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VwGH vom 29.05.2015, 2012/17/0458

VwGH vom 29.05.2015, 2012/17/0458

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag.a Nussbaumer-Hinterauer, Hofrat Mag. Straßegger und Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Fries, über die Beschwerde des M B in S, vertreten durch Dr. Paul Sutterlüty, Dr. Wilhelm Klagian, Dr. Claus Brändle und MMag. Josef Reinhard Lercher, Rechtsanwälte in 6850 Dornbirn, Marktstraße 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom , BMLFUW-LE./0864- I/7/2012, betreffend einheitliche Betriebsprämie für die Jahre 2009 und 2010, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Antrag vom begehrte der Beschwerdeführer die Anerkennung als Sonderfall Neubeginner 2009. Der ihm dafür zunächst als einheitliche Betriebsprämie gewährte Betrag wurde mit Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria (AMA) vom wieder zurückgefordert. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nunmehr wegen eines fehlerhaften Nachweises nicht als Sonderfall Neubeginner anerkannt werden könne. Die Rückforderung der für das Antragsjahr 2010 gewährten einheitlichen Betriebsprämie erfolgte mit Bescheid des Vorstandes für den Geschäftsbereich II der AMA vom mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer in diesem Jahr über keinerlei Zahlungsansprüche verfügt habe.

In den dagegen erhobenen Berufungen machte der Beschwerdeführer geltend, dass er seine zweijährige Facharbeiterausbildung für Landwirtschaft auf Grund der durch seinen Stallneubau im Jahr 2009 bedingten mangelnden Leistung im Prüfungsjahr 2010 noch nicht habe abschließen können und die Prüfungen für den ersten Teil im Jahr 2011 mit gutem Erfolg nachgeholt habe. Den zweiten und letzten Teil der Facharbeiterprüfung werde er im Jahr 2011/12 abschließen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die Berufungen des Beschwerdeführers abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der nach Ansicht der belangten Behörde maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen aus, der Beschwerdeführer habe den Nachweis über die für die Anerkennung als Sonderfall Neubeginner erforderliche Mindestqualifikation erst sechs Jahre nach der am erfolgten ersten Niederlassung erbracht. Angesichts dieses Zeithorizonts rechtfertige der Stallneubau im Jahr 2009 nicht die Annahme eines begründeten Ausnahmefalls für ein Absehen vom Nachweis der beruflichen Qualifikation im Sinn des Punktes 3.4.3 der Sonderrichtlinie des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft zur Umsetzung von Maßnahmen im Rahmen des Österreichischen Programms für die Entwicklung des ländlichen Raums 2007 - 2013 "Sonstige Maßnahmen" (in der Folge kurz: SRL). Aus diesem Grund sei die Abweisung des Antrages auf Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie 2009 und für das Antragsjahr 2010 wegen fehlender Zahlungsansprüche zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs 11 VwGG idF des Bundesgesetzes, BGBl I Nr 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Nach Art 41 Abs 2 der Verordnung (EG) Nr 73/2009 des Rates vom mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr 1290/2005, (EG) Nr 247/2006, (EG) Nr 378/2007 sowie zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1782/2003, ABl Nr L 30/16 vom (der Nachfolgeregelung zu Art 42 Abs 3 der Verordnung (EG) Nr 1782/2003 des Rates vom mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr 2019/93, (EG) Nr 1452/2001, (EG) Nr 1453/2001, (EG) Nr 1454/2001, (EG) Nr 1868/94, (EG) Nr 1251/1999, (EG) Nr 1254/1999, (EG) Nr 1673/2000, (EWG) Nr 2358/71 und (EG) Nr 2529/2001, ABl Nr L 270/1 vom ) können die Mitgliedstaaten die nationale Reserve verwenden, um nach objektiven Kriterien unter Gewährleistung der Gleichbehandlung der Betriebsinhaber und unter Vermeidung von Markt- und Wettbewerbsverzerrungen vorrangig Zahlungsansprüche an Betriebsinhaber zuzuteilen, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufnehmen.

