VwGH 07.09.2011, 2008/08/0185
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Norm | |
RS 1 | Wie dem § 33 AlVG zu entnehmen ist, ist es Sinn und Zweck der Regelungen über die Notstandshilfe, dem Arbeitslosen die "Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse" zu sichern, wenn diese "unmöglich" ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Notlage schon insoweit nicht anzunehmen, als das anzurechnende Einkommen aus einer unselbständigen Erwerbstätigkeit (oder einer Invaliditätsversorgung) zur Deckung der notwendigen Lebensbedürfnisse ausreicht; steuerliche Verluste aus anderen Einkunftsarten sind hiebei nicht zu berücksichtigen. Andernfalls käme man im Ergebnis zu einer indirekten Finanzierung einer unternehmerischen Tätigkeit durch Mittel der Arbeitslosenversicherung und geriete damit in Widerspruch zu Sinn und Zweck dieser Einrichtung (Hinweis: E , 2001/08/0124). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der O O in S, vertreten durch Dr. Werner Posch, Rechtsanwalt in 2640 Gloggnitz, Hauptstraße 37, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom , Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2008, betreffend Anspruch auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung der Notstandshilfe als Bevorschussung von Leistungen aus der Pensionsversicherung vom abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe im November 2007 einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension gestellt. Vom bis zum habe sie Arbeitslosengeld als Bevorschussung von Leistungen aus der Pensionsversicherung bezogen. Am (mit Wirksamkeit vom ) habe sie Notstandshilfe als Bevorschussung von Leistungen aus der Pensionsversicherung beantragt.
Die Beschwerdeführerin sei verheiratet, habe keine Sorgepflichten und wohne mit ihrem Ehemann im gemeinsamen Haushalt. Ihr Ehemann habe ab Jänner 2008 ein Nettoeinkommen (Berufsunfähigkeitspension) in Höhe von (monatlich) EUR 1.075,03 erzielt. Der Ehemann weise eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50% auf. Im Antrag auf Notstandshilfe habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, ihr Ehegatte gehe neben dem Bezug der Berufsunfähigkeitspension noch einer selbständigen Tätigkeit nach. Ihr Ehemann habe vor der regionalen Geschäftsstelle angegeben, er sei seit selbständig erwerbstätig. Für den Zeitraum vom 1. Jänner bis habe er einen Verlust aus seiner selbständigen Tätigkeit in Höhe von EUR 1.200,--
und für März 2008 einen Verlust in Höhe von EUR 600,-- bekannt gegeben.
Die Beschwerdeführerin übe seit eine selbständige Erwerbstätigkeit aus; sie habe das Gewerbe "Handelsgewerbe (mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe) und Handelsagent" angemeldet. In Hauptverbandsauszügen sei eine Pflichtversicherung aufgrund selbständiger Erwerbstätigkeit weder betreffend die Beschwerdeführerin noch betreffend ihren Ehegatten gespeichert.
Die Beschwerdeführerin habe keine erhöhten Aufwendungen geltend gemacht.
Der fiktive Anspruch auf Notstandshilfe der Beschwerdeführerin betrage aufgrund des für die Festsetzung maßgeblichen Entgelts in Höhe von EUR 999,20 EUR 14,10 täglich. Auf diesen fiktiven Notstandshilfeanspruch sei das Einkommen des Ehemanns anzurechnen. Ausgehend vom monatlichen Nettoeinkommen des Ehemanns im Februar 2008 in Höhe von EUR 1.075,03 sei eine Freigrenze in Höhe von EUR 473,-- in Abzug zu bringen. Gemäß der Richtlinie des Arbeitsmarktservice zur Freigrenzenerhöhung sei bei Bezug einer Berufsunfähigkeitspension eine Freigrenzenerhöhung von EUR 80,-- monatlich zu gewähren. Da der Ehemann der Beschwerdeführerin das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, sei keine Erhöhung der Einkommensgrenzen iSd § 6 Abs. 6 Notstandshilfeverordnung vorzunehmen. Ein erklärter Verlust aus einer selbständigen Tätigkeit könne nicht zu einer Verringerung des anrechenbaren Einkommens einer unselbständigen Tätigkeit führen.
Es ergebe sich daher ein monatlicher Anrechnungsbetrag von EUR 522,-- (EUR 1.075,03 abzüglich EUR 473,-- und abzüglich EUR 80,--), sohin von täglich EUR 17,11. Da der tägliche Anrechnungsbetrag den fiktiven Anspruch der Beschwerdeführerin übersteige, sei keine Notlage gegeben, weshalb der Antrag der Beschwerdeführerin abzuweisen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde macht geltend, einziger Streitpunkt sei, ob das zu berücksichtigende Einkommen des Ehemanns der Beschwerdeführerin mit EUR 1.075,-- oder wegen Anrechnung des Anlaufverlustes aus der selbständigen Erwerbstätigkeit bloß mit EUR 475,-- anzurechnen sei.
2. Gemäß § 23 Abs. 2 Z 1 AlVG ist für die vorschussweise Gewährung von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe erforderlich, dass abgesehen von der Arbeitsfähigkeit, Arbeitswilligkeit und Arbeitsbereitschaft gemäß § 7 Abs. 3 Z 1 AlVG, die übrigen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme dieser Leistungen vorliegen. Nach § 33 Abs. 2 AlVG ist Notstandshilfe nur zu gewähren, wenn die Arbeitslose der Vermittlung zur Verfügung steht (§ 7 Abs. 2 und 3 AlVG) und sich in Notlage befindet. Notlage liegt vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist (§ 33 Abs. 3 AlVG).
Gemäß § 36 Abs. 2 AlVG sind bei der Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse der Arbeitslosen selbst sowie des mit der Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen. Insbesondere ist dabei das Einkommen des Ehegatten zu berücksichtigen (vgl. § 36 Abs. 3 lit B AlVG; § 6 Notstandshilfeverordnung). Nach § 36a Abs. 2 AlVG ist Einkommen (iSd AlVG) das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 (zuzüglich den Hinzurechnungen gemäß § 36a Abs. 3 AlVG und dem Pauschalierungsausgleich gemäß § 36a Abs. 4 AlVG).
Gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 ist Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den in Abs. 3 leg. cit. aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen sowie von Freibeträgen.
Wie dem § 33 AlVG zu entnehmen ist, ist es Sinn und Zweck der Regelungen über die Notstandshilfe, dem Arbeitslosen die "Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse" zu sichern, wenn diese "unmöglich" ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Notlage schon insoweit nicht anzunehmen, als das anzurechnende Einkommen aus einer unselbständigen Erwerbstätigkeit (oder einer Invaliditätsversorgung) zur Deckung der notwendigen Lebensbedürfnisse ausreicht; steuerliche Verluste aus anderen Einkunftsarten sind hiebei nicht zu berücksichtigen. Andernfalls käme man im Ergebnis zu einer indirekten Finanzierung einer unternehmerischen Tätigkeit durch Mittel der Arbeitslosenversicherung und geriete damit in Widerspruch zu Sinn und Zweck dieser Einrichtung (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2001/08/0124, mwN).
Der belangten Behörde kann somit nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie auf der Grundlage der Einkünfte des Ehemanns der Beschwerdeführerin aus seiner Berufsunfähigkeitspension - ungeachtet allfälliger Verluste aus einer selbständigen Tätigkeit - zu dem Schluss gekommen ist, dass keine Notlage besteht.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2011:2008080185.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAE-75996