VwGH vom 24.10.2012, 2012/17/0304
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2012/17/0305 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pichler, über die Beschwerde des Finanzamtes Kufstein Schwaz in 6333 Kufstein, Oskar Pirlo-Straße 15, gegen den Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates (Außenstelle Innsbruck) vom , Zl. RV/0347-I/12, betreffend Energieabgabenvergütung für Jänner 2011 (mitbeteiligte Parteien: 1. K, und 2. M, beide in W und vertreten durch Dr. Franz Kerber Partner WT GmbH Co KG Steuerberatungsgesellschaft in 6370 Kitzbühel, Marchfeldgasse 4), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des beschwerdeführenden Finanzamtes vom wurde der Antrag der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligten Parteien auf Vergütung von Energieabgaben für das Kalenderjahr 2011 (eingebracht am ) abgewiesen.
Über Berufung der mitbeteiligten Parteien sprach die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid aus, dass der Berufung teilweise Folge gegeben und der vor ihr bekämpfte (erstinstanzliche) Bescheid aufgehoben werde. Begründend führte sie aus, gemäß § 4 Abs. 7 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996 in der Fassung durch BGBl. I Nr. 111/2010 (in der Folge: EAVG) trete § 2 leg. cit. vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission in Kraft. Nach dem Amtsblatt der Europäischen Union vom handle es sich bei der Einschränkung des § 2 EAVG auf Produktionsbetriebe um eine Beihilfe, die auf der Grundlage der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 800/2008 der Kommission vom zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung), ABl. L 214 vom , Seite 3) gewährt werde. Die Anwendung der allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung ermögliche einem Mitgliedstaat die sofortige Gewährung einer Beihilfe, ohne dass eine vorherige Anmeldung bei der Kommission erforderlich sei; der Mitgliedstaat müsse die Kommission nur binnen 20 Arbeitstagen ab Inkrafttreten der Beihilfe anhand eines Informationsblattes über die Beihilfe informieren. Nach dem Informationsblatt, das der Kommission übermittelt worden sei, habe die Beihilfe eine Laufzeit vom " - ". Daher habe sich auch eine Genehmigung durch die Europäische Kommission im Sinne des § 4 Abs. 7 EAVG nur auf diese Zeit beziehen können. Damit mangle es aber offenkundig an der Erfüllung des Vorbehalts im Sinne des § 4 Abs. 7 EAVG für den Monat Jänner 2011, weshalb der Berufung in diesem Umfang Folge zu geben gewesen sei.
Gemäß § 289 Abs. 1 BAO habe die Abgabenbehörde zweiter Instanz, sofern die Berufung nicht gemäß § 287 BAO zurückzuweisen sei, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Nach § 289 Abs. 2 BAO sei die Abgabenbehörde zweiter Instanz berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde erster Instanz zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Berufung als unbegründet abzuweisen.
Das Gebot, immer in der Sache selbst zu entscheiden, setze voraus, dass die zu erledigende "Sache", also die Angelegenheit, die Gegenstand des Verfahrens der Abgabenbehörde erster Instanz gewesen sei, mit der "Sache" identisch sei, die in die Sachentscheidung der Rechtsmittelbehörde einbezogen werde. "Sache" sei in diesem Zusammenhang die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet habe. Die Abgabenbehörde zweiter Instanz dürfe sohin in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen sei, nicht einen Sachbescheid - im Ergebnis erstmals - erlassen. Eine Berufungsentscheidung dürfe daher beispielsweise nicht einen Bescheid, mit dem der Antrag auf Festsetzung abgewiesen worden sei, in einen Abgabenbescheid umwandeln. Übertrage man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, müsse die Vergütung der Energieabgabe für den Kalendermonat Jänner 2011 durch das Finanzamt (als Abgabenbehörde erster Instanz) erfolgen.
Das beschwerdeführende Finanzamt bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof in der auf § 292 BAO gestützten Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und ebenso wie die mitbeteiligten Parteien eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Soweit sich die Beschwerde gegen die Rechtsansicht der belangten Behörde wendet, den mitbeteiligten Parteien stehe die Energieabgabenvergütung für den Monat Jänner 2011 zu, gleicht der vorliegende Beschwerdefall demjenigen, den der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 2012/17/0175, entschieden hat; gemäß § 43 Abs. 2 VwGG kann daher insoweit auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen werden.
Soweit aber die Beschwerde - wenngleich unzutreffend unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - rügt, die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, sie dürfe die Energieabgabenvergütung für den Monat Jänner 2011 nicht zusprechen, kommt ihr auf Grund folgender Erwägungen Berechtigung zu:
Nach § 2 Abs. 2 Z. 1 EAVG ist über Antrag des Vergütungsberechtigten je Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) der Betrag zu vergüten, der den in § 1 EAVG genannten Anteil am Nettoproduktionswert übersteigt. Der Antrag hat die im Betrieb verbrauchte Menge an den in § 1 Abs. 3 leg. cit. genannten Energieträgern und die in § 1 EAVG genannten Beträge zu enthalten. Er ist spätestens bis zum Ablauf von fünf Jahren ab Vorliegen der Voraussetzungen für die Vergütung zu stellen. Der Antrag gilt als Steuererklärung. Der Antrag ist mit Bescheid zu erledigen und hat den Vergütungsbetrag in einer Summe auszuweisen.
Aus dieser Bestimmung folgt mit hinreichender Deutlichkeit, dass Gegenstand der Entscheidung über die Energieabgabenvergütung der diesbezügliche (ein Kalender- oder Wirtschaftsjahr umfassende) Antrag des Vergütungsberechtigten ist. Über diesen hat die Behörde mit Bescheid abzusprechen; der Antrag und die sich daraus ergebende Vergütungssumme sind sohin "Sache" des Verfahrens vor der Abgabenbehörde erster Instanz. Auch im vorliegenden Beschwerdefall hat die Abgabenbehörde erster Instanz inhaltlich - wenngleich abschlägig - über den Antrag auf Energieabgabenvergütung abgesprochen, wogegen sich die Berufung der mitbeteiligten Parteien richtete.
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde war somit "Sache" des Berufungsverfahrens das (auch nur teilweise) Bestehen oder Nichtbestehen des Anspruches auf Energieabgabenvergütung. Die belangte Behörde war daher nicht gehindert, dem Gebot des § 289 Abs. 2 erster Satz BAO, nämlich - außer in den Fällen des Abs. 1 - immer in der Sache selbst zu entscheiden, nachzukommen. Da die belangte Behörde dies - ausgehend von einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht - unterlassen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid insoweit als inhaltlich rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am