VwGH vom 27.04.2011, 2008/08/0161
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der U B in L, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom , Zl. LGSOÖ/Abt.4/2008-0566-4-000318-13, betreffend Einstellung des Bezuges von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice sprach mit Bescheid vom aus, dass die Beschwerdeführerin ab keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe. Begründend führte die Behörde aus, Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 7 AlVG habe, wer (ua.) der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stehe. Am habe die Beschwerdeführerin persönlich bekannt gegeben, dass sie ab einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgehe. Am habe die Beschwerdeführerin schriftlich bekannt gegeben, sie sei erst seit selbständig. Für den Zeitraum vom 3. bis zum sei die Beschwerdeführerin daher dem Arbeitsmarkt nicht zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Richtig sei, dass sie am persönlich und unaufgefordert bei ihrer Betreuerin vorgesprochen und mitgeteilt habe, dass sie voraussichtlich im März eine selbständige Tätigkeit aufnehmen werde, sie habe das genaue Datum aber noch nicht festgelegt. Ihre Betreuerin habe dies zur Kenntnis genommen und habe eine Aktennotiz gemacht; dass sie definitiv ab eine selbständige Tätigkeit aufnehmen werde, sei aber unrichtig. Ihre Betreuerin habe sie noch darauf aufmerksam gemacht, sie solle jedenfalls noch selbständig Bewerbungen schreiben. Sie habe diese Aufforderung sehr ernst genommen und sich am 3. und in Gastronomiebetrieben vorgestellt. Sie könne diese Bewerbungen schriftlich belegen, sie habe dies der Bearbeiterin auch telefonisch mitgeteilt. Sie stelle daher den Antrag, ihr für die restlichen Tage (3. bis ) Arbeitslosengeld auszubezahlen, da sie der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde - ohne erkennbare weitere Verfahrensschritte - die Berufung ab. Begründend führte sie aus, die Beschwerdeführerin habe ab Arbeitslosengeld bezogen. Am habe sie der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice bekannt gegeben, dass sie sich mit selbständig machen werde. Am habe sie persönlich bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vorgesprochen und mitgeteilt, mit die selbständige Tätigkeit aufzunehmen. Am habe sie der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mitgeteilt, die selbständige Tätigkeit hätte erst mit begonnen.
Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, Verfügbarkeit sei eine Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld. Personen, die eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübten, könnten sich in der Regel nicht zur Aufnahme und Ausübung einer auf dem Arbeitsmarkt üblicherweise angebotenen, den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Vorschriften entsprechenden zumutbaren versicherungspflichtigen Beschäftigung bereithalten. Die Aufnahme einer Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit werde mit der Abmeldung vom Leistungsbezug, weiters mit der Anmeldung zur Sozialversicherung dokumentiert. Zur Abmeldung mit gebe es die eindeutige "Aussage" der Beraterin, die darüber am Tag der Vorsprache () einen Textvermerk in der EDV erstellt habe. Es gebe keinen Grund, an der datumsmäßig von der Beschwerdeführerin festgelegten Aussage zu zweifeln, zumal sich die Beschwerdeführerin bereits zuvor telefonisch mit abgemeldet habe, die Anmeldung bei der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft bereits mit vorgenommen worden sei und die Beraterin zudem nicht nur den Eintrag im Textvermerk mit am Tag der Vorsprache vorgenommen, sondern auch die Bezugseinstellung mit diesem Datum veranlasst habe. Es sei daher nicht von einer datumsmäßig unbestimmten Abmeldung auszugehen. Die Beschwerdeführerin habe nach dem auch nicht mehr persönlich beim Arbeitsmarktservice vorgesprochen. Das Arbeitslosengeld könne daher ab mangels Verfügbarkeit nicht mehr gewährt werden.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Berufung die Sachverhaltsannahme der erstinstanzlichen Behörde, sie habe am bekannt gegeben, dass sie ab (definitiv) einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgehe, damit bekämpft, dass sie lediglich angegeben habe, sie werde voraussichtlich im Monat März eine selbständige Tätigkeit aufnehmen. Die Betreuerin habe ihr mitgeteilt, sie solle sich jedenfalls weiterhin selbständig bewerben; dieser Aufforderung sei sie auch nachgekommen und könne diese Bewerbungen auch schriftlich belegen.
Gemäß § 66 Abs. 1 AVG hat die Berufungsbehörde notwendige Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durch eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde durchführen zu lassen oder selbst vorzunehmen. Im Hinblick auf die die (entscheidende) Sachverhaltsannahme der erstinstanzlichen Behörde konkret bestreitenden Berufungsausführungen der Beschwerdeführerin wäre die belangte Behörde demnach verpflichtet gewesen, nach den allgemein für das Ermittlungsverfahren geltenden Grundsätzen der Amtswegigkeit und der materiellen Wahrheit den maßgeblichen Sachverhalt zu erheben (vgl. nur - unter Verweis auf die ständige hg. Rechtsprechung - Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 Rz 1 f).
Hiezu wäre jedenfalls (vgl. weitergehend das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0010) eine Stellungnahme der Betreuerin der Beschwerdeführerin zu den Berufungsbehauptungen der Beschwerdeführerin einzuholen (und hiezu der Beschwerdeführerin sodann Parteiengehör zu gewähren) gewesen. Dabei wäre auch zu erörtern, aus welchem Grund die Gesprächsnotiz vom , laut der die Beschwerdeführerin mitgeteilt habe, dass sie sich am selbständig machen werde, noch nicht in gleicher Weise als "definitiv" behandelt wurde wie jene vom , wobei die letztere überdies einen Vermerk enthält, wonach vom "UGP" noch keine Meldung bezüglich Aufnahme erhalten worden sei; dies könnte aber allenfalls gegen eine definitive Bekanntgabe der Aufnahme einer selbständigen Beschäftigung sprechen.
Auch wäre die Beschwerdeführerin aufzufordern gewesen, die in der Berufung erwähnten Urkunden (Bewerbungen) vorzulegen (welche - entgegen der Beschwerde - sich nicht im Akt befinden).
Da nicht auszuschließen ist, dass die belangte Behörde bei Einhaltung der außer Acht gelassenen Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. C VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Ein Ersatz der in der Beschwerde zusätzlich verzeichneten Kosten (Umsatzsteuer) findet darin keine Deckung.
Wien, am
Fundstelle(n):
OAAAE-75946