VwGH vom 11.09.2015, 2012/17/0310

VwGH vom 11.09.2015, 2012/17/0310

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag.a Nussbaumer-Hinterauer als Richterinnen bzw Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde des Ing. BK in B, vertreten durch Mag. Anna-Maria Freiberger, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Invalidenstraße 7, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , IVW3-BE-3170301/016-2012, betreffend Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Breitenfurt), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Beschwerdeführer und Helga S "als Gesamtschuldner zur ungeteilten Hand" eine Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe wegen "baulicher Erweiterungen" in der Höhe von EUR 31.144,90 (einschließlich Umsatzsteuer) vor.

In seiner dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass der Bemessungsgrundlage falsche, nicht mit den Plänen übereinstimmende Zahlen zu Grunde lägen. Die Abgabenvorschreibung könne ihn keinesfalls treffen, da die "seinerzeitig vorgeschriebene Einmündungsabgabe zur Gänze aufgehoben" worden sei. Zudem sei er in den jeweiligen Baubewilligungsverfahren, die letztlich zu den baulichen Veränderungen geführt hätten, nie Partei gewesen, sondern die seinerzeitige Alleineigentümerin und nunmehrige Miteigentümerin Helga S.

Mit Bescheid vom wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung als unbegründet ab. Das Grundstück stehe im Miteigentum des Beschwerdeführers, was die solidarische Haftung für die offene Abgabenschuld nach sich ziehe. Für das Grundstück sei mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom rechtskräftig eine Bewilligung für Zu- und Umbauten erteilt worden; dieser Bescheid sei dem Beschwerdeführer auch zugestellt worden. Wann dieser Miteigentümer geworden sei, sei auf Grund der dinglichen Wirkung früherer Bescheide unerheblich. Das Vorbringen in Bezug auf die Verwendung falscher Zahlen sei zu unbestimmt.

Die belangte Behörde gab mit Bescheid vom der dagegen erhobenen Vorstellung Folge, hob den angefochtenen Bescheid auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die mitbeteiligte Gemeinde. Diese habe im Besonderen Ermittlungen dahingehend unterlassen, welches Ausmaß die bebaute Fläche habe bzw vor der nunmehrigen Veränderung (bzw im Zeitpunkt der Vorschreibung der Kanaleinmündungsabgabe) tatsächlich gehabt habe. Das tatsächliche Ausmaß der bebauten Fläche sei weder dem Bescheid, noch den vorgelegten Akten unzweifelhaft zu entnehmen. Die Abgabenbehörde habe auch diesbezügliche Ermittlungen vor Ort unterlassen.

