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VwGH 25.05.2011, 2008/08/0197

VwGH 25.05.2011, 2008/08/0197

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der Wiener Gebietskrankenkasse in Wien, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30/3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 40 - SR 4590/08, betreffend Feststellung der Angehörigeneigenschaft nach § 123 Abs. 4 Z. 2 ASVG (mitbeteiligte Partei: M K in Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aufgrund eines Antrags des Mitbeteiligten sprach die beschwerdeführende Partei mit Bescheid vom aus, dass für den im Jahr 1979 geborenen B.K. (den Sohn des Mitbeteiligten) über den hinaus aus der Krankenversicherung seines Vaters keine Anspruchsberechtigung gemäß § 123 ASVG bestehe, da B.K. die Angehörigeneigenschaft gemäß dieser Bestimmung fehle. Im Rahmen einer psychiatrischneurologischen Begutachtung sei festgestellt worden, dass bei B.K. keine dauernde Erwerbsunfähigkeit bestehe, sondern von einer jeweils zeitweilig andauernden Arbeitsunfähigkeit ausgegangen werden könne. Im Zeitraum vom 12. September bis sei er auch bereits einer Beschäftigung als Arbeiter bei der S.K. GmbH nachgegangen. Die derzeitige Erkrankung sei auch erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres aufgetreten. Eine die Erwerbsunfähigkeit begründende Erkrankung vor diesem Zeitpunkt sei nicht ersichtlich, erste höhergradige psychische Störungen seien erst im 21. Lebensjahr während des Militärdienstes aufgetreten. Die Voraussetzungen für eine Anspruchsberechtigung als Angehöriger gemäß § 123 ASVG wären jedoch nur bei einer seit dem 18. Lebensjahr durchgehenden Erwerbsunfähigkeit anzunehmen.

Dagegen erhob der Mitbeteiligte am Einspruch an die belangte Behörde und brachte unter Vorlage verschiedener fachärztlicher Befundberichte vor, dass bei seinem Sohn eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliege. Selbst wenn er einer Beschäftigung als Arbeiter nachgegangen sei, sei im Hinblick auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses nicht auf eine gegebene Arbeitsfähigkeit zu schließen. Vielmehr sei selbst dieses Arbeitsverhältnis nichtig und ohne Belang für die gegenständliche Versicherungsangelegenheit, da B.K. geschäftsunfähig und durch einen Sachwalter vertreten sei. Er sei daher gar nicht in der Lage, Dienstverträge zu unterfertigen und einer entsprechenden Tätigkeit nachzugehen.

Im Übrigen sei es nicht möglich festzustellen, dass die Erkrankung erst nach dem 18. Lebensjahr aufgetreten sei bzw. wann es tatsächlich zum Ausbruch der psychischen Erkrankung gekommen sei, da für B.K. für die Zeit vor der Einreise nach Österreich in keine Krankengeschichte Einsicht genommen werden könne. Es liege daher eine bloße Vermutung der Behörde vor. Aufgrund des Sachverständigengutachtens im Pflegschaftsakt sowie aufgrund der vorgelegten Befundberichte sei vielmehr davon auszugehen, dass bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres ein dahingehendes Krankheitsbild gegeben gewesen sei, welches sich erst verstärkt durch eine Verschlimmerung der psychischen Erkrankung bemerkbar gemacht habe. Bereits in der Türkei sei der Sohn des Mitbeteiligten in psychiatrischer Behandlung gewesen, habe dort psychische Probleme beim Militär gehabt und habe mit seiner ebenfalls psychisch kranken Schwester ganze Tage im Wald verbracht.

Im Verfahren vor der belangten Behörde wurde ein psychiatrisches Gutachten des Amtssachverständigen eingeholt. Die beschwerdeführende Partei wie auch der Mitbeteiligte erstatteten weitere Stellungnahmen. Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde der Berufung des Mitbeteiligten stattgegeben und festgestellt, dass für seinen Sohn B.K. auch über den hinaus eine Anspruchsberechtigung aus der Versicherung des Mitbeteiligten gemäß § 123 Abs. 4 Z 2 lit. a ASVG bestehe. Begründend führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verwaltungsgeschehens aus, dass im eingeholten fachärztlichen Gutachten vom festgestellt worden sei, dass bei B.K. eine chronifizierte schizophrene Erkrankung erheblichen Ausmaßes vorliege. Soweit retrospektiv nachvollziehbar, könne eine Arbeitsfähigkeit seit Ausbruch des Krankheitsbildes trotz stationärer und ambulanter fachärztlicher Betreuung zu keinem Zeitpunkt angenommen werden. Aufgrund der ungenügenden Explorierbarkeit bei dem Betroffenen und uneinheitlicher Befundlage sei die Variante, dass die psychotische Erkrankung und die seither anhaltende Arbeitsunfähigkeit kurz nach dem Antritt des Militärdienstes und damit erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres eingetreten sei, wahrscheinlicher.

