VwGH 05.11.2010, 2010/09/0171
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | AuslBG §28 Abs1 lita; AuslBG §3 Abs1; AVG §39 Abs2; VStG §5 Abs1; VStG §5 Abs2; VStG §9 Abs2; VwGG §42 Abs2 Z1; |
RS 1 | Für die Frage der subjektiven Tatseite über die Gültigkeit der Bestellungsurkunde ist das bereits im Verwaltungsstrafverfahren erstattete Vorbringen von Relevanz, wonach die Formulierung dieser Urkunde mit einem Beamten der mit Angelegenheiten des AuslBG befassten Behörde abgesprochen und von diesem gutgeheißen worden sei. Denn es war wohl die Pflicht des Bf, sich über die für seine gewerbliche Tätigkeit maßgeblichen Rechtsvorschriften zu informieren; hat er dies aber getan und hat er die ihm von einem Organ einer zuständigen Behörde erteilte Rechtsauskunft befolgt, dann kann dies zur Folge haben, dass trotzdem erfolgte Gesetzesverstöße ihm gemäß § 5 Abs. 2 VStG nicht zum Verschulden angerechnet werden können (vgl. E , 94/09/0225). (Hier: Die belBeh hat sich nicht veranlasst gesehen, die dazu vom Bf angebotenen Beweise aufzunehmen. Zum Zeitpunkt der Stellung der Beweisanträge ist kein Rechtsmissbrauch zu ersehen. Die belBeh hat aus einer verfehlten Rechtsansicht die Durchführung weiterer Ermittlungen unterlassen, deren Ergebnis zu einem hinsichtlich Schuld und Strafe anders lautenden Bescheid hätte führen können.) |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2010/09/0170 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des Mag. HK in T, vertreten durch Siemer-Siegl-Füreder & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Dominikanerbastei 10, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS- 07/A/13/8539/2009, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesminister für Finanzen, Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener der K GmbH mit Sitz in W zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin auf einer Baustelle in H den polnischen Staatsangehörigen AC am gegen 14.20 Uhr beim Verspachteln von Gipskartonplatten beschäftigt habe, obwohl für diesen keine der im Einzelnen aufgezählten arbeitsmarktrechtlichen Bewilligungen bzw. Bestätigungen ausgestellt gewesen sei.
Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Übertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.200,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Stunden) verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Der Beschwerdeführer replizierte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verwaltungsstrafverfahren war mit Schriftsatz vom unter anderem eingewendet worden, es sei im Tatzeitraum der Prokurist HK zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellt gewesen.
Hinsichtlich der Gültigkeit der Bestellung gleicht das gegenständliche Beschwerdeverfahren jenem, das denselben Beschwerdeführer, vertreten durch die selben Rechtsanwälte betraf, in dem die gleiche Bestellungsurkunde zu beurteilen war, es sich um ein Verwaltungsstrafverfahren handelte, in dem es um eine gleichartige Beschäftigung eines Ausländers ging und in dem mit dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/09/0056, die Beschwerde mit ausführlicher Begründung zur Ungültigkeit der Bestellungsurkunde als unbegründet abgewiesen wurde. Deshalb reicht es diesbezüglich aus, gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das genannte Erkenntnis zu verweisen.
Der nunmehr angefochtene Bescheid unterscheidet sich aber in einem entscheidenden Punkt von dem dem Vorverfahren zu Grunde liegenden Bescheid:
Der Beschwerdeführer rügt, er habe bereits im Verwaltungsverfahren (Anmerkung: in der Berufung findet sich tatsächlich ein diesbezügliches, konkretes Sachverhaltsvorbringen) dargetan, er habe bei der Formulierung der Urkunde über die Bestellung des verantwortlichen Beauftragten zur Einhaltung der Bestimmungen des AuslBG die ihm von Rechtsanwalt Mag. K und dem Juristen der KIAB, Dr. Z, erteilten Auskünfte befolgt. Die Unzulänglichkeit des "räumlichen" Geltungsbereiches gehe auf die Rechtsauskunft der beiden als Zeugen beantragten Juristen zurück.
Die belangte Behörde habe dazu keine weiteren Ermittlungen durchgeführt und sich mit dem Vorbringen im angefochtenen Bescheid nicht auseinandergesetzt.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer zu Recht einen relevanten Verfahrensmangel auf. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Zl. 94/09/0225, ausgeführt, dass für die Frage der subjektiven Tatseite über die Gültigkeit der Bestellungsurkunde das darüber hinausgehend vom Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsstrafverfahren erstattete Vorbringen von Relevanz ist, wonach die Formulierung dieser Urkunde mit einem Beamten der mit Angelegenheiten des AuslBG befassten Behörde (hier: mit Dr. Z) abgesprochen und von diesem gutgeheißen worden sei. Denn es war wohl die Pflicht des Beschwerdeführers, sich über die für seine gewerbliche Tätigkeit maßgeblichen Rechtsvorschriften zu informieren; hat er dies aber getan und hat er die ihm von einem Organ einer zuständigen Behörde erteilte Rechtsauskunft befolgt, dann kann dies zur Folge haben, dass trotzdem erfolgte Gesetzesverstöße ihm gemäß § 5 Abs. 2 VStG nicht zum Verschulden angerechnet werden können.
