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VwGH 22.12.2010, 2008/08/0159

VwGH 22.12.2010, 2008/08/0159

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
RS 1
Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber durch die in § 227 Abs. 1 Z 1 ASVG enthaltene Regelung seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum überschritten hätte; als unsachlich kann die Regelung nicht beurteilt werden [vgl. Mayer, B-VG4 (2007) Art. 2 StGG IV.]. Es ist insbesondere unbedenklich, wenn der Gesetzgeber im Pensionsversicherungsrecht Schulzeiten an zur Reifeprüfung führenden höheren Schulen insofern gleich behandelt, als er höchstens drei Jahre an Versicherungszeiten unabhängig davon vorsieht, ob die Oberstufe vier oder fünf Schulstufen umfasst.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des F P in Wien, vertreten durch Dr. Peter Winalek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Nibelungengasse 8, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom , Zl. MA 40 - SR-2- 7518/07, betreffend Anrechnung von Ersatzzeiten nach § 227 ASVG (mitbeteiligte Partei: Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom wies die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Beschwerdeführers vom auf Beitragsentrichtung für Schul-, Studien- und Ausbildungszeiten gemäß § 227 ASVG für (weitere) zwölf Monate ab.

Mit dem angefochten Bescheid wies die belangte Behörde den dagegen erhobenen Einspruch als unbegründet ab und führte begründend - im Wesentlichen - aus, gemäß § 227 Abs. 1 Z 1 ASVG könnten höchstens drei Jahre des Besuches einer höheren Schule mit jeweils höchstens zwölf Monaten nachgekauft werden. Ein Nachkauf von mehr als 36 Kalendermonaten mit einer Verteilung auf mehr als drei Schuljahre sei damit ausgeschlossen. Gemäß § 227 Abs. 1 Z 1 ASVG seien die Ersatzzeiten grundsätzlich vom letzten Ausbildungsmonat zurückgerechnet zu lagern, also im Falle des Besuches einer höheren Schule in die drei letzten vollen Schuljahre. Um den Versicherten die höchstmögliche Anzahl von nachgekauften Ersatzzeiten zu ermöglichen, werde in der Praxis der Pensionsversicherungsanstalt von dieser "Lagerungsbestimmung" abgegangen, wenn sich Schul- und Studienzeiten mit Beitragszeiten deckten. Es würden dabei soweit wie möglich jene Schuljahre außer Betracht gelassen, in denen auch Beitragszeiten lägen. Versicherungszeiten, die sich zeitlich deckten, seien zur Feststellung von Leistungen aus der Pensionsversicherung nur einfach zu zählen, wobei Beitragszeiten der Pflichtversicherung den Beitragszeiten der freiwilligen Versicherung vorgingen. Der (am geborene) Beschwerdeführer habe nach Vollendung des 15. Lebensjahres vom Schuljahr 1965/66 bis zum Schuljahr 1968/69 eine höhere Schule besucht und habe sowohl im Juli 1966 als auch im August 1969 einen Beitragsmonat der Pflichtversicherung erworben. Die Pensionsversicherungsanstalt habe daher für den Nachkauf jene vollen Schuljahre (1966/67, 1967/68 und 1968/69) herangezogen, welche die geringsten Überschneidungen mit Beitragsmonaten aufgewiesen hätten. Sie habe mit rechtskräftigen Bescheiden vom und gemäß § 227 ASVG den Nachkauf von insgesamt 35 Monaten des Besuches einer höheren Schule bewilligt, wobei die Beiträge zur Gänze entrichtet worden seien. Ein weiterer Nachkauf von zwölf Ersatzmonaten des Besuches einer höheren Schule im Schuljahr 1965/66 sei demnach nicht möglich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 227 Abs. 1 Z 1 ASVG (idF BGBl. I Nr. 132/2005) lautet:

"§ 227. (1) Als Ersatzzeiten aus der Zeit nach dem und vor dem gelten

1. in dem Zweig der Pensionsversicherung, in dem die erste nachfolgende Beitragszeit vorliegt, die Zeiten, in denen nach Vollendung des 15. Lebensjahres eine inländische öffentliche mittlere Schule oder eine mittlere Schule mit vergleichbarem Bildungsangebot, eine höhere Schule (das Lycee Francais in Wien), Akademie oder verwandte Lehranstalt oder eine inländische Hochschule bzw. Kunstakademie oder Kunsthochschule in dem für die betreffende Schul(Studien)art vorgeschriebenen normalen Ausbildungs(Studien)gang besucht wurde, oder eine Ausbildung am Lehrinstitut für Dentisten in Wien oder nach dem Hochschulstudium eine vorgeschriebene Ausbildung für den künftigen, abgeschlossene Hochschulbildung erfordernden Beruf erfolgt ist; hiebei werden höchstens ein Jahr des Besuches des Lehrinstitutes für Dentisten in Wien, höchstens zwei Jahre des Besuches einer mittleren Schule, höchstens drei Jahre des Besuches einer höheren Schule (des Lycee Francais in Wien), Akademie oder verwandten Lehranstalt, höchstens zwölf Semester des Besuches einer Hochschule, einer Kunstakademie oder Kunsthochschule und höchstens sechs Jahre der vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen, abgeschlossene Hochschulbildung erfordernden Beruf berücksichtigt, und zwar jedes volle Schuljahr, angefangen von demjenigen, das im Kalenderjahr der Vollendung des 15. Lebensjahres begonnen hat, mit zwölf Monaten, jedes Studiensemester mit sechs Monaten, und die Ausbildungszeit, zurückgerechnet vom letzten Ausbildungsmonat."

