VwGH vom 21.10.2014, 2012/17/0276
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Holeschofsky, Hofrat Dr. Köhler, die Hofrätinnen Mag. Dr. Zehetner und Mag. Nussbaumer-Hinterauer sowie Hofrat Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Beschwerde der C GmbH in Wien, vertreten durch die Suppan Spiegl Rechtsanwälte GmbH in 1160 Wien, Konstantingasse 6-8/9, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. IVW3- BE-3060401/076-2012, betreffend Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Baden bei Wien, Hauptplatz 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Wohnheimes mit 21 Wohneinheiten und fünf Wohngemeinschaften für ältere, betreuungsbedürftige Menschen erteilt. Mit Schreiben vom teilte die beschwerdeführende Partei, die grundbücherliche Eigentümerin dieser Liegenschaft im Gemeindegebiet der mitbeteiligten Stadtgemeinde ist, der Baubehörde die Fertigstellung des Bauvorhabens sowie die Veränderungsanzeige im Sinne des § 13 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 (NÖ GWLG) mit.
Mit Abgabenbescheid der Bürgermeisterin der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom wurde der beschwerdeführenden Partei für diese, an die Gemeindewasserleitung angeschlossene Liegenschaft eine Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe vorgeschrieben. Aufgrund der Berufung vom änderte der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom den bekämpften Abgabenbescheid ab und setzte eine betraglich verminderte Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe fest. Dagegen erhob die beschwerdeführende Partei Vorstellung. Mit Bescheid vom behob die belangte Behörde den Berufungsbescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Stadtrat zurück. Im zweiten Rechtsgang erließ der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde den Bescheid vom , mit dem der Berufung der beschwerdeführenden Partei teilweise Folge gegeben und die Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe mit EUR 11.097,50 zuzüglich Umsatzsteuer festgesetzt wurde.
Die dagegen gerichtete Vorstellung der beschwerdeführenden Partei wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass nach Erhebungen der Abgabenbehörden, nicht wie von der beschwerdeführenden Partei vorgebracht 28 %, sondern insgesamt 40,99 % der Geschoßfläche des Gebäudes für betreutes Wohnen genutzt würden und somit eine Wohnnutzung in einem erheblichen Ausmaß vorliege. Auch gehe der Gesetzgeber in § 6 Abs. 3 lit. a NÖ GWLG beim Begriff "Wohngebäude" unzweifelhaft vom gewöhnlichen Sprachgebrauch aus, weshalb darunter Baulichkeiten subsumiert werden könnten, welche vorwiegend Wohnzwecken dienten. Demgegenüber sehe § 6 Abs. 3 lit. b NÖ GWLG unter "anderen Fällen" Gebäude vor, die nicht vorwiegend Wohnzwecken dienten, etwa Scheunen, Stallungen und Lagerhallen.
Der Aufenthalt in einem Pflegeheim befriedige zwar neben dem Wohnbedürfnis auch andere Zwecke, nämlich Pflege und Betreuung; der Lebensmittelpunkt der pflegebedürftigen Personen befinde sich allerdings im Pflegeheim, weil die Zimmer wie eine Wohnung, damit jedenfalls auch zu Wohnzwecken benützt würden.
Da ein Pflegeheim den Aufenthalt auf unbestimmte Dauer vorsehe, sei damit zu rechnen, dass der Wasserbedarf eines Pflegeheims typischerweise mit Wohngebäuden vergleichbar sei. Bei einer Durchschnittsbetrachtung sei somit davon auszugehen, dass der Wasserverbrauch des verfahrensgegenständlichen Objekts aufgrund der Anzahl der Bewohner, den Wasserverbrauch von Wohngebäuden übersteige oder zumindest erreiche, weshalb eine Privilegierung des in Rede stehenden Gebäudes in Form der Anwendung des § 6 Abs. 3 lit. b NÖ GWLG sachlich nicht gerechtfertigt sei.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 79 Abs. 11 VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
Die im Beschwerdefall maßgebliche Rechtsfrage ist, ob bei der Ermittlung der Berechnungsfläche für die Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Objekts als Faktor die für Wohngebäude vorgesehene um eins erhöhte Anzahl der mit Wasser zu versorgenden Geschoße gemäß § 6 Abs. 3 lit. a NÖ GWLG oder der in allen anderen Fällen relevante Faktor zwei gemäß § 6 Abs. 3 lit. b NÖ GWLG heranzuziehen ist.