Gemäß Art 2 lit l der Verordnung (EG) Nr 1120/2009 der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zur Betriebsprämienregelung gemäß Titel III der Verordnung (EG) Nr 73/2009 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe, ABl Nr L 316/1 vom (der seit geltenden Nachfolgeregelung zu Art 2 lit k der Verordnung (EG) Nr 795/2004 der Kommission vom mit Durchführungsbestimmungen zur Betriebsprämienregelung gemäß der Verordnung (EG) Nr 1782/2003 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe, ABl Nr L 141/1 vom ) gelten für die Anwendung von Artikel 41 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr 73/2009 als "Betriebsinhaber, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen haben" natürliche oder juristische Personen, die in den fünf Jahren vor Aufnahme der neuen landwirtschaftlichen Tätigkeit in eigenem Namen und auf eigene Rechnung weder eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt haben noch die Kontrolle einer juristischen Person innehatten, die eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübte.

§ 8 Abs 2 Z 10 des Marktordnungsgesetzes 2007 - MOG 2007, BGBl I Nr 55, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl I Nr 72/2008 lautet:

" Direktzahlungen

§ 8. (1) (...)

(2) Bei der Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie gemäß Titel III der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 ist nach folgender Maßgabe vorzugehen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
1.
(...)
10.
In Anwendung des Art. 42 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 werden in den Antragsjahren 2008 und 2009 Betriebsinhabern, die
a)
seit begonnen haben, einen landwirtschaftlichen Betrieb im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu führen und keine Zahlungsansprüche für diesen Betrieb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übertragen erhalten haben und
b)
die Voraussetzungen für die Niederlassungsbeihilfe gemäß Art. 22 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums, ABl. Nr. L 277 vom , S. 1 erfüllen,
Zahlungsansprüche aus der nationalen Reserve zugewiesen. Die Anzahl der zuzuteilenden Zahlungsansprüche ergibt sich aus dem verfügbaren Ausmaß an beihilfefähigen Flächen, für die bislang keine Zahlungsansprüche zugeteilt wurden, wobei mindestens 4 ha beihilfefähige Flächen vorhanden sein müssen. Flächen, für die Zahlungsansprüche mitübertragen worden sind, sind nicht einzubeziehen.
(...)"
Art 20 und 22 der Verordnung (EG) Nr 1698/2005 des Rates vom über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER), ABl Nr L 277/1 vom , lauten (auszugsweise):
"
Artikel 20
Maßnahmen
Interventionen zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft betreffen
a)
Maßnahmen zur Förderung der Kenntnisse und zur Stärkung des Humanpotenzials:
i)
(...),
ii)
Niederlassung von Junglandwirten,
iii) (...)
Artikel 22
Niederlassung von Junglandwirten

(1) Die Beihilfe nach Artikel 20 Buchstabe a Ziffer ii wird Personen gewährt, die

a) weniger als 40 Jahre alt sind und sich erstmals in einem landwirtschaftlichen Betrieb als Betriebsinhaber niederlassen,


Tabelle in neuem Fenster öffnen
b)
über eine ausreichende berufliche Qualifikation verfügen,
c)
einen Betriebsverbesserungsplan für die Entwicklung ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit vorlegen.

(2) ..."

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe nicht auf die am erfolgte Betriebsneuanlage abstellen dürfen, weil das MOG 2007 erst danach, nämlich am vom Nationalrat beschlossen worden sei und es davor keine Neubeginnerregelung gegeben habe. Die belangte Behörde habe daher nicht davon ausgehen dürfen, dass der Beschwerdeführer bereits im Jahr 2006 mit der landwirtschaftlichen Ausbildung hätte beginnen müssen, vielmehr sei er dazu erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung verhalten gewesen. Vor der Bewilligung der Errichtung des Stallgebäudes im Jahr 2009 seien ihm die Kosten und Mühen der Ausbildung nicht zuzumuten gewesen. Nach den von der AMA aufgelegten Merkblättern könne die Ausbildung in zwei Jahren nach Antragstellung abgeschlossen werden. In begründeten Ausnahmefällen - wie seinem Stallneubau - sei davon gemäß Punkt 3.4.3 der SRL eine Ausnahme zu machen und seine lediglich drei Jahre später nachgewiesene berufliche Qualifikation als ausreichend zu qualifizieren gewesen, zumal das mit der SRL verfolgte Ziel die Erleichterung der ersten Niederlassung von jungen Landwirten sei.