Aus § 227 Abs. 1 Z 1 ASVG ist abzuleiten, dass - betreffend Zeiten des Besuches einer höheren Schule - nur ganze Schuljahre und höchstens drei Schuljahre anzurechnen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2006/08/0218, mwN).

An sich zutreffend ist der Beschwerdeeinwand, dass gemäß § 227 Abs. 1 Z 1 ASVG Ersatzzeiten betreffend Schulzeiten angefangen mit dem Schuljahr, das nach Vollendung des 15. Lebensjahres begonnen hat, zu berücksichtigen sind (vgl. wiederum das bereits zitierte Erkenntnis vom ). Der letzte Halbsatz in § 227 Abs. 1 Z 1 ASVG wurde mit dem Sozialrechtsänderungsgesetz 1978 (33. Novelle zum ASVG, BGBl. Nr. 684/1978) eingefügt und bezieht sich auf Ausbildungszeiten nach einer abgeschlossenen Hochschulbildung (vgl. 1084 BlgNR 14. GP, 46: Die Anrechnung der Ausbildungszeiten als Ersatzzeiten solle geändert werden; die letzten zwei Drittel der Ausbildungsmonate würden als Ersatzzeiten gelten). Da der Beschwerdeführer im Juli 1950 geboren ist, wären sohin Ersatzzeiten angefangen ab dem Schuljahr 1965/66 zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer kann aber insoweit, als Ersatzzeiten für andere Schuljahre berücksichtigt wurden, eine Beschwer nicht aufzeigen.

Gemäß § 2 Schulzeitgesetz (BGBl. Nr. 193/1964) beginnt - wie auch nach der aktuellen Bestimmung (§ 2 Schulzeitgesetz 1985) - das Schuljahr im September und dauert bis zum Beginn des nächsten Schuljahres. Das Schuljahr 1965/66 begann sohin - entgegen der Behauptung in der Beschwerde (wonach das Schuljahr mit den Schulferien beginne) - im September 1965 und dauerte bis einschließlich August 1966 (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/08/0122, mwN). In diesem Schuljahr hatte der Beschwerdeführer aber (auch in der Beschwerde unstrittig) einen Beitragsmonat im Juli 1966 erworben, sodass bei Berücksichtigung dieses Schuljahres an Stelle des Schuljahres 1968/69, in welchem der Beschwerdeführer ebenfalls einen Beitragsmonat der Pflichtversicherung erworben hatte, ebenfalls nur elf Monate (und sohin insgesamt 35 Monate) durch Nachkauf leistungswirksam (§ 231 Z 1 ASVG) werden konnten.

Einem weiteren Nachkauf von Schulzeiten steht entgegen, dass höchstens drei Jahre des Besuches einer höheren Schule berücksichtigt werden können. Ersatzzeiten für drei Schuljahre wurden aber bereits durch rechtskräftige Bescheide ( und ) berücksichtigt.

Der Beschwerdeführer wendet hiezu ein, § 227 Abs. 1 Z 1 ASVG verstoße gegen den Gleichheitssatz sowie gegen das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art. 5 StGG) und jenes auf Freiheit der Erwerbstätigkeit (Art. 6 StGG), und regt hiezu eine Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof an.

Ausweislich der Erläuterungen zur Regierungsvorlage (599 BlgNR 7. GP, 71) soll § 227 (Abs. 1) Z 1 ASVG diejenigen Versicherten, bei denen infolge erweiterter Schulbildung der Eintritt in das Erwerbsleben und damit auch der Beginn der Versicherung hinausgeschoben wird, einigermaßen für den daraus resultierenden Verlust an Beitragszeiten schadlos halten.

Eine vollständige "Schadloshaltung" war insoweit vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt. So wurden in der Stammfassung dieser Bestimmung (BGBl. Nr. 189/1955) die Schuljahre jeweils nur zur Hälfte (mit sechs Monaten) angerechnet, wobei dies in den Erläuterungen damit begründet wurde, dass für diese Zeiten auch keine Beiträge entrichtet wurden (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit vgl. VfSlg. 6276/1970).

Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber durch die in § 227 Abs. 1 Z 1 ASVG enthaltene Regelung seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum überschritten hätte; als unsachlich kann die Regelung nicht beurteilt werden (vgl. Mayer, B-VG4 (2007) Art. 2 StGG IV.). Es ist insbesondere unbedenklich, wenn der Gesetzgeber im Pensionsversicherungsrecht Schulzeiten an zur Reifeprüfung führenden höheren Schulen insofern gleich behandelt, als er höchstens drei Jahre an Versicherungszeiten unabhängig davon vorsieht, ob die Oberstufe vier oder fünf Schulstufen umfasst. Inwieweit der Beschwerdeführer in seinen Grundrechten auf Unverletzlichkeit des Eigentums oder auf Freiheit der Erwerbstätigkeit verletzt sei, wird in der Beschwerde nicht dargetan. Gegen die Bestimmung des § 227 Abs. 1 Z 1 ASVG bestehen daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken, sodass die in der Beschwerde angeregte Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof zu unterbleiben hatte.

Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2010:2008080159.X00
Datenquelle

Fundstelle(n):
PAAAE-75937

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