Bundesgebiet niedergelassen, aber noch nicht aufenthaltsverfestigt sind oder deren Zulassung zu einer Beschäftigung im Hinblick auf ihre besondere Eingliederung in die österreichische Gesellschaft und ihre familiären Sorgepflichten geboten erscheint'.

Damit knüpfen die Erläuterungen an zwei im Einzelfall zu prüfende alternative (Arg.: 'oder') Komponenten an:

1. das Vorliegen einer Niederlassungsbewilligung, wie sie sich aus der Integrationsvereinbarung im Sinne des § 14 Abs. 1 NAG ergibt, wobei es in diesem Fall nicht auf eine bestimmte Dauer des Aufenthaltes in Österreich und schon gar nicht auf eine bereits eingetretene Aufenthaltsverfestigung ankommt oder

2. wenn die Zulassung des Ausländers/der Ausländerin zu einer Beschäftigung im Hinblick auf seine/ihre besondere Eingliederung in die österreichische Gesellschaft, wie sie etwa in § 54 Abs. 3 FPG ('zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich befähigt') definiert wird, und seine/ihre familiären Sorgepflichten im Sinne des Schutzes des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten erscheint."

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Auf § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG kann sich die Beschwerdeführerin mit Erfolg zur Erweisung einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht berufen.

Im vorliegenden Fall wurde auch kein Vorbringen erstattet und besteht auch kein Hinweis darauf, dass der Tatbestand einer anderen Zahl des § 4 Abs. 6 AuslBG erfüllt wäre. Die belangte Behörde durfte daher - ohne die beschwerdeführende GmbH in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten zu verletzen - zur rechtlichen Schlussfolgerung gelangen, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 AuslBG, welche Bestimmung auch im Fall der Verlängerung einer Beschäftigungsbewilligung anzuwenden ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/09/0158), im vorliegenden Fall nicht erfüllt waren.

Soweit die beschwerdeführende GmbH vorbringt, dass die beantragte Arbeitskraft Beschäftigungszeiten und daher auch Anwartschaftsrechte nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom über die Entwicklung der Assoziation (ARB Nr. 1/80) erworben habe, ist sie gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 97/09/0202, vom , Zl. 2006/18/0402, und vom , Zl. 2008/09/0346, zu verweisen, in welchen dargelegt wurde, dass ein asylrechtliches vorläufiges Aufenthaltsrecht eine nach dem ARB erforderliche "gesicherte Position auf dem Arbeitsmarkt" nicht zu verschaffen vermag.

Wenn die Beschwerde dahin zu verstehen wäre, dass sich die Beschwerdeführerin auf Art. 8 ARB Nr. 1/80 beriefe, wonach sich die Mitgliedstaaten "bemühen", den türkischen Arbeitnehmern Vorrang vor Arbeitnehmern einzuräumen, die nicht Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Gemeinschaft sind, wenn die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Rechts- und Verwaltungsvorschriften gestatten, das zur Besetzung einer Arbeitnehmerstelle Arbeitnehmer eingestellt werden, die nicht Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Gemeinschaft sind, ist nicht zu ersehen, weshalb die beschwerdeführende GmbH durch den angefochtenen Bescheid insoferne in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt wäre.

Bei diesem Ergebnis kann dahin gestellt bleiben, ob die belangte Behörde ihre Antragsabweisung zutreffend auch auf § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG stützen durfte.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am