In einer Stellungnahme des Mitbeteiligten vom habe dieser ausgeführt, dass es sich bei der Beurteilung des Amtsarztes, die psychische Erkrankung und die damit verbundene Arbeitsunfähigkeit seien erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres aufgetreten, um eine bloße Vermutung und keine faktische Feststellung handle.

Der Mitbeteiligte habe eine beglaubigte Übersetzung eines Informationsblatts der Militärischen Medizinischen Akademie vorgelegt. Nach diesem Informationsblatt werde dem Sohn des Mitbeteiligten eine psychiatrische Störung des paranoiden Typs bescheinigt. Für die belangte Behörde sei die Krankheit des Sohnes damit ab 1999 eindeutig dokumentiert. Laut eines Befundes des Sozialmedizinischen Zentrums vom hätten die Eltern damals von schweren Depressionen ihres Sohnes mit ca. 17 Jahren berichtet. Anlässlich der amtsärztlichen Begutachtung am habe der Sohn des Mitbeteiligten selbst keine Auskunft über das erstmalige Auftreten seiner Krankheit geben können. Der Mitbeteiligte habe hingegen angegeben, dass sein Sohn bei Antritt des Militärdienstes noch gesund gewesen sei. Kurz nach der Einberufung sei es aber zu Selbstverletzungen gekommen und sein Sohn habe vorzeitig aus dem Militärdienst entlassen werden müssen. Nach telefonischer Kontaktaufnahme mit seiner Frau habe der Mitbeteiligte das erstmalige Auftreten von Krankheitssymptomen drei Monate vor Antritt des Militärdienstes datiert. In der Türkei beginne der Militärdienst mit 20 Jahren.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, da in zeitlich geringerem Abstand gemachte Sachverhaltsangaben eine höhere Glaubwürdigkeit aufweisen würden als spätere, könne im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass der Mietbeteiligte und seine Frau zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme ihres Sohnes im Jahr 2001 noch eine genauere Erinnerung an das erstmalige Auftreten der Krankheitssymptome ihres Sohnes gehabt hätten als bei ihrer Befragung durch den Amtsarzt sieben Jahre später. Nach dem amtsärztlichen Gutachten könne seit Ausbruch des Krankheitsbildes eine Erwerbsfähigkeit zu keinem Zeitpunkt angenommen werden. Wenn der Ausbruch der Krankheit aber auf Grund der glaubwürdigeren Angaben aus dem Jahr 2001 bereits im

18. Lebensjahr erfolgt sei, liege beim Sohn des Einspruchswerbers durchgehend seit der Vollendung des 18. Lebensjahres Erwerbsunfähigkeit vor. Aus dem amtsärztlichen Gutachten sei weiters erkennbar, dass die kurzfristige und ohne Zustimmung der Sachwalterin eingegangene Beschäftigung bei einer Reinigungsfirma bloß als gescheiterter Arbeitsversuch und nicht als vorübergehende Erwerbsfähigkeit zwischen Krankheitsschüben zu werten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Der Mitbeteiligte legte eine fachärztliche Stellungnahme vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Gemäß § 123 Abs. 1 ASVG besteht Anspruch auf die Leistungen der Krankenversicherung für Angehörige, wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und wenn sie weder nach der Vorschrift dieses Bundesgesetzes noch nach anderer gesetzlicher Vorschrift krankenversichert sind und auch für sie seitens einer Krankenfürsorgeeinrichtung eines öffentlichrechtlichen Dienstgebers Krankenfürsorge nicht vorgesehen ist.

§ 123 Abs. 4 ASVG lautet:

"Kinder und Enkel (Abs. 2 Z 2 bis 6) gelten als Angehörige bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Nach diesem Zeitpunkt gelten sie als Angehörige, wenn und solange sie

1. sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befinden, die ihre Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres; die Angehörigeneigenschaft von Kindern, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, verlängert sich nur dann, wenn für sie

a) entweder Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967 bezogen wird oder

b) zwar keine Familienbeihilfe bezogen wird, sie jedoch ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 311/1992 betreiben;

2. seit der Vollendung des 18. Lebensjahres oder seit dem Ablauf des in Z 1 genannten Zeitraumes

a)

infolge Krankheit oder Gebrechen erwerbsunfähig sind oder

b)

erwerbslos sind;

3. an einem Programm der Europäischen Gemeinschaften zur Förderung der Mobilität junger Menschen teilnehmen, längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres.

