VwGH vom 07.09.2011, 2008/08/0131

VwGH vom 07.09.2011, 2008/08/0131

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peck, über die Beschwerde des F H in S, vertreten durch Mag. Franz Haydn, Rechtsanwalt in 2320 Schwechat, Bruck Hainburger Straße 7, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom , Zl. LGS NÖ/RAG/05661/2008, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom , mit dem der Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 1. Februar bis ausgesprochen wurde, abgewiesen.

Die belangte Behörde ging davon aus, der Beschwerdeführer stehe seit im Notstandshilfebezug, welcher durch zwei kurze Dienstverhältnisse unterbrochen worden sei. Der Beschwerdeführer suche eine Vollzeitbeschäftigung als Lagerarbeiter bzw. Hilfsarbeiter in den Bezirken S, B und in W. Er besitze den Führerschein B und den Staplerschein, habe aber kein eigenes Fahrzeug. Während des Leistungsbezuges sei der Beschwerdeführer wiederholt über die Einhaltung der Meldeverpflichtungen belehrt worden; auch sei er über die Vorgangsweise betreffend die Zusendung passender Vermittlungsvorschläge informiert worden.

Am sei dem Beschwerdeführer von der regionalen Geschäftsstelle eine Vollzeitbeschäftigung als Lagerarbeiter bei T in S mit einer Entlohnung im Rahmen des anzuwendenden Kollektivvertrages postalisch an die vom Beschwerdeführer angegebene Adresse zugewiesen worden. Aus dem Vermittlungsvorschlag gehe eindeutig hervor, dass die Vorstellungsgespräche im Rahmen einer Jobbörse ausschließlich am um 9 Uhr in den Räumlichkeiten der regionalen Geschäftsstelle stattfänden. Der Beschwerdeführer sei zur Jobbörse nicht erschienen.

Am sei er zum Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses befragt worden. Er habe ausgeführt, er habe die Einladung zur Jobbörse nicht erhalten. In diesem Zeitraum habe es öfters einen Briefträgerwechsel gegeben.

Aus den Verfahrensunterlagen gehe hervor, dass die regionale Geschäftsstelle am von einer Mitarbeiterin der Post bei der Zustellbasis F die telefonische Auskunft erhalten habe, dass an der Adresse des Beschwerdeführers im relevanten Zeitraum keine Zustellmängel aufgetreten seien und auch keine Vertretung die Zustellung der Schriftstücke durchgeführt habe. Diese Stellungnahme der Zustellbasis F sei dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden. Der Beschwerdeführer habe ausgeführt, die Angaben der Mitarbeiterin der Zustellbasis F würden nicht stimmen, da er fast täglich falsche Postsendungen erhalte. Er habe sich auch die Mühe gemacht, mit einigen Personen in seiner Heimatgemeinde zu sprechen, welche ebenfalls über die katastrophale Postzustellung verärgert seien. Der Beschwerdeführer habe am hiezu auch eine Unterschriftenliste abgegeben. Diese Liste sei von neun Personen unterfertigt worden, darunter vom Beschwerdeführer und zwei weiteren Personen mit demselben Nachnamen. Ein konkreter Zeitraum werde in der Unterschriftenliste nicht angegeben, es werde aber auf einen "Briefträgerwechsel" verwiesen. Die Gemeinde weise eine Einwohnerzahl von 1.768 auf, von denen sich - mit Ausnahme der Familie des Beschwerdeführers - sechs Personen in einer Unterschriftenliste über behauptete Zustellmängel beschwert hätten. Zustellmängel hätten auch nicht von amtswegen - im Zuge der Bearbeitung weiterer Berufungsfälle der regionalen Geschäftsstelle mit derselben Zustellbasis - festgestellt werden können.

