VwGH vom 22.03.2010, 2008/08/0150
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Lehofer, Dr. Doblinger und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des H N in Wien, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom , Zl. 2008-0566-9- 000784, betreffend Zuerkennung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer war aufgrund eines Antrages vom Arbeitslosengeld für 273 Tage zuerkannt worden. Bis zum bezog der Beschwerdeführer - mit Unterbrechungen -
Arbeitslosengeld für 157 Tage. Mit wurde der Bezug des Arbeitslosengeldes eingestellt, weil der Beschwerdeführer den Beginn seines Studiums gemeldet hatte; seit dem letzten Bezug von Arbeitslosengeld war der Beschwerdeführer zweimal für einen kurzen Zeitraum geringfügig beschäftigt.
Am beantragte der Beschwerdeführer Arbeitslosengeld. Er absolviere seit 2005 ein Studium als ordentlicher Studierender an der Universität Wien. Das Ausmaß der Ausbildung betrage 12 Stunden pro Woche.
Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien wies diesen Antrag mit Bescheid vom ab. Der Beschwerdeführer sei seit 2004 in keinem vollversicherten Dienstverhältnis gestanden. Aufgrund des durchgehenden Studiums gelte er als nicht arbeitslos.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge. Begründend führte sie im Wesentlichen aus, eine neue Anwartschaft sei nicht erfüllt, sodass lediglich ein Fortbezugsanspruch bestehen könnte. Da für das Studium ab März 2005 keine Ausnahmegenehmigung erteilt habe werden können, könne eine solche Ausnahmegenehmigung nicht berücksichtigt werden. Mit dem Antrag vom sei erstmals während der Ausbildung ein Anspruch geltend gemacht worden. Die Anwartschaft ohne Berücksichtigung der Ausbildungszeiten als Rahmenfristerstreckung sei nicht erfüllt, da in der Rahmenfrist von 24 Monaten keine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung gelegen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben. Dem Beschwerdeführer stehe ein Fortbezugsanspruch zu, da er arbeitslos im Sinne des § 12 Abs. 4 AlVG sei.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 19 Abs. 1 AlVG ist Arbeitslosen, die das zuerkannte Arbeitslosengeld nicht bis zur zulässigen Höchstdauer in Anspruch nehmen, der Fortbezug des Arbeitslosengeldes für die restliche zulässige Bezugsdauer - bei fristgerechter Geltendmachung - zu gewähren, wenn abgesehen von der Anwartschaft die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt sind. Voraussetzung für einen Anspruch auf Fortbezug ist demnach unter anderem, dass der Antragsteller arbeitslos ist (§ 7 Abs. 2 AlVG).
Gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG gilt insbesondere nicht als arbeitslos, wer in einer Schule oder einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird oder, ohne dass ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht. Der Beschwerdeführer studiert seit März 2005 an der Universität Wien; diese Ausbildung unterliegt - im Verfahren unstrittig - der Bestimmung des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG.
§ 12 Abs. 4 AlVG sah in der Fassung BGBl. I Nr. 142/2000 vor, dass abweichend von § 12 Abs. 3 lit. f AlVG als arbeitslos gilt, wer während eines Zeitraumes von zwölf Monaten vor der Geltendmachung mindestens 39 Wochen, davon 26 Wochen durchgehend (oder mindestens die Hälfte der Ausbildungszeit, wenn diese kürzer als zwölf Monate ist) arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war, zugleich dem Studium oder der praktischen Ausbildung nachgegangen ist und die letzte Beschäftigung vor Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht selbst zwecks Fortsetzung des Studiums oder der praktischen Ausbildung freiwillig gelöst hat. Mit BGBl. I Nr. 104/2007 wurde diese Bestimmung - nachdem die Regierungsvorlage hiezu noch die Streichung von § 12 Abs. 3 lit. f und § 12 Abs. 4 AlVG vorgesehen hatte (298 BlgNR 23. GP 4) - dahin geändert, dass § 12 Abs. 4 AlVG lautete:
"(4) Abweichend von Abs. 3 lit. f gilt während einer Ausbildung als arbeitslos, wer eine die Gesamtdauer von drei Monaten nicht überschreitende Ausbildung macht oder die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 erster Satz mit der Maßgabe erfüllt, dass diese ohne Rahmenfristerstreckung durch die Heranziehung von Ausbildungszeiten gemäß § 15 Abs. 1 Z 4 erfüllt werden und für die erstmalige Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes während der Ausbildung gelten. Bei wiederholter Inanspruchnahme während einer Ausbildung genügt die Erfüllung der Voraussetzungen des § 14."