Mit Bescheid vom gab der Gemeindevorstand der Berufung des Beschwerdeführers Folge und setzte die Ergänzungsabgabe mit einem Betrag von EUR 32.118,92 (einschließlich Umsatzsteuer) neu fest. Auf Grund des aufhebenden Bescheides der Vorstellungsbehörde habe eine Überprüfung der tatsächlichen Dimension des Gebäudes des Beschwerdeführers im Beisein eines bautechnischen Amtssachverständigen stattgefunden. Dabei sei eine Differenz von 34,1050 m2 zu den bisher ermittelten Maßen festgestellt worden. Die Fläche des Erdgeschosses betrage 2.247,4741 m2, an den Kanal seien zwei Geschosse angeschlossen und es sei eine unverbaute Fläche von 75 m2 hinzuzurechnen. Daraus ergebe sich eine Berechnungsfläche von 3.446,21 m2. Davon sei die bereits vorgeschriebene Fläche im Ausmaß von 1.759,378 m2 abzuziehen. Für die gegenständliche Vorschreibung ergebe sich daher eine Berechnungsfläche von 1.686,83 m2, die mit dem Einheitssatz von EUR 17,31 zu multiplizieren sei. Den beiden Miteigentümern sei die Möglichkeit gegeben worden, zum Ergebnis der Überprüfung Stellung zu nehmen, wovon sie allerdings keinen Gebrauch gemacht hätten.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer erneut Vorstellung. Das gegenständliche Gebäude sei 1990/1991 errichtet worden und seither unverändert geblieben. Die Miteigentümerin habe danach lediglich diverse "Bauansuchen" eingebracht, deren Bewilligung dem Beschwerdeführer nie zugestellt worden seien. Die Abgabenberechnung sei immer noch unrichtig, insbesondere enthalte die Aufstellung Flächen, die zur Kanalergänzungsabgabe gar nicht herangezogen werden könnten. Eine nördliche Halle in der Größe von 300 m2 sei nicht an das Kanalsystem angeschlossen, aber in die Berechnung einbezogen worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Es sei im bekämpften Berufungsbescheid im Besonderen zu prüfen gewesen, welches Ausmaß die bebaute Fläche des gegenständlichen Gebäudes habe bzw vor der nunmehrigen Veränderung tatsächlich gehabt habe. Dies sei durch eine Verhandlung am - unter Einbeziehung eines Sachverständigen - auch in nachvollziehbarer Weise geschehen. Die Abgabenbehörde sei zu Recht davon ausgegangen, dass es sich beim gegenständlichen (einschließlich der nördlich gelegenen Halle) um ein einheitliches Gebäude handle. Das Vorliegen eines einzigen oder zweier selbstständiger Gebäude, sei vor allem auf Grund der baulichen Gestaltung zu beurteilen. Aus den vorliegenden Plänen ergebe sich, dass zwischen den einzelnen Hallen Durchgänge und Verbindungen bestünden, sodass auch eine einheitliche wirtschaftliche Nutzung im Sinne einer funktionalen Einheit vorliege. Die Einbeziehung der Halle in die Berechnungsfläche sei somit nicht zu beanstanden.

Dagegen richtet sich die Beschwerde, in der der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde legte die Akten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Im Beschwerdefall sind gemäß § 79 Abs 11 VwGG idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr 122/2013 die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des VwGG weiter anzuwenden.

Zunächst ist festzuhalten, dass weder dem angefochtenen Bescheid noch den Bescheiden der Gemeindebehörden Feststellungen über den Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches zu entnehmen sind. Es wird daher das NÖ Kanalgesetz 1977 in der zum Zeitpunkt der Erlassung des Abgabenbescheides erster Instanz maßgeblichen Fassung 8230-7 wiedergegeben:

"...

§ 2

Kanaleinmündungsabgabe, Ergänzungsabgabe

(1) Für den möglichen Anschluß an die öffentliche Kanalanlage ist eine Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten.

...

(4) Bei einer späteren Änderung der seinerzeit der Bemessung zugrunde gelegten Berechnungsgrundlagen (§ 3 Abs. 2) ist eine Ergänzungsabgabe zu der bereits entrichteten Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten, wenn sich durch diese Änderung gegenüber dem ursprünglichen Bestand nach den Bestimmungen des § 3 Abs. 6, eine höhere Abgabe ergibt. Bei Liegenschaften, die bereits vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes an das öffentliche Kanalgesetz angeschlossen waren, gelten der Bestand beim Inkrafttreten dieses Gesetzes als ursprünglicher Bestand und als Änderung der seinerzeit der Bemessung zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage jede Änderung, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes die Verpflichtung zur Entrichtung einer Ergänzungsabgabe begründet, wenn die Einmündungsabgabe bereits nach den Vorschriften dieses Gesetzes bemessen worden wäre.

...

§ 3

(1) Die Höhe der Kanaleinmündungsabgabe ergibt sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche (Abs. 2) mit dem Einheitssatz (Abs. 3).

(2) Die Berechnungsfläche wird in der Weise ermittelt, daß die Hälfte der bebauten Fläche mit der um 1 erhöhten Zahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoße multipliziert und das Produkt um 15 v.H. der unbebauten Fläche vermehrt wird. Nicht angeschlossene Gebäude oder Gebäudeteile zählen zur unbebauten Fläche. ...

...

