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VwGH vom 09.08.2018, Ra 2017/22/0043

VwGH vom 09.08.2018, Ra 2017/22/0043

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW-151/011/1921/2017-1, betreffend Aufenthaltsbewilligung (mitbeteiligte Partei: Y A in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte, eine türkische Staatsangehörige, verfügte zuletzt über eine Aufenthaltsbewilligung "Studierender" gemäß § 64 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) mit einer Gültigkeit bis zum .

2 Mit Bescheid vom wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde) den Verlängerungsantrag der Mitbeteiligten vom gemäß § 64 Abs. 3 NAG in Verbindung mit § 8 Z 7 lit. b Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung und § 75 Abs. 6 Universitätsgesetz 2002 (UG) ab, weil die Mitbeteilige, die seit dem im Vorstudienlehrgang und im mittlerweile fünften Semester inskribiert sei, keinen ausreichenden Studienerfolg gemäß § 64 Abs. 3 NAG nachweisen habe können. Zudem lägen auch keine Gründe im Sinn des § 64 Abs. 3 letzter Satz NAG vor.

3 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachte die Mitbeteiligte unter Vorlage entsprechender Urkunden vor, dass sie nunmehr die Ergänzungsprüfung aus Deutsch auf dem Niveau B2 am erfolgreich abgelegt habe und am als ordentliche Studierende zum Bachelorstudium "Technische Chemie" an der Technischen Universität Wien zugelassen worden sei. Sie müsse daher in Wien bleiben, um ihr Studium abschließen zu können.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien der Beschwerde der Mitbeteiligten statt, hob den Bescheid vom auf und erteilte ihr die beantragte Aufenthaltsbewilligung für die Dauer eines Jahres ab Rechtskraft der Entscheidung. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.

Das Verwaltungsgericht führte begründend aus, die Mitbeteiligte habe im Beschwerdeverfahren das im angefochtenen Bescheid als fehlend beurteilte Zeugnis über die Ergänzungsprüfung aus Deutsch mit positiver Beurteilung vom im Umfang von 195 Unterrichtseinheiten (12 ECTS-Punkten) vorgelegt. Ebenso liege das Studienblatt der Mitbeteiligten als ordentliche Hörerin der Technischen Universität Wien für das Sommersemester 2017, mit Beginn am , vor. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, dass er mit der Regelung des § 64 Abs. 3 NAG einem Studierenden, der innerhalb der zugestandenen fünf Semester die Ergänzungsprüfung aus Deutsch ablege und die Zulassung zu einem anspruchsvollen und umfangreichen Studium der Technischen Chemie erwirke, wegen geringfügiger Verzögerungen der Zeugnisvorlage unverzüglich den Aufenthaltstitel entziehen möchte. In dem dem Verlängerungsantrag unmittelbar vorangegangenen Studienjahr habe die Mitbeteiligte den Studienerfolgsnachweis in Form der Ergänzungsprüfung zwar nicht erbracht, jedoch könnten "aus dem laufenden Semester derivierende Nachweise auch im Rechtsmittelverfahren" berücksichtigt werden. Unbestritten seien die erforderlichen Nachweise nachgereicht worden, sodass die besonderen Voraussetzungen des § 64 Abs. 3 NAG erfüllt seien und der Beschwerde spruchgemäß Folge zu geben sei.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde.

6 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 In der Revision wird zur Zulässigkeit unter Verweis auf näher zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei in Verkennung der Rechtslage von der ständigen Rechtsprechung zum Thema Studienerfolg abgewichen. In dem für die Beurteilung des Studienerfolges maßgeblichen Studienjahr, das sich über den Zeitraum vom bis zum erstreckte, habe die Mitbeteiligte die positive Ablegung der Ergänzungsprüfung aus Deutsch nicht nachweisen können. Ein weiteres Studienjahr sei während des gegenständlichen Verfahrens nicht verstrichen. Die im aktuell laufenden Studienjahr erbrachten und vom Verwaltungsgericht für die Beurteilung des Studienerfolges herangezogenen Leistungen seien daher irrelevant, sodass die Mitbeteiligte keinen Studienerfolg nachweisen habe können und die besonderen Voraussetzungen für die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung "Studierender" nicht vorlägen.

Zudem wird geltend gemacht, dass die Aufenthaltsbewilligung "Studierender" mit dem gegenständlichen Erkenntnis befristet auf ein Jahr ab dessen Rechtskraft erteilt worden sei. Diese Vorgehensweise stehe in Widerspruch zu § 20 Abs. 2 NAG.

8 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

9 § 64 Abs. 1 und 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, lautet:

"Studierende

§ 64. (1) Drittstaatsangehörigen kann eine Aufenthaltsbewilligung für Studierende ausgestellt werden, wenn sie

  1. die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

  2. ein ordentliches oder außerordentliches Studium an einer

  3. Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, Pädagogischen Hochschule, anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule oder einen anerkannten privaten Studiengang oder anerkannten privaten Hochschullehrgang absolvieren und im Fall eines Universitätslehrganges dieser nicht ausschließlich der Vermittlung einer Sprache dient.

  4. Eine Haftungserklärung ist zulässig.

  5. ...

(3) Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn dieser nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis der Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität, Pädagogischen Hochschule oder anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule erbringt. Gleiches gilt beim Besuch eines anerkannten privaten Studienganges oder anerkannten privaten Hochschullehrganges. Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Studienerfolges eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden."