Die Angehörigeneigenschaft bleibt in den Fällen der Z 2 lit. b längstens für die Dauer von 24 Monaten ab den in Z 2 genannten Zeitpunkten gewahrt."

2. Ungeachtet der fehlerhaften Formulierung im erstinstanzlichen Bescheid, dass die "Anspruchsberechtigung" für den Sohn des Mitbeteiligten verneint werde, ist allein zulässiger Gegenstand dieses Verfahrens die Fragestellung der Angehörigeneigenschaft (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/08/0091, Slg.Nr. 13739A/1992). Es ist strittig, ob der am geborene Sohn des Mitbeteiligten als Angehöriger im Sinne des § 123 Abs. 4 Z 2 lit. a ASVG zu beurteilen ist, was voraussetzt, dass er seit Vollendung des 18. Lebensjahres (ein späterer Zeitpunkt im Sinne des § 123 Abs. 4 Z1 ASVG kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht) infolge Krankheit oder Gebrechen erwerbsunfähig war.

Die beschwerdeführende Partei wendet sich in ihrer Beschwerde gegen die Feststellung der belangten Behörde, dass beim Sohn des Mitbeteiligten bereits vor der Erreichung des 18. Lebensjahres eine Erwerbsunfähigkeit anzunehmen sei. Diese Feststellung gründe sich einzig auf die (zu später getätigten Aussagen überdies im Widerspruch stehenden) Angaben der Eltern, welche offensichtlich anlässlich der Befundung im Sozialmedizinischen Zentrum am gemacht worden seien. Danach sei es beim Sohn des Mitbeteiligten bereits mit ca. 17 Jahren erstmals zu schweren Depressionen gekommen. Es würden aber Feststellungen fehlen, welcher Behandler diese Erkrankung diagnostiziert habe bzw. ob oder in welcher Form eine ärztliche Konsultation stattgefunden und inwiefern eine Behandlung durchgeführt worden sei. Es könne jedenfalls nicht den Eltern obliegen, sowohl den Krankheitswert als auch den Zeitpunkt des Beginns und die Dauer einer depressiven Erkrankung zu bestimmen, zumal sich der Sohn zum beurteilungsrelevanten Zeitraum offenbar in der Türkei aufgehalten habe, während seine Eltern in Österreich gelebt hätten. Die Ausführungen des von der belangten Behörde hinzugezogenen Amtssachverständigen seien demgegenüber im Wesentlichen unberücksichtigt geblieben. Es werde daher allein aus den von Angehörigen gemachten Angaben, die im Rahmen einer medizinischen Befunderhebung getätigt worden seien, auf das Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 123 ASVG geschlossen. Ein derartiges Vorgehen im Rahmen der Beweisaufnahme sei zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts nicht geeignet und erscheine willkürlich und im Ergebnis überdies überraschend. Auskünfte, die von Angehörigen gemacht würden, könnten im Rahmen der Anamneseerhebung möglicherweise hilfreich sein, um eine allenfalls bestehende Erkrankung zu diagnostizieren bzw. dem Behandler ein klares Bild über das Erkrankungsgeschehen zu verschaffen; als alleinige Grundlage für die Feststellung des Vorliegens einer Erwerbsunfähigkeit seien solche Angaben jedoch jedenfalls unzureichend.

Die beschwerdeführende Partei verweist darauf, dass nach den im Jahr 2001 getätigten Angaben der Eltern beim Sohn als Erkrankung "schwere Depression" vorgelegen sei. Auch wenn es sich dabei möglicherweise um eine behandlungsbedürftige Erkrankung gehandelt habe, könne daraus nicht jedenfalls auf das Vorliegen einer Erwerbsunfähigkeit geschlossen werden, da sich der Krankheitsbegriff im Sinne des zweiten Teils des ASVG nicht mit jenem der Erwerbsunfähigkeit gemäß § 123 ASVG decke. Es könnten zudem auch die von den Angehörigen angegebenen Depressionen mit der im Rahmen der einzelnen ärztlichen Untersuchungen festgestellten Erkrankungen aus dem paranoid-schizophrenen Formenkreis nicht schlichtweg gleichgesetzt werden, handle es sich doch dabei um zwei voneinander zu unterscheidende Krankheitsgeschehen. In keinem von fachärztlicher Seite erhobenen Befund sei davon die Rede, dass die beim Sohn vorliegende Schizophrenie bereits vor dem Eintritt des 18. Lebensjahres eingetreten sei. Vom Amtssachverständigen werde dieser Umstand eher verneint.