Die belangte Behörde habe die Stellungnahme des Beschwerdeführers sowie die Unterschriftenliste der Zustellbasis F mit der Bitte um Prüfung und Stellungnahme zur Kenntnis gebracht. Im Schreiben vom der Zustellbasis F werde ausgeführt, dass im relevanten Zeitraum keine Vertretung an der Adresse des Beschwerdeführers die Post zugestellt habe. Die ständige Zustellerin sei in diesem Zeitraum anwesend gewesen; in diesem Zeitraum habe es nicht einen einzigen Zustellmangel gegeben. Erst ab sei eine Vertretung zuständig gewesen. Es sei richtig, dass es in den ersten zwei Wochen ab durch die Vertretung zu Fehlzustellungen gekommen sei; in der Zwischenzeit gebe es jedoch keine Beschwerden mehr.

Das Schriftstück (Vermittlungsvorschlag) sei auch nicht etwa als unzustellbar an die regionale Geschäftsstelle zurückgekommen.

Aufgrund dieser Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens werde festgestellt, dass es zum Zeitpunkt der Zuweisung des Vermittlungsvorschlages am keine Zustellprobleme gegeben habe. Der Vermittlungsvorschlag gelte daher - aufgrund der glaubhaften und nachvollziehbaren Ausführungen der Zustellbasis F -

mit als zugestellt.

Der Beschwerdeführer sei seit geraumer Zeit darüber informiert und wisse daher, dass ihm von der regionalen Geschäftsstelle Vermittlungsvorschläge persönlich bzw. postalisch übermittelt würden. Der Vermittlungsvorschlag für die Beschäftigung als Lagerarbeiter sei dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom postalisch übermittelt worden. Der Beschwerdeführer sei diesem Vermittlungsvorschlag nicht nachgekommen. Der Vermittlungsvorschlag sei an die vom Beschwerdeführer angegebene Adresse übermittelt worden. Entgegen dem Berufungsvorbringen habe aufgrund der glaubwürdigen und nachvollziehbaren Ausführungen der Zustellbasis F festgestellt werden können, dass es im relevanten Zeitraum (Mitte Jänner 2008) keine Zustellmängel an der Adresse des Beschwerdeführers gegeben habe. In diesem Zeitraum habe es auch keinen Briefträgerwechsel gegeben. Das Berufungsvorbringen, der Beschwerdeführer habe den Vermittlungsvorschlag nicht erhalten, werde daher als Schutzbehauptung gewertet. Da die Post selbst ausgeführt habe, dass es ab für einen kurzen Zeitraum zu Zustellmängeln gekommen sei und dieser Umstand auch auf der Unterschriftenliste angeführt sei ("Briefträgerwechsel"), sei es denklogisch und nachvollziehbar, dass sich die behaupteten Zustellmängel auf den Zeitraum nach dem beziehen würden. Im Rahmen der Beweiswürdigung sei daher der "Aussage der Post" und nicht dem Berufungsvorbringen gefolgt worden.

Es sei nicht im Sinne der Versichertengemeinschaft, dass sich ein Arbeitsloser durch die bloße Behauptung, Vermittlungsvorschläge nicht erhalten zu haben, den Vermittlungsbemühungen entziehen könne. Die Verwaltung sei dem Prinzip der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit verpflichtet. Aus diesem Grund würden Vermittlungsvorschläge grundsätzlich mit "Normalpost" zugestellt. Müsste das Arbeitsmarktservice jeden einzelnen Vermittlungsvorschlag mit Rückschein-Sendung übermitteln, wäre dies - im Hinblick darauf, dass es sich um ein "Masseverfahren" handle - mit enormen Kosten verbunden, welche wiederum die Allgemeinheit tragen müsste. Wenn tatsächlich Zustellmängel nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht würden, werde dem Vorbringen der Berufungswerber gefolgt; dies sei aber hier nicht der Fall.

Der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten seine Arbeitswilligkeit in Zweifel gestellt. Dem Beschwerdeführer sei eine in jeder Hinsicht zumutbare Beschäftigung angeboten worden. Das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses sei dem Beschwerdeführer anzulasten. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes zur Gänze kostenpflichtig zu beheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Wurde die Zustellung ohne Zustellnachweis angeordnet, wird das Dokument nach § 26 Abs. 1 ZustG zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird. Die Zustellung gilt nach § 26 Abs. 2 ZustG als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde nach dem zweiten Satz dieser Gesetzesstelle die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass bei Zustellungen ohne Zustellnachweis die Behörde die Folgen dafür auf sich nehmen muss, wenn der Behauptung der Partei, sie hätte ein Schriftstück nicht empfangen, nicht wirksam entgegen getreten werden kann. Bei bestrittenen Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. Mangels Zustellnachweises muss der Beweis der erfolgten Zustellung auf andere Weise von der Behörde erbracht werden. Gelingt dies nicht, ist die Behauptung der Partei über die nicht erfolgte Zustellung als richtig anzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/16/0175, mwN).