Die maßgebliche Bestimmung des § 6 Abs. 3 NÖ Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 (NÖ GWLG), in der Fassung LGBl. 6930-0 (Wiederverlautbarung) lautet wie folgt:
"(3) Die Berechnungsfläche jeder angeschlossenen Liegenschaft ist so zu ermitteln, daß die Hälfte der bebauten Fläche
a) bei Wohngebäuden mit der um eins erhöhten Anzahl der mit Wasser zu versorgenden Geschosse vervielfacht,
b) in allen anderen Fällen verdoppelt
und das Produkt um 15 vom Hundert der unbebauten Fläche vermehrt wird."
Unter dem Begriff des "Wohngebäudes" versteht § 4 Z 7 NÖ Bauordnung 1996, in der Fassung LGBl. 8200-15, Gebäude, die ganz oder überwiegend zum Wohnen genutzt werden. Im Zusammenhang mit der Regelung des an bauliche Gegebenheiten anknüpfenden Abgabentatbestandes kann zur Auslegung dort enthaltener Begriffe auf die baurechtlichen Bestimmungen zurückgegriffen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2005/17/0007, mwN).
Darüber hinaus bietet das NÖ Sozialhilfegesetz 2000 einen Anhaltspunkt dafür, was der Gesetzgeber des Landes Niederösterreich unter einem Pflegeheim versteht. Nach § 47 Abs. 2 Z 1 NÖ Sozialhilfegesetz 2000, in der Stammfassung LGBl. 9200-0, zählen Pflegeheime zu den stationären Diensten. Diese sind gemäß Abs. 1 leg. cit. Einrichtungen zur dauernden Unterbringung, Versorgung, aktivierenden Betreuung und Pflege überwiegend betagter Menschen oder Menschen mit besonderen Bedürfnissen sowie Menschen in außerordentlichen Notsituationen, die nicht oder nicht mehr in der Lage sind, selbstständig einen eigenen Haushalt zu führen und denen die notwendige Hilfe weder im familiären Bereich noch durch teilstationäre oder ambulante Dienste ausreichend oder zufrieden stellend geboten wird oder geboten werden kann. Damit nehmen die Bewohner ein solches Pflegeheim zum Wohnen in Anspruch, selbst wenn ihnen wesentliche Leistungen der Haushaltsführung oder auch der Pflege erbracht werden. Daher ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie die verfahrensgegenständliche Norm des § 6 Abs. 3 NÖ GWLG so verstanden hat, dass sie die Berechnung der Wasseranschluss- und Ergänzungsabgabe nach der für Wohngebäude angeordneten lit. a vornahm und die Berechnung nach "anderen Fällen" der lit. b lediglich als Ausnahmetatbestand ansah.
Dies ist auch im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sachgerecht, wonach bei einer typisierenden Umschreibung der Berechnungsgrundlage der Wasseranschlussabgabe das Abgrenzungskriterium in sachlicher Weise am jeweiligen Anschlussnutzen gemessen wird. Wird dabei auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung abgestellt und soll sich die Abgabenhöhe somit am jeweiligen Versorgungsnutzen des Abgabepflichtigen orientieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2008/17/0105), erscheint eine Privilegierung des verfahrensgegenständlichen Gebäudes im Hinblick auf die eingetretenen und in Zukunft zu erwartenden Gebühren für die Benützung von Gemeindeanlagen als nicht sachgerecht.
Soweit sich die Beschwerde auf die Verletzung von Verfahrensvorschriften stützt, beziehen sich diese Mängel jeweils nur auf die prozentuale Berechnung der oberirdischen Geschoßfläche zur Unterbringung pflegebedürftiger Menschen und jener des betreuten Wohnens. Eine flächenmäßige Aufteilung der genauen Nutzfläche des verfahrensgegenständlichen Gebäudes ist im Lichte der oben gemachten Ausführungen jedoch für die Lösung der Rechtsfrage nicht relevant, weshalb eine weitergehende Untersuchung der vorgebrachten Verfahrensmängel zu unterbleiben hatte.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG aF in Verbindung mit § 3 Z 1 VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am