VwGH vom 24.02.2014, 2012/17/0462

VwGH vom 24.02.2014, 2012/17/0462

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky sowie die Hofrätinnen Mag. Nussbaumer-Hinterauer und Mag. Hainz-Sator als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der Bundesministerin für Finanzen gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. uvs-2012/K3/0273-1, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (mitbeteiligte Partei: PN in B, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1.1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom wurde die mitbeteiligte Partei als gemäß § 9 Abs. 1 VStG verantwortliches, zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer näher bezeichneten Kapitalgesellschaft wegen der Bereitstellung zur Teilnahme an Glücksspielen von zwei bestimmt bezeichneten Glücksspielgeräten in einem Gastgewerbebetrieb im Zeitraum von bis der Übertretung der §§ 2 Abs. 2 iVm. 52 Abs. 1 Z 1 Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt und über sie eine Geldstrafe von insgesamt EUR 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt.

1.2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung der mitbeteiligten Partei Folge, hob das angefochtene Straferkenntnis auf und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 und 3 VStG (in Bezug auf das Veranstalten einer verbotenen Ausspielung) ein. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des erstinstanzlichen Straferkenntnisses aus, die dortige Tatanlastung entspreche nicht dem Gebot des § 44a VStG, weil der Vorwurf, die von der der mitbeteiligten Partei vertretene Gesellschaft habe "... vom Inland aus verbotene Ausspielungen veranstaltet ..." nicht gleichzusetzen sei mit der Bereitstellung von Glücksspielgeräten. Die Bereitstellung von Glücksspielgeräten sei vielmehr allenfalls als Beteiligung zu qualifizieren. Hinsichtlich des Veranstaltens von verbotenen Ausspielungen sei sohin innerhalb der Verfolgungsverjährungfrist kein tauglicher Schuldvorwurf erhoben worden, weshalb die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der Bundesministerin für Finanzen mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes in eventu wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte ebenso wie die mitbeteiligte Partei, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

3.1. Gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim

Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.

3.2. Die Beschwerde wendet sich gegen die Schlussfolgerung der belangten Behörde, es sei innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist keine den Anforderungen des § 44a VStG entsprechende Verfolgungshandlung vorgelegen.

3.2.1 . Beim Erfordernis einer genauen Tatumschreibung im Sinne des § 44a Z. 1 VStG kommt es darauf an, den Beschuldigten in die Lage zu versetzen, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und ihn rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den erwähnten Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 11.894/A). Diese Rechtsschutzüberlegungen sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob innerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 1 VStG eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG vorliegt oder nicht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2004/15/0030). Das bedeutet, dass die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat (lediglich) unverwechselbar konkretisiert sein muss, damit dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2002/09/0005).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt auch das Zurkenntnisbringen des Anzeigeninhaltes mit der Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme zur Rechtfertigung eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 VStG dar, wenn die Anzeige alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale enthält (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/02/0281 mit Verweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 11.525/A, und das Erkenntnis vom , Zl. 2001/03/0162).

"Sache" des Verwaltungsstrafverfahrens ist dabei die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/04/0115).

Daraus folgt, dass die Tat letztlich nach einer anderen als der ursprünglich ins Auge gefassten Bestimmung bestraft werden kann, sofern alle erforderlichen Sachverhaltselemente von der Verfolgungshandlung erfasst waren ( Pürgy in Raschauer/Wessely , VStG (2010), § 32 Rz 4).

3.2.2. Die "Aufforderung zur Rechtfertigung" vom konkretisierte den der mitbeteiligten Partei angelasteten Sachverhalt durch die Sachverhaltsumschreibung einer Bereitstellung von zwei unmissverständlich bezeichneten Glücksspielgeräten zum Zweck der Ermöglichung der Teilnahme an verbotenen Ausspielungen im Zusammenhang mit einer Konkretisierung sowohl in örtlicher und zeitlicher Hinsicht. Mit dieser Aufforderung wurde den Anforderungen des § 44a VStG im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsgrundsätze ohne Zweifel entsprochen. Eine allenfalls unrichtige rechtliche Subsumtion des angelasteten Sachverhalts durch die erstinstanzliche Behörde ändert daran nichts.

3.2.3 . Die gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG verpflichtet die belangte Behörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden, wobei sie berechtigt ist, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid - im Verwaltungsstrafverfahren allerdings unter Beachtung des geltenden Verschlimmerungsverbotes - nach jeder Richtung abzuändern (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/07/0139, mwN). Die belangte Behörde wäre daher angesichts der tauglichen Verfolgungshandlung verpflichtet gewesen, den Spruch sowie die Begründung des bekämpften Straferkenntnisses in der von ihr für erforderlich erachteten Weise richtig zu stellen. Die von der belangten Behörde herangezogenen Einstellungsgründe wurden daher zu Unrecht angenommen.

3.4. Die belangte Behörde konnte somit die Aufhebung des Strafbescheids und Einstellung des Verfahrens nicht auf die von ihr angegebenen Gründe stützen. Im Beschwerdefall kann aber der angefochtene Bescheid auch nicht etwa im Hinblick auf eine wegen der Subsidiarität des Straftatbestandes nach § 52 Abs. 1 Z 1 GSpG gegenüber jenem nach § 168 Abs. 1 StGB gegebene Unzuständigkeit der Verwaltungsbehörden als rechtmäßig erkannt werden. In dieser Hinsicht gleicht der Beschwerdefall in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 2012/17/0249, entschieden wurde. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe des genannten Erkenntnisses verwiesen. Wie sich aus diesem ergibt, hätte die belangte Behörde nur dann von ihrer Unzuständigkeit ausgehen können, wenn aufgrund von Feststellungen in Bezug auf die möglichen Höchsteinsätze an den einzelnen Glücksspielgeräten die Möglichkeit zur Überschreitung der Einsatzhöhe von EUR 10,-- erwiesen gewesen wäre. Solche Feststellungen hat die belangte Behörde ausgehend von ihrer oben dargelegten Rechtsansicht, auf die sie den angefochtenen Bescheid gestützt hat, nicht getroffen.

3.5. Der angefochtene Bescheid war daher aus den dargelegten Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am