Im Falle der Bestreitung des Zuganges von Stellenangeboten an den Arbeitslosen hat sohin das Arbeitsmarktservice die Tatsache der Zustellung nachzuweisen. Kann sie hiefür - wie hier - keinen Urkundenbeweis erbringen, hat sie die für und gegen den Zugang sprechenden Umstände vollständig darzulegen und zu würdigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2007/08/0254).

Die belangte Behörde führte im Rahmen ihrer Sachverhaltsfeststellungen - als Ergebnis ihrer Erwägungen - lediglich aus, es habe zum Zeitpunkt der Zuweisung des Vermittlungsvorschlages keine Zustellprobleme gegeben; sie schließt (erkennbar unter Zugrundelegung von § 26 Abs. 2 erster Satz ZustG) daraus, der Vermittlungsvorschlag gelte demnach als zugestellt. Auch im Rahmen der rechtlichen Beurteilung wird ausgeführt, dass (lediglich?) dann, wenn tatsächlich Zustellmängel nachgewiesen oder glaubhaft gemacht würden, dem Vorbringen der Berufungswerber gefolgt werde.

Damit hat aber die belangte Behörde die Rechtslage zur Beweislast und dazu, welcher Sachverhalt zur Prüfung der Frage, ob ein Vermittlungsvorschlag wirksam zugestellt wurde, festzustellen ist, verkannt:

Nicht der Empfänger eines - ohne Zustellnachweis versendeten -

Dokuments hat nachzuweisen (oder auch nur glaubhaft zu machen), dass es zu (allgemeinen) Zustellproblemen (etwa aufgrund des Wechsels des Zustellers) gekommen sei; auch hat er nicht nachzuweisen (oder glaubhaft zu machen), dass er die Sendung nicht erhalten habe. Es hat vielmehr im Bestreitungsfall die Behörde die Zustellung nachzuweisen. Eine Feststellung, dass die Sendung dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, wurde von der belangten Behörde aber nicht getroffen, auch wenn ausgeführt wird, das Berufungsvorbringen werde als Schutzbehauptung gewertet, im Rahmen der Beweiswürdigung sei der "Aussage der Post" und nicht dem Berufungsvorbringen gefolgt worden. Ergebnis dieser Erwägungen ist aber - auch im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - lediglich der Umstand, dass die (generellen, auch mittels Unterschriftenliste belegten) "Zustellmängel" sich lediglich auf den Zeitraum nach dem bezögen.

Wenn die belangte Behörde ergänzend darauf verweist, sie sei dem Prinzip der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit verpflichtet, sodass die Vermittlungsvorschläge grundsätzlich mit "Normalpost" zugestellt würden, so vermag dieser Umstand nichts an der Beweislast der Behörde im Falle der Bestreitung des Zuganges des ohne Rückschein versendeten Vermittlungsvorschlages zu ändern. Hinzuweisen ist aber darauf, dass der Behörde die Möglichkeit offen steht, Vermittlungsvorschläge auch im Rahmen von Kontrollmeldungen iSd § 49 AlVG zu unterbreiten. Da Kontrollmeldungen im Allgemeinen wöchentlich mindestens einmal erfolgen sollen, ist auch nicht ersichtlich, dass die Behörde gehindert gewesen wäre, dem Beschwerdeführer den Vorstellungstermin vom rechtzeitig mitzuteilen, welcher der Behörde (jedenfalls) ab dem bekannt war.

Da sohin - wegen Verkennung der Rechtslage - keine Feststellung dazu getroffen wurde, ob der Vermittlungsvorschlag dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil nach diesen Bestimmungen eine gesonderte Vergütung an Umsatzsteuer nicht zusteht. Wien, am