Für die Gewährung der einheitlichen Betriebsprämie sieht § 8 Abs 2 Z 10 MOG 2007 in zeitlicher Hinsicht vor, dass auf Fälle Bedacht zu nehmen ist, in denen seit mit der Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes im eigenen Namen und auf eigene Rechnung begonnen wurde. Die Ansicht des Beschwerdeführers, diese Bestimmung sei nicht auf einen Betriebsbeginn, der vor dem Gesetzesbeschluss im Nationalrat stattfand, anzuwenden, wird schon durch die genannte Anordnung des MOG 2007 widerlegt.

Soweit die Beschwerde geltend macht, der Nachweis der beruflichen Qualifikation erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt sei ausreichend, steht dieser Auffassung der in § 8 Abs 2 Z 10 lit b MOG 2007 verwiesene Art 22 der Verordnung (EG) Nr 1698/2005 entgegen. Dieser verlangt uneingeschränkt über andere Kriterien des Betriebsinhabers hinausgehend auch dessen ausreichende berufliche Qualifikation und zählt diese Voraussetzung neben der erstmaligen Niederlassung in einem landwirtschaftlichen Betrieb auf. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie den vom Beschwerdeführer grundsätzlich mit Beginn der landwirtschaftlichen Tätigkeit erforderlichen, jedoch erst sechs Jahre nach Aufnahme seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit und drei Jahre nach Antragstellung (sowie selbst nach Ablauf der zweijährigen Nachfrist laut SRL, auf die sich der Beschwerdeführer beruft) erbrachten Ausbildungsnachweis als verspätet ansah.

Dem Argument des Beschwerdeführers, ihm sei es unzumutbar, mit den Schulungen und Kursen vor der Bewilligung des Stallneubaus zu beginnen, kann nicht gefolgt werden, weil die dargestellten gesetzlichen Bestimmungen auf die Zumutbarkeit der notwendigen Ausbildung nicht abstellen.

Schließlich können auch die Merkblätter der AMA und die SRL nicht über die unionsrechtlich erforderliche Qualifikation hinweghelfen, weil die vom Beschwerdeführer genannten Unterlagen nicht als maßgebliche Rechtsquellen zu qualifizieren sind (vgl zu ÖPUL , und vom , 2002/10/0074). Selbst wenn die SRL dem Antrag des Beschwerdeführers zu Grunde gelegt worden wäre, ergäbe sich daraus - ungeachtet der inhaltlichen Prüfung von deren Punkt 3.4.3 - noch keine gesetzliche Pflicht der Behörde (vgl das schon genannte Erkenntnis vom ).

Als Verfahrensmangel wird noch geltend gemacht, dass die belangte Behörde nicht ausreichend auf das mit dem Antrag für das Jahr 2009 vorgelegte Betriebskonzept Bedacht genommen habe, wo ein Eigengrund von lediglich 0,4 ha und der Rest als neu gepachtete Fläche ausgewiesen sei. Daraus ergebe sich, dass der Beschwerdeführer vor dem Jahr 2009 noch nicht über die für die Anerkennung als Sonderfall Neubeginner erforderliche beihilfefähige Fläche von 4 ha verfügt habe und ein diesbezüglicher Antrag wegen des zu geringen Flächenausmaßes abzulehnen gewesen wäre. Ein solches Vorbringen wurde vom Beschwerdeführer im Administrativverfahren allerdings nicht erstattet, sodass es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung handelt (§ 41 Abs 1 VwGG). Gegen die Rückforderung der einheitlichen Betriebsprämie für das Jahr 2010 brachte der Beschwerdeführer keine weiteren Argumente vor.

Da die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen vermochte, war diese gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013, in der Fassung BGBl II Nr 8/2014.

Wien, am