10 § 8 der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 451/2005 in der Fassung BGBl. II Nr. 481/2013, lautet auszugsweise:

"Weitere Urkunden und Nachweise für Aufenthaltsbewilligungen

§ 8. Zusätzlich zu den in § 7 genannten Urkunden und Nachweisen sind dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung weitere Urkunden und Nachweise anzuschließen:

...

7. für eine ,Aufenthaltsbewilligung - Studierender':

...

b) im Fall eines Verlängerungsantrages ein schriftlicher

Nachweis der Universität, der Fachhochschule, der akkreditierten Privatuniversität, der Pädagogischen Hochschule, der anerkannten privaten Pädagogischen Hochschule, des anerkannten privaten Studienganges oder des anerkannten privaten Hochschullehrganges über den Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr, insbesondere ein Studienerfolgsnachweis gemäß § 75 Abs. 6 des Universitätsgesetzes 2002 (UG), BGBl. I Nr. 120 idF BGBl. I Nr. 13/2011 sowie ein aktuelles Studienblatt und eine Studienbestätigung gemäß § 62 Abs. 4 UG;

..."

11 Nach den oben angeführten Bestimmungen ist der Studienerfolg eines ausländischen Studierenden für das vorangegangene Studienjahr zu prüfen, wobei dies grundsätzlich jenes Studienjahr ist, das vor dem Gültigkeitsende des bestehenden Aufenthaltstitels liegt (vgl. , mwN). Maßgeblich ist daher das abgeschlossene und nicht das aktuell laufende Studienjahr. Anders stellt sich die Sach- und Rechtslage dar, wenn - was hier jedoch im Hinblick auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes nicht der Fall ist - aufgrund der Dauer des Verlängerungsverfahrens bereits ein weiteres Studienjahr verstrichen ist (vgl. , mwN).

12 Im vorliegenden Fall ist für die Beurteilung des Studienerfolges - wie in der Revision zutreffend aufgezeigt wird - das vorangegangene Studienjahr 2015/2016, welches gemäß § 52 Abs. 1 UG am begann und am endete, maßgeblich. Ausgehend von den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes vermochte die Mitbeteiligte für dieses Studienjahr keinen Studienerfolg nachzuweisen. Die erst am und somit - zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses - im laufenden Studienjahr abgelegte Ergänzungsprüfung aus Deutsch liegt außerhalb des maßgeblichen Zeitraumes und kann deshalb keinen beachtlichen Studienerfolg im Sinn des § 64 Abs. 3 NAG begründen (vgl. zu den gegen ein Akzeptieren des Studienerfolges im aktuell laufenden Jahr sprechenden Gründen , Rn. 10; sowie - im Zusammenhang mit einem Schulerfolg - , Ra 2017/22/0155, Rn. 13).

13 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die universitätsrechtliche Genehmigung der Verlängerung des Vorstudienlehrganges und somit die Zulassung zu einem weiteren Semester für sich genommen noch keinen Nachweis über einen Studienerfolg in einem bestimmten (erforderlichen) Ausmaß dar (vgl. , mwN).

14 Auch aus der letztlich erfolgten Zulassung der Mitbeteiligten zum ordentlichen Bachelorstudium ab dem Sommersemester 2017 ergibt sich keine andere Beurteilung: Durch die Zulassung wurde zwar die Erfüllung der Bedingungen für das Studium bestätigt, was aber keinen Nachweis über die Erbringung von universitären Leistungen in einem bestimmten Ausmaß darstellt. Eine Bindungswirkung der Niederlassungsbehörde bezüglich des Vorliegens eines Studienerfolgsnachweises an die Entscheidung der Universität über die Zulassung zum ordentlichen Studium ist jedenfalls nicht gegeben. Vielmehr handelt es sich bei der Prüfung des Vorliegens der universitätsrechtlichen Zulassungsvoraussetzungen einerseits und eines Studienerfolgsnachweises nach dem NAG andererseits um zwei voneinander zu unterscheidende Beurteilungen (vgl. zu allem erneut VwGH Ra 2017/22/0109, mwN).

15 Demnach gelangte das Verwaltungsgericht zu Unrecht zum Ergebnis, dass die Mitbeteiligte einen Studienerfolgsnachweis im maßgeblichen Studienjahr nach den relevanten studienrechtlichen Bestimmungen erbrachte und die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 64 Abs. 3 NAG erfüllte.

16 Die Revision weist auch zutreffend darauf hin, dass die Erteilung der auf ein Jahr befristeten Aufenthaltsbewilligung "Studierender", deren konstitutive Wirkung ab Rechtskraft des gegenständlichen Erkenntnisses eintreten solle, in Widerspruch zu § 20 Abs. 2 NAG steht.

17 Gemäß § 20 Abs. 2 NAG, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2009, beginnt die Gültigkeitsdauer eines verlängerten Aufenthaltstitels mit dem auf den letzten Tag des letzten Aufenthaltstitels folgenden Tag, wenn seither nicht mehr als sechs Monate vergangen sind. Im Hinblick darauf, dass der letzte Tag des letzten Aufenthaltstitels der Mitbeteiligten der war und bis zur Erlassung des Erkenntnisses am nicht mehr als sechs Monate vergangen sind, hätte dem klaren und eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung zufolge die Gültigkeitsdauer der vom Verwaltungsgericht erteilten Aufenthaltsbewilligung nicht ab Rechtskraft des Erkenntnisses, sondern mit beginnen müssen, weshalb sich das Erkenntnis auch in dieser Hinsicht als rechtswidrig erweist.

18 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017220043.L00
Schlagworte:
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Besondere Rechtsgebiete

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