VwGH vom 25.05.2011, 2008/08/0156
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse in Linz, vertreten durch Mag. Hans Teuchtmann, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Hauptstraße 33, gegen den Bescheid des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz vom , Zl. BMSK-328214/0001-II/A/3/2008, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. G L in S 2. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1201 Wien, Adalbert Stifterstraße 65-67,
3. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich-Hillegeiststraße 1, 4. T. GmbH in A, vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler, Mag. Harald Mühlleitner und Mag. Sylvia Schrattenecker, Rechtsanwälte in 4490 St. Florian, Marktplatz 10), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom stellte die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse fest, der in Österreich wohnhafte Erstmitbeteiligte unterliege hinsichtlich seiner für die viertmitbeteiligte Partei als Dienstgeberin ausgeübten Tätigkeit als Überwacher der "Medienmontage an einer Stranggießanlage" ab als Dienstnehmer der Vollversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung.
Die viertmitbeteiligte Partei erhob gegen diesen Bescheid Einspruch und wandte im Wesentlichen ein, der Erstmitbeteiligte sei kein Dienstnehmer der viertmitbeteiligten Partei. Er sei keinen betrieblichen Ordnungsvorschriften (Arbeitszeit, Arbeitsort, Dauer und Lage von Arbeitspausen, Einhaltung bestimmter Arbeitsverfahren, Arbeitsabfolge, Einordnung in eine betriebliche Hierarchie und ein betriebliches Ordnungsgefüge) der viertmitbeteiligten Partei unterworfen. Der Erstmitbeteiligte sei eine hochqualifizierte Spezialkraft, welche nicht weisungsunterworfen, sondern selbst weisungsbefugt sei. Wenn überhaupt unterliege er Weisungen der S AG (Deutschland). Die viertmitbeteiligte Partei verfüge auch über eine Gewerbeberechtigung für das Gewerbe der Arbeitsvermittlung. Diese Arbeitsvermittlung habe die viertmitbeteiligte Partei vorgenommen. Die viertmitbeteiligte Partei verfüge über einen "Pool" von hochqualifizierten Spezialkräften, welche sie mit diversen Unternehmen zusammenführe. Darüber hinaus sei sie auch mit der Fakturierung und dem Inkasso der Forderungen des Erstmitbeteiligten betraut worden. Es liege auch keine Beschäftigung im Inland vor; der Erstmitbeteiligte sei ausschließlich für eine Tätigkeit im Ausland (Projekt: Stranggießanlage im Iran) verpflichtet worden. Schließlich verstoße die Gebietskrankenkasse auch gegen den Vertrauensschutz, da ein Mitarbeiter der Gebietskrankenkasse vor etwa zehn Jahren die Auskunft erteilt habe, Dienstverträge wie der vorliegende würden keine Sozialversicherungspflicht in Österreich begründen.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom wurde dem Einspruch keine Folge gegeben, der Spruch des Bescheides aber insoweit ergänzt, als die Vollversicherung vom 28. Juli bis festgesetzt werde.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der gegen den Einspruchsbescheid erhobenen Berufung der viertmitbeteiligten Partei Folge und stellte fest, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner Tätigkeit für die viertmitbeteiligte Partei als Dienstgeber in der Zeit vom 28. Juli bis nicht der Pflichtversicherung in der Vollversicherung sowie Arbeitslosenversicherung unterlegen sei.
Begründend führte die belangte Behörde aus, die viertmitbeteiligte Partei (mit Sitz in Oberösterreich) habe mit schriftlichem Dienstvertrag vom den Erstmitbeteiligten als Überwacher der Medienmontage an der Stranggießanlage M im Iran unter Vertrag genommen. Das Vertragswerk umfasse 15 Vertragspunkte. Demnach habe der Erstmitbeteiligte die vertraglich zugesicherte Arbeitsleistung für die S AG (mit Sitz in Deutschland) ausschließlich für deren Projekt "Stranggießanlage M Company" im Iran, beginnend mit zu verrichten. Als voraussichtliches Ende dieser Tätigkeit sei Oktober 2003 vereinbart worden, wobei sich die konkrete Beschäftigungsdauer an der Fertigstellung des Projektes orientiere. Tatsächlich seien die Projektarbeiten im Iran erst Ende Dezember 2003 fertig gestellt worden, das Dienstverhältnis habe daher mit geendet.
Alle finanziellen Transaktionen seien zwischen der viertmitbeteiligten Partei und dem Erstmitbeteiligten vereinbart worden; das Entgelt sei von der viertmitbeteiligten Partei an den Erstmitbeteiligten ausbezahlt worden. Der Erstmitbeteiligte sei zur Vorlage von monatlichen Leistungsnachweisen (Stundenanzahl) an die viertmitbeteiligte Partei verpflichtet gewesen, welche wiederum einer vorherigen Abzeichnung durch die S AG (vor Ort im Iran) bedurft hätten. Weiters habe sich der Erstmitbeteiligte zur Abgabe eines Tätigkeitsberichtes nach Projektbeendigung verpflichtet. Im Dienstvertrag sei auch eine Treuepflicht des Erstmitbeteiligten vereinbart worden, wonach dieser Verschwiegenheit gegenüber Dritten hinsichtlich Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zu wahren habe.