Im Ausschussbericht (361 BlgNR 23. GP 2) wurde dazu ausgeführt:
"Nachdem bei einem Wegfall des grundsätzlichen Verbotes einer geregelten Ausbildung während des Bezuges von Arbeitslosengeld mit einem wesentlichen Anstieg von Studenten, die ihre Anwartschaft lediglich durch Ferialbeschäftigungen erworben haben, als Beziehern von Arbeitslosengeld zu rechnen ist, soll die bestehende Ausnahme für Werkstudenten neu gefasst werden. Die verwaltungsaufwendige Überprüfung der Parallelität von Arbeit und Ausbildung soll entfallen und durch eine qualifizierte Anwartschaftsregelung ersetzt werden. Diese stellt sicher, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld während einer länger dauernden Ausbildung nur im Falle längerer arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung und nicht bereits durch die Aneinanderreihung von Ferialbeschäftigungen erworben werden kann. Ausbildungen, deren Gesamtdauer drei Monate nicht überschreitet, sollen keinen zusätzlichen Beschränkungen mehr unterliegen. ..."
Der Ausnahmetatbestand des § 12 Abs. 4 AlVG ist zunächst dann erfüllt, wenn die Gesamtdauer der Ausbildung drei Monate nicht überschreitet. Bei einer länger dauernden Ausbildung ist zu unterscheiden: Bei erstmaliger Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld während der Ausbildung muss eine "lange Anwartschaft" (§ 14 Abs. 1 erster Satz AlVG: 52 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung im Inland in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches) ohne Berücksichtigung einer Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten (§ 15 Abs. 1 Z 4 AlVG) vorliegen. Bei wiederholter Inanspruchnahme während einer Ausbildung reicht hingegen jede Anwartschaftserfüllung gemäß § 14 AlVG, auch unter Heranziehung der Rahmenerstreckung durch Ausbildungszeiten (vgl. auch Krapf/Keul, Arbeitslosenversicherungsgesetz Praxiskommentar, 4. Lieferung (September 2009), § 12 Rz 329).
Die Gesamtdauer der Ausbildung des Beschwerdeführers überschreitet drei Monate. Während dieser Ausbildung hat der Beschwerdeführer bisher kein Arbeitslosengeld in Anspruch genommen, sodass es sich um eine erstmalige Inanspruchnahme während der Ausbildung handelt. Der Beschwerdeführer gilt daher nur dann als arbeitslos, wenn er die lange Anwartschaft - ohne Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten - erfüllt.
Die Beschwerde argumentiert unter Verweis auf Krapf/Keul (aaO, Rz 331), es sei maßgeblich, ob im Zeitpunkt der letzten Geltendmachung von Arbeitslosengeld aufgrund neu erfüllter Anwartschaft die "lange Anwartschaft" - unter Außerachtlassung der Rahmenfristerstreckung wegen Ausbildung - erfüllt gewesen wäre. Hiebei übersieht die Beschwerde, dass Krapf/Keul an der angegebenen Stelle auch ausführen, dies gelte nicht bei Fortbezug.
Gemäß dem Wortlaut des § 12 Abs. 4 AlVG gilt während einer Ausbildung als arbeitslos, wer bei erstmaliger Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes während der Ausbildung die "lange" Anwartschaft erfüllt. Ob diese Voraussetzung vorliegt, kann aber erst bei Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld während der Ausbildung geprüft werden. Hier wurde vom Beschwerdeführer während der Ausbildung erstmals im Februar 2008 Arbeitslosengeld (durch Geltendmachung des Fortbezuges) beantragt. Innerhalb der letzten 24 Monate vor Februar 2008 war der Beschwerdeführer nicht arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt, die Rahmenfristerstreckung des § 15 Abs. 1 Z 4 AlVG (Ausbildungszeiten) ist hier nicht anwendbar. Dass andere Umstände vorlägen, die eine - relevante - Erstreckung der Rahmenfrist bewirkten, wird in der Beschwerde nicht behauptet und ist auch aus dem Akteninhalt - auch unter Berücksichtigung der im angefochtenen Bescheid nicht näher dargelegten kurzen Zeiträume geringfügiger Beschäftigung - nicht ableitbar.
Entgegen der Beschwerde würde daher auch die Unterbrechung des Studiums für einen Tag nicht dazu führen, dass der Beschwerdeführer bei Wiederaufnahme des Studiums Arbeitslosengeld beziehen könnte.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 43 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am