Die Feststellung der belangten Behörde, wonach Erwerbsunfähigkeit bereits vor Erreichung des 18. Lebensjahres eingetreten sei, stütze sich daher jedenfalls auf eine unrichtige Beweiswürdigung bzw. sei im Sinne einer unvollständigen Beweiserhebung ergänzungsbedürftig.

3. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht, dass der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat. Hingegen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, d. h. sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0070, mwN).

Die belangte Behörde stützte ihre Beweiswürdigung maßgeblich auf eine Aussage des Mitbeteiligten und seiner Ehefrau, wonach es bei ihrem Sohn bereits "mit cirka 17 Jahren" erstmals zu schweren Depressionen gekommen sei. Diese Aussage wird in einem Bericht des Sozialmedizinischen Zentrums vom über einen stationären Aufenthalt des B.K vom 31. Juli bis wiedergegeben. Diese Angaben der Eltern bezüglich der Depressionen stehen im Widerspruch zu den von der belangte Behörde ebenfalls festgestellten Angaben des Mitbeteiligten bei der amtsärztlichen Begutachtung am , wonach sein Sohn bei Antritt des Militärdienstes (der in der Türkei "mit 20 Jahren" beginne) noch gesund gewesen sei. Nach den Feststellungen der belangten Behörde hat die Mutter des B.K. zudem angegeben, die ersten Symptome seien drei Monate vor Beginn des Militärdienstes aufgetreten. Das von der belangten Behörde eingeholte psychiatrische Gutachten des Amtssachverständigen kommt zum Ergebnis, dass zwar eine Arbeitsunfähigkeit seit Ausbruch des Krankheitsbildes nicht angenommen werden kann, dass jedoch hinsichtlich des erstmaligen Auftretens der psychotischen Krankheit" keine eindeutige Befundlage" bestehe und dass es - auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Eltern zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung das Vorliegen schwerer Depressionen bereits im Alter von 17 Jahren nicht bestätigten - wahrscheinlicher sei, dass die psychotische Erkrankung und die seither anhaltende Arbeitsunfähigkeit kurz nach Antritt des Militärdienstes und damit erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres eingetreten seien.

Vor diesem Hintergrund kann die Beweiswürdigung der belangten Behörde der vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmenden Schlüssigkeitsprüfung nicht standhalten:

Zutreffend zeigt die beschwerdeführende Partei auf, dass aus der - im Bericht des Sozialmedizinischen Zentrums bloß wiedergegebenen - Angabe der Eltern, bei ihrem Sohn seien im Alter von 17 Jahren erste schwere Depressionen aufgetreten, nicht ohne Weiteres schon darauf geschlossen werden, dass zu diesem Zeitpunkt bereits Erwerbsunfähigkeit vorgelegen wäre, zumal sich die aktuelle - vom Amtssachverständigen festgestellte - Erwerbsunfähigkeit nicht auf Depressionen, sondern auf eine chronifizierte paranoid-halluzinatorische Schizophrenie stützt. Zudem stehen die im Bericht vom wiedergegebenen Angaben der Eltern über erste schwere Depressionen ihres Sohnes im Alter von 17 Jahren in Widerspruch zu ihren späteren Angaben anlässlich der amtsärztlichen Begutachtung vom , wonach erste Krankheitssymptome bei ihrem Sohn erst während des Militärdienstes bzw. kurz zuvor aufgetreten seien; ausdrücklich wurde im Gutachten des Amtssachverständigen auch festgehalten, dass die früheren Angaben der Eltern "aktuell von der Familie allerdings nicht bestätigt" würden; auf Grund des Gutachtens des Amtssachverständigen lässt sich eine Erwerbsunfähigkeit des B.K. vor Vollendung des 18. Lebensjahres jedenfalls nicht feststellen. Selbst wenn die belangte Behörde ihrer Beweiswürdigung die Überlegung zugrunde legt, dass das in zeitlich geringerem Abstand von einem Ereignis gemachten Angaben eine höhere Glaubwürdigkeit zukomme als späteren Aussagen, so vermag dies nicht zu begründen, weshalb bereits aus dem - vor dem Amtssachverständigen nicht bestätigten - nicht näher konkretisierten Hinweis auf "erste schwere Depressionen", wie er in einem älteren ärztlichen Bericht wiedergegeben wird, entgegen den anderen vorliegenden Beweismitteln auf das Bestehen einer Erwerbsunfähigkeit bereits zu diesem Zeitpunkt geschlossen werden kann.

4. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ASVG §123 Abs4 Z1;
ASVG §123 Abs4 Z2 lita;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2011:2008080197.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
MAAAE-76038