Der Erstmitbeteiligte sei in der Zeit vom 28. Juli bis ausschließlich vor Ort im Iran tätig gewesen. Im streitgegenständlichen Zeitraum sei der Erstmitbeteiligte zu keinem Zeitpunkt in Österreich tätig gewesen. Sein ordentlicher Wohnsitz sei zumindest seit dem Kalenderjahr 1999 in der Republik Österreich gelegen. Von der viertmitbeteiligten Partei sei der Erstmitbeteiligte erstmals vom 18. bis zur gesetzlichen Sozialversicherung gemeldet worden. Seit diesem Zeitpunkt sei der Erstmitbeteiligte für die viertmitbeteiligte Partei - außer im hier zu beurteilenden Zeitraum - weder in Österreich noch im Ausland tätig gewesen.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, die viertmitbeteiligte Partei habe den Erstmitbeteiligten vertraglich dazu verpflichtet, Arbeitsleistungen für einen Dritten zu erbringen, wodurch sie als Überlasser (und damit als Dienstgeber) im Sinne des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) aufgetreten sei; der Erstmitbeteiligte wiederum sei Beschäftigter im Sinne des AÜG. Der Erstmitbeteiligte habe persönlich tätig werden müssen, eine Vertretungsbefugnis könne aus dem vorgelegten Dienstvertrag nicht abgeleitet werden und sei auch nicht behauptet worden. Eine Bindung an Arbeitszeit, betriebliche Weisungen und die Kontrollunterworfenheit des Erstmitbeteiligten sei im Dienstvertrag ausgewiesen.
Gemäß § 3 Abs. 2 lit. d ASVG seien Dienstnehmer, die ins Ausland entsendet werden, sofern ihre Beschäftigung im Ausland die Dauer von fünf Jahren nicht übersteige, als im Inland beschäftigt anzusehen. Von einer Entsendung könne nur dann ausgegangen werden, wenn jemand zur Erfüllung eines Auftrages von einem Ort an einen anderen Ort geschickt werde in der schon im Zeitpunkt der Entsendung bestehenden Erwartung, dass er nach Erfüllung dieses Auftrages wieder an den Ausgangspunkt zurückkehren solle. In den Fällen, in denen eine dauernde Beschäftigung im Ausland beabsichtigt sei, scheide der Arbeitnehmer schon mit dem Antritt dieser Beschäftigung aus dem Geltungsbereich des ASVG aus.
Die gewöhnliche Tätigkeit des Erstmitbeteiligten habe sich im Iran entfalten sollen; ein Inlandsbezug lasse sich schon in diesem Zusammenhang nicht feststellen. Der Erstmitbeteiligte sei nicht nur zur Abwicklung eines bestimmten und vorübergehenden Projektes im Ausland beschäftigt worden, sondern er sei generell als Angestellter im Iran beschäftigt gewesen. Der Erstmitbeteiligte sei auch (mit Ausnahme einer kurzen Beschäftigung im Kalenderjahr 2001) weder vor noch nach dieser Tätigkeit für die viertmitbeteiligte Partei tätig gewesen. Es bestünde somit kein Zweifel daran, dass mit dem Erstmitbeteiligten vereinbart gewesen sei, diverse Tätigkeiten ausschließlich im Iran auszuüben, und dass dieser auch nach den tatsächlichen Verhältnissen seine Beschäftigung nicht nur überwiegend, sondern durchgehend im Ausland ausgeübt habe. Der Erstmitbeteiligte sei daher nicht gemäß § 3 Abs. 1 ASVG als im Inland beschäftigt anzusehen gewesen. Da keine Entsendung vorliege und die Beschäftigung im Ausland stattgefunden habe, sei das Eintreten der österreichischen Pflichtversicherung zu verneinen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die zweitmitbeteiligte Versicherungsanstalt hat erklärt, auf die Erstattung einer Gegenschrift zu verzichten. Die viertmitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt. Die übrigen mitbeteiligten Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Ein Abkommen über soziale Sicherheit mit dem Iran besteht nicht. Der hier vorliegende Fall gleicht damit (in weiten Teilen) im entscheidungswesentlichen Sachverhalt und in der Rechtsfrage jenem, der mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/08/0153, entschieden wurde. Aus den in jenem Erkenntnis angeführten Gründen, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Da die belangte Behörde aber im hier angefochtenen Bescheid (anders als in jenem, welcher dem Erkenntnis vom zu Grunde lag) eine Feststellung zum Wohnsitz des Erstmitbeteiligten (im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses) getroffen hat (wobei die Beweiswürdigung hiezu nicht als unschlüssig zu erkennen ist), ist eine derartige Feststellung hier im weiteren Verfahren nicht mehr nachzuholen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das den Ersatz der "Gebühr" betreffende Mehrbegehren war im Hinblick auf die auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende persönliche Abgabenfreiheit gemäß § 109 ASVG abzuweisen.
Wien, am