(6) Die Ergänzungsabgabe ergibt sich aus dem Differenzbetrag zwischen der Abgabe für den Bestand nach der Änderung und der Abgabe für den Bestand vor der Änderung, wobei beide Abgaben nach dem bei Entstehung der Abgabenschuld geltenden Einheitssatz zu berechnen sind. Die Berechnungsfläche ist für den Bestand vor der Änderung und für den Bestand nach der Änderung jeweils gemäß § 3 Abs. 2 zu ermitteln.

...

§ 12

Entstehung der Abgabenschuld, Fälligkeit

(1) Die Abgabenschuld für die Kanaleinmündungsabgabe

(Sonderabgabe, Ergänzungsabgabe) entsteht

a) im Falle der Neuerrichtung eines Kanals in dem

Zeitpunkt, in dem der Anschluß der anschlußpflichtigen

Liegenschaft an den Kanal möglich ist;

b) im Falle einer Bauführung mit dem Einlangen der

Fertigstellungsanzeige im Sinne der Bauordnung bei der Behörde bzw.

c) wenn eine solche nicht erforderlich ist, mit der

Fertigstellung des Vorhabens oder mit dem Eintritt der Änderung.

..."

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die nach § 93 Abs 3 lit a BAO gebotene Begründung eines Abgabenbescheids erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Einsicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Sie muss in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der behördlichen Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist. Mangels einer hinreichenden Darstellung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes ist eine Gesetzmäßigkeitskontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht möglich (vgl , und vom , 2002/14/0116).

Weder der angefochtene Bescheid noch die Bescheide der Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde enthalten Feststellungen zur baulichen Gestaltung des auf der Liegenschaft befindlichen Gebäudes und zu den Veränderungen, die zum Anlass für die Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages genommen wurden. Unklar bleibt auch, wann die diesbezügliche Fertigstellungsanzeige bei der Behörde eingelangt ist bzw wann diese Änderungen tatsächlich erfolgt sind. Daher kann auch der Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld gemäß § 12 Abs 1 NÖ Kanalgesetz 1977 nicht ermittelt und der allfällige Eintritt einer Verjährung nicht geprüft werden.

In der Berufungsentscheidung vom wird zwar der Rechenvorgang, der der Vorschreibung des Ergänzungsbeitrages zugrunde gelegt wurde, wiedergegeben, es wird aber nicht nachvollziehbar dargestellt, woraus sich die dabei zugrunde gelegten Angaben (bebaute Fläche, Anzahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoße, unbebaute Fläche) ergeben.

Diese Mängel hat die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage nicht aufgegriffen. Sie hat sich vielmehr auf die Prüfung der Frage, ob eine nordseitig gelegene Halle als Teil eines einheitlichen Bauwerkes anzusehen ist, beschränkt, ohne jedoch auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach diese Halle nicht an den Kanal angeschlossen sei und daher bereits gemäß § 3 Abs 2 zweiter Satz NÖ KanalG zur unbebauten Fläche zähle, einzugehen.

Die belangte Behörde könnte auch nicht die Bindungswirkung der Vorstellungsentscheidung vom ins Treffen führen, hatte sie doch selbst diese Entscheidung mit Mängeln in der Sachverhaltsermittlung begründet und der mitbeteiligten Gemeinde aufgetragen, lediglich "... im Besonderen zu prüfen, welches Ausmaß die bebaute Fläche des gegenständlichen Gebäudes tatsächlich hat bzw vor der nunmehrigen Veränderung ... tatsächlich hatte". Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass das ergänzende Ermittlungsverfahren und die darauf aufbauenden Feststellungen ausschließlich auf die Flächenausmaße zu beschränken gewesen wären.

Da die belangte Behörde die der Berufungsbehörde neuerlich unterlaufenen Begründungsmängel nicht zum Anlass für die Aufhebung des vor ihr angefochtenen Berufungsbescheides vom nahm, belastet sie ihre Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der angefochtene Bescheid war schon deswegen gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Vorbringen in der Beschwerde näher einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl II Nr 518/2013, in der Fassung BGBl II Nr 8/2014.

Wien, am