Die belangte Behörde hat sich dessen ungeachtet - anders als in dem dem genannten Erkenntnis vom zu Grunde liegenden Bescheid, in dem der genannte Dr. Z einvernommen und seine Aussagen gewürdigt worden waren - nicht veranlasst gesehen, die dazu vom Beschwerdeführer angebotenen Beweise aufzunehmen.
Sollte die Unzulänglichkeit des Textes der Bestellungsurkunde hinsichtlich der räumlichen Abgrenzung der jeweils betroffenen Baustelle tatsächlich auf eine Rechtsauskunft des Dr. Z zurückgehen, dann wäre dieser Umstand geeignet, das Verschulden des Beschwerdeführers im Ergebnis zur Gänze oder zumindest seiner Schwere nach in Zweifel zu ziehen.
Die belangte Behörde führt in der Gegenschrift aus, sowohl Dr. Z als auch Mag. K seien in einem anderen gleichgelagerten Verfahren, das dem (bereits zitierten) hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/09/0056, zu Grunde gelegen sei, in der mündlichen Verhandlung vom einvernommen worden. Bei Stellung des neuerlichen Antrages auf Einvernahme dieser beiden Zeugen im gegenständlichen Verfahren sei dem Beschwerdeführer sohin bekannt gewesen, dass die Aussagen der beiden Zeugen nicht geeignet seien, sein Vorbringen zu stützen.
Das im gegenständlichen Fall zur Entscheidung berufene Mitglied der belangten Behörde habe im genannten Verfahren als Kammervorsitzender teilgenommen, weshalb die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gewährleistet sei. Auch der Beschwerdeführer, sein Mitgeschäftsführer und deren anwaltlicher Vertreter hätten die Gelegenheit gehabt, diesen Zeugeneinvernahmen beizuwohnen und die Zeugen zu befragen. Der Gegenschrift beigelegt wurde das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom . Das Beharren des Beschwerdeführers auf die neuerliche Einvernahme sei als "Rechtsmissbrauch" oder "Erkundungsbeweis" anzusehen.
Die belangte Behörde übersieht, dass der Beweisantrag auf Einvernahme des Dr. Z in der Berufung des gegenständlichen Verfahrens gestellt wurde. Die Berufung ist aber mit datiert und langte bei der Behörde erster Instanz am ein. Die mündliche Verhandlung im Parallelverfahren fand aber erst später, nämlich am , statt. Zum Zeitpunkt der Stellung der Beweisanträge ist daher kein Rechtsmissbrauch zu ersehen.
In den Protokollen der im gegenständlichen Fall durchgeführten Verhandlung, die mehrfach erstreckt wurde (, und ), findet sich kein Hinweis, dass die Aussagen des Dr. Z und des Mag. K, welche sie in einem anderen Verfahren, wenngleich zum selben Beweisthema, am getätigt hatten, (unter Einhaltung der Bestimmungen des § 51g Abs. 3 VStG) verlesen worden seien oder in irgendeiner anderen Weise in der gegenständlichen Verhandlung vorgekommen seien. Es findet sich abschließend im Verhandlungsprotokoll vom nur der Satz "Offen sind lediglich die Beweisanträge betreffend die verantwortliche Beauftragung, und zwar zur Einvernahme der Zeugen Mag. K und Dr. Z". Die Aussagen des Dr. Z und des Mag. K in der Verhandlung vom sind demnach in der gegenständlich durchgeführten mündlichen Verhandlung nicht vorgekommen. Mangels Hinweises auf die früheren Aussagen ist dem Beschwerdeführer nicht als "Rechtsmissbrauch" vorwerfbar, dass er sich zu den als "offen" bezeichneten Beweisanträgen nicht geäußert (insbesondere sie nicht zurückgezogen) hat.
Da die Aussagen im gegenständlichen Verfahren nicht in der mündlichen Verhandlung vorkamen, ist die von § 51i VStG geforderte Unmittelbarkeit des Verfahrens nicht gewährleistet gewesen. Die frühere Aussage des Dr. Z durfte daher im gegenständlichen Verfahren nicht verwertet werden.
Als "Erkundungsbeweis" war der Beweisantrag nicht zu werten, weil der Beschwerdeführer in der Berufung konkret vorgebracht hat, welche Auskunft Dr. Z angeblich zur Bestellungsurkunde und deren Inhalt erteilt habe.
Die belangte Behörde hat daher aus einer verfehlten Rechtsansicht die Durchführung weiterer Ermittlungen unterlassen, deren Ergebnis zu einem hinsichtlich Schuld und Strafe anders lautenden Bescheid hätte führen können.
Der angefochtene Bescheid erweist sich deshalb als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war, ohne dass auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AuslBG §28 Abs1 lita; AuslBG §3 Abs1; AVG §39 Abs2; VStG §5 Abs1; VStG §5 Abs2; VStG §9 Abs2; VwGG §42 Abs2 Z1; |
Schlagworte | Besondere Rechtsgebiete Verantwortung für Handeln anderer Personen Besondere Rechtsgebiete Arbeitsrecht Arbeiterschutz |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2010:2010090171.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAE-75957